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Was für ein Kind gut ist... Bei ihren Kleinen achten Eltern meistens darauf, dass sie beim Fahrradfahren mit einem Helm ausgerüstet sind. Von den Erwachsenen trägt laut einer Umfrage nur jeder Vierte den Kopfschutz. Foto: p-a/gms

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Nach umstrittenem Gerichtsurteil: Helmpflicht für Radfahrer: Es geht um den eigenen Kopf

Berliner Radfahrer diskutieren nach einem umstrittenen Urteil erneut über die Helmpflicht. Die Polizei wirbt für den Schutz, könnte ihn aber kaum durchsetzen.

Bei der Polizei gilt die Helmpflicht schon. Beamte, die dienstlich Rad fahren – zum Beispiel bei der neuen Fahrradstaffel – müssen den Schutz tragen. Dies regelt eine Dienstanweisung. Allen anderen Radfahrern ist dies jedoch freigestellt – noch. Nach dem Urteil eines Oberlandesgerichts, das einer verunglückten Radfahrerin eine Mitschuld attestierte an einem Unfall, diskutieren nicht nur Radfahrer über das Für und Wider von Helmen.

Der Fahrradclub ADFC will das Urteil jedenfalls zu Fall bringen. Dies hatte der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg direkt nach Bekanntwerden angekündigt. Das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig hatte in dem Urteil der vergangenen Woche festgestellt, dass ein Fahrradfahrer ohne Helm eine Mitschuld trägt, wenn er nach einem Zusammenstoß stürzt und sich am Kopf verletzt – und zwar auch dann, wenn sich ein Autofahrer verkehrswidrig verhalten hat und etwa eine Tür aufgerissen hat. Für den ADFC ist dies eine „Helmpflicht durch die Hintertür“. Syberg hat angekündigt, dass der Verband das Opfer unterstützen will und die Entscheidung durch eine Revision beim Bundesgerichtshof aufheben lassen möchte.

„Ein Helm verhindert keinen Unfall“

Auch der Berliner ADFC kritisiert das Urteil. „Ein Helm verhindert keinen Unfall“, sagt Unfallexperte Bernd Zanke. Der ADFC setzt auf Freiwilligkeit. „Wer sich mit Helm sicherer fühle, solle ihn aufsetzen“, sagt Zanke. Nach der jüngsten Studie des Bundesverkehrsministeriums setzen 13 Prozent den Helm immer und 14 Prozent „meistens“ auf, zusammen also 27 Prozent. 55 Prozent setzen ihn nie auf, die Zahlen sind von 2011. An anderer Stelle nennt das Ministerium eine Tragequote von nur elf Prozent.

Empört sind viele Radfahrer über die Begründung des Urteils. Denn darin heißt es:  „Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden.“ Außerdem könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein „verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird“, so das Gericht weiter. „Das heißt also, dass die große Mehrheit der Radfahrer nicht verständig ist“, ärgert sich Zanke. Das Unfallrisiko für Radfahrer könne eher durch ein generelles Tempo 30 für Autos reduziert werden. Und Radlern empfiehlt der ADFC einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu parkenden Autos – der im Übrigen auch vorgeschrieben ist.

Über den Nutzen von Helmen streiten Experten mit gegensätzlichen Studien seit vielen Jahren verbissen. Der ADFC verficht die Theorie, dass eine Pflicht die Zahl der Radfahrer stark reduzieren würde – und dadurch steige das Unfallrisiko für die anderen. Sicher fahren Radfahrer, wenn viele unterwegs sind und Autofahrer sie als gleichberechtigt akzeptieren, heißt es beim Lobbyverband. Andere Studien sehen mit Helm einen deutlichen Rückgang bei der Zahl der Kopfverletzungen. Wiederum andere Experten verweisen darauf, dass der Anteil der Kopfverletzungen bei Radunfällen nur bei fünf bis zehn Prozent liegt. Da es keine Helmpflicht gibt, erfasst die Polizei nicht statistisch, ob Unfallopfer einen Helm getragen haben.

Berliner Polizei wirbt für den Helm

Drei Tage nach dem OLG-Urteil machte das Berliner Polizeipräsidium Werbung für den Helm: In einer Meldung über einen Radfahrer, der von einem Auto angefahren worden war, hieß es: „Der getragene Helm schützte den Kopf des 29-Jährigen und brach bei dem Aufprall des Mannes auseinander.“ Zuletzt hatte Thüringen 2011 einen Vorstoß für eine Helmpflicht unternommen. Sowohl der Deutsche Verkehrsgerichtstag als Expertengremium als auch die Verkehrsministerkonferenz lehnten dies ab. Statt Zwang setzt man auf „Aufklärung und Selbstbestimmung“. Dem Vernehmen nach soll die Polizei die Politik vor einer Einführung gewarnt haben, weil eine Helmpflicht absolut nicht kontrollierbar sei.

Die Berliner Polizei wirbt für den Helm: „Jeder Helm kann Leben retten“, sagt Andreas Tschisch, Vizechef der Verkehrspolizei. Polizeipräsident Klaus Kandt – ein bekennender Fahrradfan – geht mit gutem Beispiel voran und fährt immer mit Helm. Pflicht ist ein Helm bislang nur im Radsport, zum Beispiel bei Radrennen wie dem Berliner Velothon.

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