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Entspannungspark. Mitri Sirin ist regelmäßig auf dem Tempelhofer Feld unterwegs.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kieztreffen mit Mitri Sirin: Wie der Moderator nach Tempelhof kam

Fernsehmoderator Mitri Sirin ist seit gut 20 Jahren westlich des einstigen Flughafens zu Hause. Es begann mit einem Missverständnis.

Als Treffpunkt hat Mitri Sirin den „Luftgarten“ auf dem Tempelhofer Feld vorgeschlagen. Was auch sonst? Das alte Flughafengelände ist sein ganz persönlicher Freizeit-, Erholungs-, Entspannungspark. Sirin ist mit dem Rad gekommen. Eine Laufrunde – eine Stunde bei gutem Tempo voll durchziehen – hat er bereits vorher absolviert. Also, erst einmal eine Rharbarberschorle und ein Wasser. Wer Sport macht, muss trinken. Sirins Blick schweift übers Feld. „Es ist mein City-Yoga, ohne dass ich Yoga mache”, sagt der Moderator des ZDF-Morgenmagazins. Sein Ausgleich für den Alltag.

Wenn sich die meisten Menschen gerade verschlafen für den Tag zurecht machen, muss Sirin topfit sein. Der Wecker klingelt um 3.30 Uhr. Mit einem „Quickstart“ geht’s in den Tag. Gegen 4.30 Uhr kommt der 48-Jährige normalerweise im ZDF-Studio Unter den Linden an. Für jemanden, der sagt, von Natur aus kein Frühaufsteher zu sein, schon eine ziemliche Herausforderung.

Das bleibt nicht ohne Folgen. Der Biorhythmus gerät durcheinander. „Richtig ausschlafen kann ich schon fast nicht mehr“, sagt Sirin. Auf dem Tempelhofer Feld erholt er sich wieder beim Sport, tankt Kraft, bekommt den Kopf frei. Mit laufen, laufen, laufen. Für den Marathon trainieren. Oder Rad fahren. Selbstverständlich ist er ein strikter Gegner einer möglichen Bebauung, hat sich vor Jahren beim Volksentscheid engagiert.

Wer wollte schon nach Tempelhof?

Dabei begann Sirins Tempelhof-Geschichte mit einem Missverständnis. Dafür dauert sie ziemlich lange, mehr als 20 Jahre. „Wir suchten Mitte der neunziger Jahre eine Wohnung“, sagt er. Ein Makler bot eine Altbauwohnung an – angeblich in Kreuzberg. Sie lag jedoch in Tempelhof, kurz hinter der Bezirksgrenze. Wer wollte schon dahin? Tempelhof galt als spießig. Zu der Zeit wohnte Sirin am Görlitzer Park. Aber wenn man schon mal da war, in Tempelhof, dann konnte man sich die Wohnung auch anschauen. Und sie mieten. Und bleiben.

Die Gläser sind leer, also schwingen wir uns auf die Fahrräder, und radeln los. Aus dem Kiezspaziergang wird eine kleine Kiezradtour. Als wir das Flughafengebäude passieren und zum Ausgang Tempelhofer Damm abbiegen, warnt Sirin vor der Fuge zwischen den Betonplatten. Wenn man nicht aufpasst, bleibt man mit dem Reifen hängen und kann übel stürzen. Über den Peter-Strasser-Weg fahren wir in die Gartenstadt Neu-Tempelhof. Hier wohnt Mitri Sirin jetzt mit seiner Familie. Die Wohnung wurde im Lauf der Jahre gegen ein Häuschen mit Garten getauscht, als die Kinder kamen. Die sind jetzt 11, 16 und 20 Jahre alt.

Wir passieren einen Durchgang mit einem Dschungelbuch-Wandbild und einen alten Bunker. Am Rumeyplan liegt die Kolonie Zähringer Korso. Sirin weiß um die Nöte der Kleingärtner, die fürchten, verdrängt zu werden. Erst kürzlich war die Aufregung dort groß. Die Kolonie war in Senatsunterlagen versehentlich als mögliches Bauland für Infrastrukturmaßnahmen ausgewiesen worden, dabei gilt die Fläche für die Kleingartennutzung als gesichert.

Der Kiosk ohne Imbiss

Auf der Manfred-von-Richthofen machen wir einen Stopp beim Motorradmechaniker. Der Blinker funktioniert nicht richtig. „Vielleicht was mit der Lichtmaschine“, sagt der Schrauber. Sirin soll die Maschine vorbeibringen. Mit ihr fährt er zur Arbeit. In den frühen Morgenstunden braucht er nur gut eine Viertelstunde: „Um die Zeit ist ja sonst kaum einer unterwegs.“ In den vergangenen Jahren habe sich die Richthofen-Straße unglaublich verändert, sagt Sirin. Im Kiez leben viel mehr junge Familien als früher. Es gibt Cafés, eine Eismanufaktur, den Fahrradladen „Dolce Velo“ und auch das Geschäft seiner Frau Friederike, ein Laden für nachhaltige Kinderkleidung. „Petit Cochon” heißt er, kleines Schwein.

Eigentlich will Sirin zum koreanischen Imbiss direkt an der Kreuzung Tempelhofer Damm, um Bibimbap oder einen Kimchi-Wrap zu essen. Der Imbiss ist aber inzwischen aus dem Kiosk ausgezogen. Ein Aushang weist darauf hin, dass die Stadtplanung den Platz neu gestalten wolle. In der Tat, ein paar Tage später ist der Kiosk komplett abgebaut. Die Imbissinhaber betreiben ohnehin im Hauptgeschäft das im Retro-Wohnzimmer-Stil eingerichtete Café Luftbrücke, in dem es Kuchen, Burger, Salate gibt. Und samstags jetzt auch koreanisches Fastfood.

Die Familie gehört zur christlichen Minderheit in der Türkei

Wir entscheiden uns aber für das Internationale Frühstückshaus, setzen uns an einen Tisch auf dem Bürgersteig. Mit Blick auf den Schulenburgring und das Polizeiwachhäuschen. Die Beamten sind zum Schutz des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller da, der dort seit Jahrzehnten wohnt. Bei einer Rote-Linsen-Suppe erzählt Sirin – selber in Rheine im Münsterland geboren – von seiner Familie. Sie gehört zur syrischstämmigen, christlichen Minderheit in der Türkei und stammt aus der im Süden gelegenen Provinz Hatay.

Zu seiner Kindheit gehörten die langen Fahrten über den „Autoput“, die Transitstrecke durch Österreich, das ehemalige Jugoslawien, Bulgarien in die Türkei, wo man die Sommerwochen bei den Großeltern und der übrigen Familie verlebte. In dem Dorf wurden auch seine Kinder nach orthodoxem Ritus getauft.

Hayali und Sirin, das passt

Beim Morgenmagazin sind Sirin und Moderationspartnerin Dunja Hayali ein eingespieltes Team. Besonders Hayali, aus einer irakisch-christlichen Familie stammend, muss sich immer wieder mit Hasskommentaren und Drohungen in den sozialen Medien auseinandersetzen und hat darüber in ihrem Buch „Haymat“ geschrieben. Sirin kennt diese Angriffe und Anfeindungen auch. Aber es trifft ihn nicht in dem Maße wie Hayali, weil er weniger in den sozialen Medien – etwa auf Twitter – aktiv ist. Das ZDF habe sich seinerzeit bewusst für Moderatoren mit Migrationshintergrund entschieden, sagt er.

An jede Sendung, die um 9 Uhr morgens beendet ist, schließt sich eine kurze Kritikrunde an, anschließend werden ein paar Mails beantwortet, einige Vorbereitungen für den nächsten Tag getroffen. Dann geht’s nach Hause. Zwei Stunden schlafen. Um fit zu sein für den Rest des Tages. Und für das Tempelhofer Feld.

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