zum Hauptinhalt
Hunderte Berliner Vermieter haben die über Airbnb erzielten Einkünfte nicht versteuert.

© picture alliance/dpa

Exklusiv

Finanzämter decken Millionen-Betrug auf: Hunderte Airbnb-Vermieter in Berlin hinterziehen Steuern

Hunderte Airbnb-Vermieter in Berlin haben Steuern aus Übernachtungseinkünften hinterzogen. Der Schaden geht in die Millionen.

Insbesondere in Berliner Szenevierteln ist es Gang und Gäbe: Viele Bewohner:innen bieten die eigene Wohnung während ihres Urlaubs als Ferienapartment an. Andere vermieten Wohnungen gleich dauerhaft über die Plattform Airbnb. Die einen bessern damit ihre Urlaubskasse auf, andere machen mit dem Wohnraum das große Geld. In einer Vielzahl der Fälle versteuern die Vermieter:innen die erhaltenen Einkünfte anschließend jedoch nicht rechtmäßig. Der Schaden für das Land Berlin geht in die Millionen. Das zeigt eine Auswertung der Finanzverwaltung auf Anfrage des Tagesspiegels.

Das große Zittern bei vielen Airbnb-Vermieter:innen begann im Juni 2020. Eine Sondereinheit der Hamburger Steuerfahndung hatte stellvertretend für die übrigen Bundes- und Landesbehörden in einem mehrjährigen internationalen juristischen Verfahren erreicht, dass Airbnb die Daten von Vermieter:innen zu steuerlichen Kontrollzwecken herausrücken muss. Insgesamt 10.000 Datensätze über Einkünfte auf der Plattform in den Jahren 2012 bis 2014, die meisten im vier- bis fünfstelligen Bereich, gingen an die Finanzbehörden, 4626 nach Berlin.

Seither werten auch in der Hauptstadt Fahnder:innen die Belege aus – und sind auf Hunderte Steuersünder:innen gestoßen. Bis Ende Juni sind von den aufbereiteten Datensätzen 1382 durch die zuständigen Berliner Finanzämter abschließend bearbeitet worden. „Nach bisherigem Ermittlungsstand wurden in 650 der gemeldeten Fälle Einkünfte nicht oder nicht vollständig erklärt. In 95 Fällen wurden sie nachträglich erklärt“, teilte ein Sprecher der Senatsfinanzverwaltung mit. In mehr als der Hälfte der bislang untersuchten Fälle haben damit die Vermieter:innen die fälligen Steuern in der Vergangenheit nicht vollständig bezahlt.

Die steuerlichen Mehreinnahmen für das Land Berlin durch die Ermittlungen lägen bislang bei 1,63 Millionen Euro. Im Durchschnitt lag die zuvor nicht geleistete Steuerschuld im betroffenen Zeitraum je säumigem Zahlenden demnach bei gut 2000 Euro. Insgesamt dürften sich die Zahl der Betrugsfälle sowie die nachträglichen Einnahmen noch deutlich erhöhen, liegen bislang nicht mal in einem Drittel der Berliner Fälle die Rückmeldungen der Finanzämter vor.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Einnahmen von mehr als 520 Euro im Jahr sind zu versteuern

Wann mit einem Abschluss der Ermittlungen zu rechnen sei, konnte die Finanzverwaltung nicht mitteilen. „Die Bearbeitung der Fälle und deren Abschluss hängt von verschiedenen Faktoren ab: Beispielsweise müssen Möglichkeiten zur Stellungnahme eingeräumt und entsprechende Fristen gewährt werden“, erklärte der Sprecher.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Einnahmen aus Airbnb-Vermietungen sind zu versteuern, wenn sie 520 Euro jährlich übersteigen und das Gesamteinkommen über dem Grundfreibetrag liegt, derzeit sind das 9744 Euro für Alleinstehende.

Bei Steuerhinterziehung sind eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren möglich, wobei besonders schwere Fälle auch mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden können. Unabhängig von der erteilten Strafe steht die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern der vergangenen zehn Jahre an, samt Zinsen von sechs Prozent.

Finanzbehörden stritten mit Airbnb jahrelang um Steuerdaten

Seit Jahren versuchen Finanzbehörden an die Abrechnungsdaten großer Vermittlungsplattformen wie Airbnb zu gelangen. Das Unternehmen hatte sich bisher immer geweigert und argumentiert, dass der steuerrechtliche Sitz der Gesellschaft innerhalb der EU in Irland liege. Doch im Juni 2020 verpflichtete der irische Highcourt Airbnb, die Daten an die deutschen Finanzbehörden zu übermitteln.

[Wo entstehen neue Wohnungen - konkret in Ihrem Kiez? Eines der Top-Themen in unseren Newslettern aus den zwölf Bezirken.]

Derzeit versuchen die Hamburger Fahnder stellvertretend für die deutschen Behörden, auch die Abrechnungsdaten der Airbnb-Vermieter für den Zeitraum 2017 bis 2019 zu erstreiten. Doch die rechtlichen Auseinandersetzungen ziehen sich jahrelang hin. Die nun vorliegenden Daten hatten die deutschen Finanzbehörden bereits 2016 bei dem Ferienwohnungsvermittler angefordert.

Berlin will Zweckentfremdungsverbot verschärfen

Airbnb steht immer wieder in der Kritik, weil über die Plattform Wohnungen als Feriendomizile zweckentfremdet werden. In Berlin arbeitet die rot-rot-grüne Koalition daher an einer Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes. Nach dem bisherigen Entwurf müssten Anbieter:innen künftig ihre Registriernummer verpflichtend angeben.

Zudem will Berlin über eine Gesetzesänderung im Bundesrat erreichen, dass die erlangten Steuerdaten von Airbnb auch zur Kontrolle des Zweckentfremdungsverbots eingesetzt werden können.

„Es geht nicht nur Wohnraum verloren, sondern es wird auch Steuerraub betrieben“, sagte Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Berliner Linke-Fraktion, zu den Ermittlungen der Finanzbehörden gegen Airbnb-Vermieter:innen. Die bislang nachgeforderten Summen seien nur „ein Bruchteil“ des Gesamtschadens und zeigten, welche Dimensionen von Steuerhinterziehung bei Ferienwohnungen noch im Raum stehe.

Gennburg forderte eine härtere Gangart das Landes gegen das US-Unternehmen, dessen Dienst sonst meist wegen der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Kritik steht. „Das Maß an Steuerschuld zeigt, es braucht viel strengere Abkommen über die Datenehrlichkeit des Konzerns und viel härtere Strafen bei Missachtung.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false