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Drei Jahre nach dem Anschlag: wieder eine Absperrung am Breitscheidplatz.

© Gregor Fischer/dpa

Terroralarm am Breitscheidplatz: Jetzt wissen es alle wieder besser als die Polizei

Lieber ein Fehlalarm als jedes noch so geringe Risiko, wenn es um Menschenleben geht: Berlins Polizei hat richtig gehandelt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Sie sind meist die Ersten, die sich zu Wort melden: diejenigen, die es gleich besser wussten. Am späten Samstagabend wurde klar, dass die Polizei auf dem Berliner Breitscheidplatz nicht wie vermutet zwei islamistische Gefährder festgenommen hatte. Eine Falschinformation, ausgelöst durch eine Namensgleichheit mit einem gefährlichen Islamisten.

Gleich hieß es: Es habe nie eine Gefahr bestanden. Die Berliner Polizei hätte den Weihnachtsmarkt nicht räumen müssen, habe völlig überreagiert. Und viele Medien hätten nur eingestimmt, um unnötige Panik zu schüren.

Es ist ein verqueres Verständnis von Informationspolitik, dass gerade an so einem sensiblen Ort wie dem Breitscheidplatz Informationen zurückgehalten werden sollen. Was wäre gewesen, hätten sich die ersten Informationen der Polizei bestätigt? Wann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, die Bevölkerung zu informieren?

Am Sonntag wurde klar, dass die beiden syrischen Verdächtigen zwar keine islamistischen Gefährder sind, sich aber der islamistisch-salafistischen Szene zugehörig fühlen. Sie verhielten sich auf dem Weihnachtsmarkt auffällig, rannten vor Polizisten weg, schubsten Passanten beiseite. Ermittler glauben nach wie vor, dass sich die beiden Brüder nicht zufällig auf dem Weihnachtsmarkt aufhielten.

Neben Kritik an der Berichterstattung aus dem linken Parteienspektrum gibt es jetzt auch Zwischenrufe in den sozialen Medien, in denen es heißt, es sei „rassistisch“ gewesen, dass die beiden überhaupt kontrolliert wurden. Das ist übertriebenes Besserwissertum zu einem Zeitpunkt, zu dem die letzten Details immer noch unklar sind.

Die Polizei evakuierte am späten Sonnabend wegen Terroralarm den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz.

© REUTERS

Die Polizeiführung und der Innensenator haben richtig entschieden, auf Nummer sicher zu gehen. Ein Fehlalarm ist besser als jedes noch so geringe Risiko, wenn es um Menschenleben geht.

Amris Anschlag hat tiefe Spuren hinterlassen

Es ist beruhigend, dass die Polizei nahezu geräuschlos den Breitscheidplatz räumen konnte. Es ist beruhigend zu wissen, dass die Polizei sensibel ist und auf den Weihnachtsmärkten patrouilliert. Es ist beruhigend, dass der deutsche Staat seit dem 19. Dezember 2016 Maßnahmen getroffen hat, die Bevölkerung vor Terror zu schützen.

Am Sonntag wurde bekannt, dass die deutschen Behörden seit damals neun islamistisch motivierte Anschläge verhindert haben. Und am Rande: Noch beruhigender wäre es, deutsche Behörden hätten ein ebenso scharfes Auge auf Rechtsextremisten.

Drei Jahre und zwei Tage nach dem schrecklichen Attentat auf den Breitscheidplatz ist Berlin mit einem kräftigen Schock davongekommen – einem Fehlalarm. Die emotionalen Reaktionen darauf haben gezeigt, was für eine tiefe Wunde der Islamist Anis Amri in das kollektive Gedächtnis der Stadt geschlagen hat.

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