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Berlin: Hackescher Markt: Pro und Contra: Soll man den Szenekiez zur Fußgängerzone machen?

ProFußgängerzone, dieser Begriff muss aus den autoseligen 60er oder 70er Jahren sein. Natürlich ist der Begriff falsch, wir brauchen nicht mehr "Fußgängerzonen", was wir brauchen sind autofreie Zonen.

Pro

Fußgängerzone, dieser Begriff muss aus den autoseligen 60er oder 70er Jahren sein. Natürlich ist der Begriff falsch, wir brauchen nicht mehr "Fußgängerzonen", was wir brauchen sind autofreie Zonen. So am Hackeschen Markt. Dort ist kein Platz für Kneipengängers Auto, und auch nicht für das Wohnmobil des Touristen. Platz genug ist dort für Busse, Straßenbahnen, meinetwegen auch für Taxis, also den "öffentlichen" Verkehr in einem derart öffentlichen Quartie. Fußgänger werden den Freiraum, der durch das Aussperren von privaten Mobilen gewonnen wird, zu schätzen wissen.

Denn einige wenige Möchtegern-Mobile machen mit ihren sechs bis acht Quadratmetern Blech regelmäßig Hunderte andere Menschen immobil, dann nämlich, wenn ein sorgloser Schwarzparker ein wenig in die Straßenbahngleise hineinragt - war ja halt kein normaler Parkplatz zu finden. Ein wenig falsch reicht aber, um die Straßenbahn zu blockieren. Zum Leidwesen der BVG darf der Verkehrsbetrieb nicht einmal selbst den Abschleppwagen rufen, das darf, lange Verzögerung inbegriffen, nur die Polizei.

Wieso soll ein Auto sich in den engen Straßen rund um den Hackeschen Markt bewegen dürfen? Das Auto in der Stadt ist kein Naturrecht. Je unattraktiver und teurer das Fahren gemacht wird, desto mehr werden ihren Kino- oder Kneipenabend mit der BVG unternehmen (was beim Konsumieren von Alkohol weitere Vorteile hat). Was für den Hackeschen Markt gilt, kann in der Friedrichstraße zwischen Leipziger Straße und Weidendammer Brücke fortgesetzt werden: Autos raus, Busse und Passanten rein. Selbst die in ihr Auto vernarrten Römer haben das private Blech aus weiten Teilen ihrer Stadt ausgesperrt. Jörn Hasselmann

Contra

Eine Fußgängerzone am Hackeschen Markt. Wie das schon klingt. Nach Kopfsteinpflasterimitat und Kugellampen. Nach achtziger Jahren und Provinzmief. Nach Lüneburgern, die auch mitten in Berlin bitte ihre Ruhe vor diesen "stinkenden Blechkarossen" haben wollen. S-Bahn auf dem Viadukt, Straßenbahnen und Autos drunterdurch, Flaneure, Fahrräder, eilige Geschäftsleute, Rollerskates, stromernde Kreative, Ampeln, Hupen und Blinken: Auf dem knappen Quadratkilometer zwischen S-Bahnausgang, dem Torbogen zu den Höfen, Oranienburger- und Rosenthaler Straße bewegt sich was. Und dann tritt man hinein in die Höfe oder in Kaffeehäuser wie den Hackeschen Hof oder das Zucca. Auch dort Betriebsamkeit, Augenfutter, wahlweise auch Ruhe hinter einer Zeitung, beim Café-Latte-Trinken. Das sind die einzigen, wahrhaft urbanen Fußgängerzonen.

Sicher, wer abends oder nachts mit dem Auto im Schlepptau am Hackeschen Markt bummeln gehen will, muss verrückt sein. Oder jung. Oder beides. Es ist fast unmöglich, dort einen Wagen legal loszuwerden. Aber ohne Autos würde dieses Viertel endgültig zum Freilichtmuseum verkommen. Aussterben würde die Gegend! Das ist so in Fußgängerzonen. Lichter, spiegelnder Lack und Windschutzscheiben würden fehlen. Es droht ja nun auch kein Verkehrskollaps. Eher ein Touristenkollaps. Und wenn wir den verrückten jungen Mobilen verböten, dort mit Auto aufzulaufen, blieben wir mit den vernünftigerweise per Bus und Bahn angereisten Gästen unserer Stadt allein. Außerdem würden sich ausgehmäßig wichtige Straßen wie die Sophienstraße, die Oranienburger, die Dircksenstraße schön bedanken für den Dauerstau der Parkplatzsucher in letzter Minute. Amory Burchard

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