zum Hauptinhalt
Ab Montag dürfen in den Berliner Kirchen wieder Gottesdienste gefeiert werden.

© Christoph Soeder/dpa

Kein Gesang und Weihrauch als Desinfektionsmittel: So bereiten sich Berliner Kirchen auf die ersten Gottesdienste vor

Ab Montag sind Gottesdienste wieder erlaubt, jedoch unter strengen Auflagen. Wie sich die Kirchen auf die besonderen Feiern einstellen.

So richtig Lust machen die Schutzmaßnahmen für die Gottesdienste, die vom Montag an wieder gefeiert werden dürfen nicht. Höchstens ein Priester, möglichst mit Visier, nicht mehr als zwei Messdiener, dafür zwei bis vier Helfer, die darauf achten, dass sich jeder mindestens 30 Sekunden lang die Hände desinfiziert beim Betreten der Kirche.

Keine Berührung beim Friedensgruß. Kein Weihwasser. Kein Gesang. Kommunion ohne Dialog. Mit diesen neuen Corona-Regeln hat das Erzbischöfliche Ordinariat die katholischen Gemeinden eingestimmt auf die Wiederöffnung der Kirchen.

Bei den Protestanten sieht es mit den Vorschriften ähnlich aus. Auch hier wird, wie eine Sprecherin der Evangelischen Kirche mitteilt, das Tragen von Mundschutz empfohlen. Auf das Abendmahl soll vorerst möglichst noch ganz verzichtet werden.

Neben dem Gemeindegesang muss auch Bläsermusik unterbleiben. Allerdings hätten die Gemeinden in den letzten Wochen auch einen kreativen Umgang mit der Situation gefunden. Man probiere nun "einen Prozess des langsamen Wiederauftauchens". In Dahlem etwa sollen Musiker vorerst den Gemeindegesang ersetzen.

In der evangelischen Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg überlegt man deshalb, freiwillig noch weitere vier Wochen auf Gottesdienste zu verzichten. Sowieso ist die Kirche täglich von 10 bis 16 Uhr offen. Außerdem hat man gute Erfahrungen mit Online-Gottesdiensten gemacht.

150 Besucher bei Online-Gottesdiensten

„Im Schnitt haben wir 150 bis 200 Besucher“, erzählt Pfarrerin Jasmin El-Manhy. „Wir finden es unangemessen für die Gemeinschaft zu feiern in dem Wissen, dass die Alten und Schwachen nicht kommen dürfen.“ Oft hätten die Kinder mehr Angst um ihre Eltern, als diese um ihr eigens Leben. Deshalb bestünden sie darauf, dass die Eltern im Haus bleiben.

Manche Älteren wollten sich dem Risiko eines Gottesdienstbesuchs hingegen bewusst aussetzen in dem Bewusstsein, dann eben auch ruhig sterben zu dürfen. Fast undenkbar findet sie den Verzicht auf Gesang: „Das ist uns ganz wichtig.“

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Gerade begleiten die Pfarrer der Gemeinde Prenzlauer Berg Nord, zu der neben der Gethsemanekirche auch die Paul-Gerhardt-Kirche, das Stadtkloster Segen und der Elias-Kuppel-Saal gehören, viele Menschen mit großen Problemen. Alleinerziehende und Familien, die an die Grenzen der Belastbarkeit geraten gehören dazu, und die vielen Gastronomen in der Umgebung, die um ihre Existenz bangen.

Die Kirche muss jetzt kreativ werden. Im Kölner Dom wurde eine Schutzwand extra für das Abendmahl aufgestellt.
Die Kirche muss jetzt kreativ werden. Im Kölner Dom wurde eine Schutzwand extra für das Abendmahl aufgestellt.

© Robert Boecker/dpa

Der Verzicht auf Gottesdienste für einen weiteren Monat könnte auch ein solidarischer Beitrag sein, hat sich das Pfarrteam überlegt. Der Entscheidungsprozess läuft noch. Sie haben auch positive Erfahrungen gemacht in den letzten Wochen. Für die überraschend erfolgreichen Online-Gottesdienste bot gleich ein Tontechniker seine Dienste an.

Der rbb nahm einen Gottesdienst auf, dem auch die Älteren zu Hause am Fernseher folgen konnten. Der Gemeindebrief wurde an alle über 75-jährigen verschickt. „Es macht Spaß, Neues auszuprobieren“, sagt die Pfarrerin.

Maßnahmen wirken im kleinen Kreis grotesk

Sie hätte sich gern einen großen festlichen Gottesdienst zum Neubeginn gewünscht mit viel Musik. Diese ganzen Desinfektionsmaßnahmen, die notwendig sind, könnten die Feier im kleinen Kreis am Ende auch grotesk wirken lassen. Und im Halbstundentakt feiern? Auch schwierig.

Dass die überzähligen Gläubigen einfach in Kirchen gehen, die sonst leer sind, kann sie sich nicht vorstellen. Die Bindung an die jeweiligen Pfarrer, an die Gemeinschaft sei doch sehr stark. Sie glaubt, dass die Älteren noch am besten klar kommen mit der Situation. „Das sind Gottesdienstprofis, die sind untereinander gut vernetzt und wissen, wie man zu Hause betet.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Einen Ansturm vor allem der älteren Gemeindemitglieder erwartet der katholische Pfarrer Frank-Michael Scheele. Für sie sei die Mitfeier der Eucharistie besonders wichtig. Die Sehnsucht danach kann er gut verstehen. Die Modalitäten der Umsetzung bereiten dem tatkräftigen Seelsorger allerdings ein Unbehagen, das selbst durchs Telefon spürbar ist.

Online-Ticket-Vorverkauf für Gottesdienste?

Durch die Begrenzung auf 50 Teilnehmern pro Gottesdienst besteht ja die Gefahr, dass sich außerhalb der Kirche Menschentrauben bilden. Andererseits: „Soll ich hier vielleicht einen Online-Ticket-Vorverkauf starten?“ Da, sagt der Wilmersdorfer Pfarrer, sträubten sich ihm die Nackenhaare. Notfalls müsse man ein paar mehr Messen einschieben.

Er wird, wie zum Beispiel auch die Großpfarrei St. Elisabeth in Mitte, erst am kommenden Wochenende wieder mit den Gottesdiensten beginnen. Vorher klappt es nicht wegen der notwendigen Umsetzung des Hygienekonzepts. Die Ständer für die Desinfektionsmittel werden erst am Donnerstag geliefert.

Auch in der Kirche muss der Sicherheitsabstand eingehalten werden.
Auch in der Kirche muss der Sicherheitsabstand eingehalten werden.

© Harald Tittel/ dpa

Ohne Ständer aber, da macht er sich nichts vor, würden die Flaschen selbst in der Kirche geklaut. Auch muss er in der Gemeinde noch Helfer akquirieren, die die Listen mit den Teilnehmern führen. Die müssen vier Wochen aufgehoben werden für den Fall, dass ein Infizierter am Gottesdienst teilgenommen hat. Wie die evangelischen Kollegen in Prenzlauer Berg hat aber auch er in den letzten Wochen neue, gute Erfahrungen gemacht.

Er bekommt ungewohnt viel Feedback auf die Angebote, die er und sein Team auf der Homepage machen. Dazu gehören auch Spiele und Geschichten für Kinder. „Durch die Online-Gottesdienste erreiche ich außerdem weitaus mehr Menschen als sonst.“

Weihrauch als natürliches Desinfektionsmittel

Außerdem hat er sich auf ein natürliches Desinfektionsmittel aus dem Nahen Osten besonnen: Weihrauch. Sonst kommt das vor allem an hohen Feiertagen zum Einsatz. Der Küster der Heilig Kreuz Kirche hat es jetzt täglich während der Öffnungszeiten abgebrannt.

Der erste große Gottesdienst beider Konfessionen in der kommenden Woche findet noch ohne Gemeinde statt. Dafür wird der Ökumenische Gedenkgottesdienst zum 75. Jahrestages des Endes des 2. Weltkrieges im Berliner Dom am 8. Mai ab 10 Uhr von der ARD im Fernsehen übertragen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false