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Andrea Nahles, Vorsitzende der SPD, biegt im Bundestag um die Ecke.

© imago/Metodi Popow

Vorschläge der SPD: Jetzt bloß nicht besser verdienen

Die Idee, dass fast alle mehr Geld kriegen, findet in Umfragen eine hohe Zustimmung. Die SPD hat aber einige Dinge nicht bedacht. Eine Glosse.

Eine Glosse von Harald Martenstein

Vor Jahren durfte ich für die Zeitschrift „Geo“ das „Porträt einer Bananenrepublik“ schreiben. Sie liegt in der Karibik und heißt Antigua. Der Präsident und sein Clan regierten gewaltfrei, es gab freie Wahlen. Keine Ahnung, wie es heute dort ist. Vor den Wahlen fuhren der Präsident und seine Freunde in Limousinen durchs Land und verteilten Bargeld. Die Opposition machte das Gleiche. Aber so lange der Präsidentenclan die Staatskasse kontrollierte und mehr umverteilen konnte als die anderen, war die Wahl für ihn im Sack.

So etwas ähnliches probiert jetzt auch die SPD. Sie kündigen an, dass die ehemaligen Stammwähler Geld dafür kriegen, wieder SPD zu wählen. Erwartungsgemäß sagt niemand nein. Die Idee, dass fast alle Geld kriegen, findet in Umfragen hohe Zustimmung.

Auf die Frage, wieviel es genau kostet und woher genau das Geld kommen soll, hört man donnerndes Schweigen. Das muss auch so sein. Wenn man sagt, wir müssen euch leider an anderer Stelle was kürzen, um unser Geschenk zu finanzieren, zum Beispiel bei Schulen, Polizei und Infrastruktur, das ist auch wichtig, okay, aber das wichtigste Problem sind doch wohl die Wahlergebnisse der SPD, dann werden die Leute misstrauisch.

Modellstaat Italien

Wenn man aber sagt, jetzt machen wir halt wieder Schulden, weg mit der Schuldenbremse, Modellstaat Italien, kriegen die Leute Angst. Schuldenkrise? Nein danke. Wenn man aber sagt, tja, die Geschenke, schön und gut, aber teuer, natürlich müssen die Steuern steigen, dann wollen die Leute womöglich Details hören. Welche Steuern? Bin ich betroffen? Wie bitte – ich kriege später im Monat 100 Euro mehr Rente und soll dafür heute im Monat 100 Euro mehr an euch zahlen? Das lohnt sich doch gar nicht.

Klar, jetzt kannst du den Leuten sagen: Ganz ruhig, wir holen das alles von den Besserverdienenden. Ihr müsst halt nur aufpassen, nicht besser zu verdienen, so seid ihr sicher. Dann fragt vielleicht eine 30-Jährige, wozu hab ich denn studiert? Oder ein anderer sagt, wir streiken gerade, um besser zu verdienen, und ihr sagt: Vorsicht, Besserverdienen ist schlecht? Diese heiklen Punkte darf man nicht zum Thema machen. Wenn aber ein Friseurmeister sagt, höherer Mindestlohn, ich gönn’s ja jedem, aber wir sind am Limit, ich hab doch selber wenig, dann musst du antworten: Du finanzierst jetzt unsere Stimmen. Du bist dann zwar ein Minderverdiener. Aber wir sagen dafür danke in Form einer Mindestrente.

Falls es doch knifflig wird, musst du den Leuten halt tief in die Augen schauen und immer wieder ganz langsam das Wort „Gerechtigkeit“ sagen, hypnotisch, zur Not hundert Mal. Außerdem kann man in bewegten Zeiten wie diesen Wahlversprechen nicht immer einlösen, das begreifen die Menschen draußen im Land.

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