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Ob sich der Lehrer an der Schule angesteckt hat, ist unklar.

© Julian Stratenschulte/dpa

Update

In der Schule angesteckt?: Berliner Lehrer stirbt nach Corona-Infektion

Ein Lehrer, der keine Vorerkrankungen gehabt haben soll, stirbt an Corona. Infiziert hat er sich womöglich in einer Schule. Wie hoch ist das Risiko für Lehrkräfte?

Die Traueranzeige auf Facebook ist voller Mitgefühl. „Unsere Schulgemeinschaft trauert um unseren geschätzten Kollegen, der viel zu früh uns gegangen ist“, steht neben dem Foto des verstorbenen Lehrers. Der Name der Schule ist in der Anzeige nicht erwähnt, aber es handelt sich nach Tagesspiegel-Informationen um die Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule in Kreuzberg.

Zur Besonderheit könnte diesen tragischen Fall die Todesursache machen: Der Pädagoge – der Name ist dem Tagesspiegel bekannt – ist an einer Corona-Infektion gestorben. Er soll keine Vorerkrankungen gehabt haben – und infizierte sich womöglich an seiner Schule.

Das jedenfalls glaubt Gökhan Akgün, der Vorsitzende des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Er schrieb auf Twitter: „Unser Kollege ist an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Die Infektion erfolgte höchstwahrscheinlich im Dienst!“ Auch der Lehrer selbst soll Kollegen kurz nach seinem positiven Test gesagt haben, er habe sich in der Schule infiziert.

Einen hundertprozentigen Beweis dafür gibt es nicht, der ganze Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist ein Corona-Hotspot. Doch für Akgün steht aufgrund der Gesamtumstände „fest, dass nur die Schule als Infektionsherd in Frage kommen kann“.

In einer Klasse, in der der Pädagoge unterrichtete, gab es unter Schülern mehrere Corona-Fälle, zudem wurde zumindest ein weiteres Mitglied des Lehrpersonals positiv getestet. In der Schule hatte bis zum 16. Dezember, als alle Schulen geschlossen wurden, wochenlang die Warnstufe „Rot“ gegolten, die höchste Corona-Warnstufe. In der Schule wurde ein Trauerraum eingerichtet.

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Der Pädagoge wurde am 10. November unter Quarantäne gestellt. Nach Informationen des Tagesspiegels zeigte er fünf Tage später die coronatypischen Symptome und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Dort starb er am Donnerstag.

Vorwurf an die Senatsverwaltung

Akgün kritisierte die Senats-Bildungsverwaltung in Zusammenhang mit dem Todesfall. „Wir wollen, dass die Senatsverwaltung nicht mehr weiterhin erklärt, dass an Schulen das Risiko für eine Ansteckung sehr gering sei. Die Senatsverwaltung als Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal einen sicheren Arbeitsplatz haben und muss deshalb die entsprechenden Maßnahmen ergreifen“, sagt er.

Zu der zentralen Forderung von Akgün gehört, „dass die Senatsverwaltung die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Schulen umsetzt“.

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Das Institut empfiehlt ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen in einer Woche pro 100.000 Einwohnern für alle Schulen des betroffenen Gebietes eine generelle Maskenpflicht im Unterricht, selbst an Grundschulen. Außerdem sollten die Lerngruppen verkleinert werden, damit die Abstandsregeln eingehalten werden können. Bundesweit und auch in Berlin werden die Maßnahmen aber erst ab einer Inzidenz von 200 umgesetzt.

Senatsverwaltung verweist auf Hygienebeirat

Bildungssenatorin Sandra Scheeres teilte am Abend mit: „Der Tod dieses engagierten und von allen sehr geschätzten Lehrers zeigt uns einmal mehr, wie schrecklich dieses Virus ist. Ich übermittele der Familie und den Angehörigen mein tief empfundenes Mitgefühl.“

Martin Klesmann, der Sprecher des Senats-Bildungsverwaltung, wies die Vorwürfe von Akgün zurück. „Wir haben nie behauptet, dass Schulen ohne Risiko sind. Deshalb ist es unsere Hauptaufgabe, Standards festzulegen, mit denen das Risiko minimiert wird.“

Er verwies auf den Hygienebeirat, der extra zur Festlegung dieser Maßnahmen eingerichtet worden sei. „In diesem Gremium sitzen Vertreter der Gesundheitsämter, der Schulen und der Eltern, aber auch Vertreter der GEW“, sagte Klesmann. Zudem habe Berlin den Warnstufen-Plan mit den verschiedenen Farben eingeführt.

Unter Wissenschaftlern ist umstritten, wie groß das Risiko an Schulen ist. Patrick Larscheid, der Amtsarzt von Reinickendorf, hatte im Oktober erklärt: „Schulen sind noch immer sicher für Kinder. Es sind nicht Orte, an denen die Infektionen weiter getragen werden. Wenn es dort Infektionen gibt, wurden sie von außen herein gebracht.“ Kurz vor der kompletten Schulschließung waren die Zahlen der Infizierten an Schulen leicht rückläufig. Am 15. Dezember waren 988 positiv getestete Schülerinnen und Schüler sowie 371 Angehörige des Lehrpersonals offiziell registriert.

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