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© Yura Yarema - stock.adobe

Initiative erarbeitet Gesetzesvorschlag: Neue Allianz will Chancen für Pflegekinder in Berlin verbessern

Ein Zusammenschluss von Pflegeeltern, Jugendhilfeexperten und Stiftungen will bürokratische Hindernisse für Pflegefamilien beseitigen. Unterstützung kommt von der Familiensenatorin.

Pflegefamilie – das sei ihr „ein Herzensthema“, sagte Berlins Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) im voll besetzten Raum des „Emmi LuebesKind Hauses“ in Mitte. „Wir haben immer weniger Pflegefamilien in Berlin, und es liegt auch daran, dass zu wenige Menschen das Thema in Gänze kennen.“

Lebten in Berlin im Jahr 2014 noch 2657 Kinder und Jugendliche bei Pflegeeltern, seien es 2022 nur noch 1865 Mädchen und Jungen gewesen. Das liege auch daran, dass „das Thema in der Gesellschaft leider oft zu negativ konnotiert ist“, sagte die Senatorin.

Günther-Wünsch hat einen persönlichen Bezug zu dem Thema: „Ich beschäftige mich seit fast zwölf Jahren damit. Ich habe vier Kinder, eines davon ist ein Pflegesohn, er wird acht in drei Wochen.“ Daher sei sie zu der Vorstellung der neuen „Allianz für Pflegekinder“ am Mittwochabend gern gekommen.

Das ist ein Zusammenschluss von Pflegeeltern, Jugendhilfexperten und Vertreter:innen von Stiftungen. Zu den Mitbegründer:innen gehören etwa die Textilunternehmerin Susanne Litzel und ihr Ehemann Friedrich Loock, die auch das „Emmi LuebesKind Hauses“ gegründet und finanziert haben. Im Namen der Einrichtung finden sich die Namen ihrer vier inzwischen erwachsenen Pflegekinder wieder. Drei von ihnen waren am Mittwochabend mit dabei und halfen beim Catering.

Die Allianz soll vor allem bürokratische Hemmnisse beseitigen, um die Chancen von Kindern, die nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen, zu verbessern. Moderator Christian Clasen sprach von deutschlandweit 90.000 Pflegekindern, und 120.000 Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe. Für viele von ihnen wäre das Aufwachsen bei Pflegeeltern weit besser als in einer Heim-Wohngruppe mit arbeitenden Betreuern. Doch überall fehlen Pflegeeltern, allein in Berlin werden jedes Jahr 500 dringend gesucht.

Neue Projektgruppe in der Senatsverwaltung

In Berlin lebt nur jedes fünfte außerhalb der Herkunftsfamilie untergebrachte Kind in einer Pflegefamilie, die anderen 80 Prozent wohnen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. In der Verwaltung gebe es nun auch eine neue Projektgruppe zum Pflegefamilienwesen in Berlin, sagte Günther-Wünsch.

Pflegefamilien und -alleinerziehende benötigten den Erfahrungen nach dringend einen höheren finanziellen Ausgleich, es sei daher mehr Geld in den nächsten Doppelhaushalt eingestellt – das reiche zwar noch nicht, aber es sei ein Anfang. Die Senatorin verwies darauf, dass die Kinder und Jugendlichen oft einen höheren emotionalen, sozialen, therapeutischen oder gesundheitlichen Bedarf haben.

Vorstellung der neuen Allianz für Pflegekinder: Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) zu Gast im „Emmi Luebeskind-Haus“ in Mitte.

© Annette Kögel/TSP

Hilfen für Schule und Jugendhilfe müssten besser verzahnt werden, sagte Angelika Retz-Englesos, leitende Ärztin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes Tempelhof-Schöneberg, in ihrem Wortbeitrag. Anträge schluckten unnötig Energie und Zeit.

Susanne Litzel, Mitbegründerin der Allianz, forderte, Pflege und Adoption müssten besser verzahnt werden. Auch die Sicherheit des dauerhaften Verbleibs, meist nach zwei Jahren, beschäftige viele Pflegeeltern.

Die neue Allianz will einen Vorschlag für ein neues Bundesgesetz ausarbeiten, das alle Regelungen für Pflegeeltern und -Kinder vereinheitlichen soll. Senatorin Günther-Wünsch hält so ein Gesetz für sinnvoll. Das würde ihr sehr helfen, Verbesserungen in Berlin umzusetzen, sagte die Senatorin. Zurzeit gebe es zu viel „Willkür und Zufall“. Es müsse stattdessen allgemeine Standards geben.

So sei die Ausnahmesituation in Berlin zu verändern, dass das Jugendamt des Wohnsitzes der Ursprungsfamilie zuständig sei und nicht das der Dauerpflegeeltern, da dadurch oft die Zuständigkeiten wechselten. Auch brauche es mehr Wertschätzung, Fachlichkeit sowie geschulte „feste Sachbearbeiter“ in den Jugendämtern. Alleinerziehende müssten mehr Entlastung bekommen. Der Bereich Pflegefamilie müsse künftig in die soziale Ausbildung aufgenommen werden.

Knapp 40.000 Inobhutnahmen gibt es jedes Jahr in Deutschland, hinzu komme noch die steigende Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Deren Unterbringung bei Pflegeeltern, je nach Einzelfallprüfung durch Clearing des Landesjugendamtes, der Pflegekinderdienste und des zuständigen Jugendamtes, befürwortet die Jugendsenatorin. Die Pflegefamilie ist auch hier vielfach ein Erfolgsmodell, „aber wenn man die Zeitungen liest, finden sich meist nur die Problemfälle wieder“, wohl weil sich das besser klicke und verkaufe, bedauerte Moderator Clasen. Günther-Wünsch stimmte ihm zu.

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