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Der Bezirk wollte die Wohnungsbaupläne des Investors verhindern und übte das Vorkaufsrecht aus.

© Mike Wolff

Grünanlage oder Wohnungsbau?: Gericht stoppt erneut Vorkauf durch Berliner Bezirk

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wollte den Wohnungsbau auf einem Gelände der Deutschen Bahn am Westkreuz verhindern. Doch der Vorkauf war rechtswidrig.

Erneut hat ein Gericht die gegen Investoren gerichtete Vorkaufspraxis gekippt. Das Vorgehen des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, um die Wohnungsbaupläne eines Investors im vom Bezirk geplanten Westkreuzpark, einem Gelände der Deutschen Bahn, zu verhindern, sind am Mittwoch vom Landgericht Berlin für rechtswidrig erklärt worden.

Ob nun Wohnungen gebaut werden können, bleibt aber ungewiss. Der Bezirk kann vor dem Kammergericht in Berufung gehen und will weiterhin keine Wohnungen dort, der Investor aber schon. Wenn die Gespräche mit dem Bezirk nicht fruchten, plant er alternativ andere Bauten.

Der Bezirk und auch der Berliner Senat hatten statt des Wohnungsbaus eine große Grünanlage nahe dem S-Bahnhof Westkreuz schaffen wollen. Die Deutsche Bahn hatte die dafür vorgesehenen Brachflächen jedoch 2018 an einen privaten Investor verkauft, er plante dort nach Auskunft seiner Anwälte ursprünglich, „preisgünstigen Wohnungsbau zu errichten“. Das Bezirksamt machte dann sein Vorkaufsrecht geltend, um die Pläne zu verhindern und Grünflächen durchzusetzen. Die Bahn und der Erwerber haben dagegen geklagt – mit Erfolg.

Nach Ansicht des Landgerichts hätte das Vorkaufsrecht – zumal zu einem deutlich verminderten Preis – nicht ausgeübt werden dürfen. Nach dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan für die Grünfläche durch den Bezirk passierte lange nichts, im Jahr 2018 verkaufte die Bahn die Fläche. Doch erst Anfang 2019 dann begann die Auslegung des Bebauungsplans – damit begründete der Bezirk dann sein Vorkaufsrecht.

Keine Planungshoheit für die Fläche

Doch das hätte er gar nicht mehr tun dürfen, entschied das Gericht. Zum einen hat der Bezirk für die Fläche noch gar keine Planungshoheit, weil diese nach Eisenbahnrecht gewidmet ist. Zu anderen hätte die Auslegung des Bebauungsplans vor dem Verkauf der Bahnfläche beginnen müssen, um das Vorkaufsrecht ausüben zu können.
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Die Anwälte von Bahn und Investor sagten nach dem Urteil, der Bezirk habe das geltende Recht sehr eigenwillig auslegt. Und das Gericht befand nach Auskunft der Anwälte, dass das Vorkaufsrecht nach dem Gesetz die Ausnahme und nicht die Regel sei. Der Fall reiht sich ein in andere Niederlagen des Landes Berlin im Umgang mit Investoren und Immobilienwirtschaft.

Zunächst war der Mietendeckel im Frühjahr 2021 vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden, weil Berlin gar nicht dazu berechtigt war, den Deckel per Gesetz zu erlassen. Dann beendete das Bundesverwaltungsgericht im November die Vorkaufspraxis der jahrelange Bezirke bei Miethäusern in Milieuschutzgebieten. der einfache Verdacht, ein Käufer könne in der Zukunft die Häuser aufwerten, damit Mieten erhöhen oder spekulieren, reiche für den Vorkauf nicht aus.

„Exemplarisch für die Baubehinderungspolitik der letzten Legislaturperiode“

Mathias Hellriegel, der den Westkreuzpark-Investor vertritt, sagte: „Der Fall ist exemplarisch für die Baubehinderungspolitik der letzten Legislaturperiode.“ Jetzt müssten „konstruktive und kooperative Verhandlungen für eine sinnvolle Nutzung des Grundstücks“ beginnen, um endlich Wohnungen zu bauen. Es gebe auch genügend Grünflächen, nebenan seien Grunewald und Lietzenseepark.

Allerdings kündigten Bezirksvertreter bereits an, auf der Fläche weiterhin keinen Wohnungsbau zu wollen. Stadtentwicklungsstadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD) sagte nach dem Urteil, das Bezirksamt habe „eine großzügige Auslegung des Vorkaufsrechts gewollt". In dem "hochverdichteten Gebiet" sei eine „Frischluftschneise“ wichtig, im ganzen Bezirk mangele es an Parkanlagen und Spielflächen. Über eine mögliche Berufung werde entschieden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliege.

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Schmitz-Grethlein amtiert erst seit Dezember. Sein Vorgänger Oliver Schruoffeneger (Grüne), der weiterhin Umweltstadtrat ist, hatte früher schon scharfe Kritik an der Deutschen Bahn geübt. Der Wille des Bezirks und des Senats, den Westkreuzpark zu schaffen, sei ihr lange vor dem Verkauf bekannt gewesen. Nun ärgert sich auch der neue Stadtrat darüber, dass für den bundeseigenen Konzern nur ein „Profitinteresse“ wichtig sei.

Sollte es bei dem Urteil bleiben, besteht nun ein Patt. Will der Investor Wohnungen bauen, müsste die Bahnflächen umgewidmet werden. Dabei haben Bezirk und Land Mitspracherecht und könnten Wohnungen weiter verhindern. Sollte es dabei bleiben, könnte der Investor auch Alternativpläne umsetzen, um den Kaufpreis durch Einnahmen zu amortisieren. Möglich sei etwa eine Waschanlage für Züge, wenn das Areal weiterhin dem Eisenbahnrecht unterliegt.

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