
© Andreas Heimann/dpa
Gewalt und Verelendung in Kreuzberg: Der Zaun um den Görlitzer Park ist noch keine Lösung – aber ein Anfang
Fast 1000 Straftaten im Jahr, ein zusehends leidender Kiez – kann ein Zaun um Berlins schlimmsten Drogen-Umschlagplatz wirklich helfen? Einen Versuch ist es wert.

Stand:
Um das Tempelhofer Feld herum gibt es einen Zaun, der abends abgeschlossen wird. Niemand regt sich darüber auf.
Aufgeheizt ist dagegen die Lage am Görlitzer Park in Kreuzberg, wo Aktivisten den Aufstand gegen die jetzt begonnene Einzäunung proben und Bezirksbürgermeisterin Clara Hermann (Grüne) vehement gegen nachts verschließbare Tore für den Park wettert. Ohne Zaun allerdings hat sich der Görli zu Berlins schlimmstem Drogen-Umschlagplatz entwickelt, den die Polizei für kaum mehr kontrollierbar hält.
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Der Kommentar von Robert Ide zum Nachhören:
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Fast 1000 registrierte Straftaten gab es im vergangenen Jahr im eigentlich schön angelegten Park, davon fast 200 sogenannte Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen und Raubtaten. Soll Berlin das einfach hinnehmen?
Seit Jahren beklagen Nachbarinnen und Nachbarn eine Verdreckung und Verelendung des Kiezes durch den organisierten Drogenhandel. Viele fordern mehr Sozialarbeit und Druckräume für legalen Konsum wie in Zürich.
Eine Befürchtung wird oft ins Feld geführt: Durch die abgeschlossenen Tore verlagere sich der Handel nachts in die Hauseingänge der umliegenden Straßen. Das allerdings hat er schon längst getan: Dealer stehen hier an jeder Ecke, abgestürzte Konsumierende liegen auf nahezu allen Bahnhofstreppen. Gewalt und Verelendung gehören längst zum Straßenbild rund um den Görli. Kannste nüscht machen? Sollte die Politik aber!
Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann befürwortet eine „akzeptierende Drogenpolitik“. Doch für eine solche bräuchte es viel mehr Sozialprojekte – die allerdings werden vom Senat fatalerweise berlinweit zusammengespart. Eine akzeptierende Drogenpolitik toleriert allerdings nicht nur den Konsum von Drogen, den man nie ganz verhindern kann, sondern auch die dramatischen Folgen des kriminellen, organisierten Handels. Das ist falsch – gerade jetzt, da sich die Drogenszene durch synthetische Rauschmittel radikal verändert.
Laut dem am Montag vorgestellten Drogenbericht der Bundesregierung gab es vergangenes Jahr fast 300 Drogentote in Berlin – ein Rekord. Ein Fünftel starb an einer Überdosis synthetischer Stoffe wie Fentanyl. Diese sind sehr stark wirksam, nicht wenige Konsumenten werden rasend schnell abhängig und laufen herum wie Zombies; für ihre Umgebung wirken sie kaum ausrechenbar.
Familien am Leopoldplatz im Wedding, einem zweiten Drogenhotspot der Stadt, berichten von Spritzbesteck auf Spielplätzen, Fäkalien in Hauseingängen und selbst älteren Kindern, die sich nicht allein auf ihren Schulweg trauen. Berlin darf dies als Alltag nicht akzeptieren.
Der Zaun um den Görlitzer Park ist noch keine Lösung. Aber immerhin ein Anfang, das Drogen- und Kriminalitätsproblem besser kontrollieren zu wollen. Natürlich kann es sein, dass hier für fast zwei Millionen Euro nur ein politisches Symbol errichtet wird. Aber immerhin sagt dieses Symbol: Wir geben den Kiez und die Stadt noch nicht auf.
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Jeden Donnerstag ab 6 Uhr kommentiert Robert Ide stadtpolitische Themen bei Simone Panteleit und Team im Berliner Rundfunk 91.4. Im Tagesspiegel finden Sie den Kommentar zum Nachlesen und Nachhören.
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