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Trauriges Fundstück. Die Mutter kaufte noch Kleidung für ihr Neugeborenes. Dann ließ sie es verhungern.

© dpa

Kindstötung in Hellersdorf: Ratlosigkeit, die bleibt

Warum lässt eine Mutter ihr Baby verhungern? Ämter wollen aus dem Fall in Hellersdorf lernen.

Der Fall des toten Babys von Hellersdorf hinterlässt viele im Bezirk traurig und betroffen. Jugendstadträtin Juliane Witt (Linke) verweist auf die vielen Hilfsangebote, die es in Marzahn-Hellersdorf für junge Mütter in Not gebe. Aber die 20-Jährige, die gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten am Sonntag wegen der Tötung des Babys festgenommen wurde, hatte keine Hilfe gesucht; auch hatte sie während der Schwangerschaft keinen Arzt aufgesucht. So konnten Beratungseinrichtungen, Jugend- oder Sozialämter nicht aktiv werden, da ihnen nicht bekannt war, dass eventuell eine junge Mutter mit der Geburt und der Versorgung ihres Babys überfordert sein könnte. Die Frau war nicht in Berlin gemeldet, sondern in Schwedt und mit einem Nebenwohnsitz noch in einem anderen Ort in Brandenburg.

Wie während der Ermittlungen jetzt bekannt wurde, war die 20-Jährige wohl von der Geburt überrascht worden. Sie habe das Baby sieben Wochen zu früh – in der Wohnung in der Tangermünder Straße – zur Welt gebracht. „Der Junge war ein Frühchen und schwächlich“, schildert ein Ermittler. Die Mutter habe zwar versucht, ihn zu ernähren. Aber er habe nicht richtig getrunken. Ärztliche Hilfe hat sie nicht geholt. Das Kind starb. Wie berichtet, wurde der kleine Leichnam in einer Plastiktüte in einem nahen Waldstück abgelegt. „Die Mutter hat ausgesagt, dass sie nicht zum Arzt gegangen ist mit dem Säugling, weil sie nicht krankenversichert war und Sorge hatte, dass sie das selbst zahlen muss“, sagte ein Ermittler. Allerdings kaufte die Mutter noch Kleidung für ihr Kind. Dadurch sind die Ermittler auch auf die Spur der beiden gekommen, da die Babysachen mit Karte bezahlt worden waren.

Sowohl die 20-Jährige als auch ihr 21-Jähriger Lebenspartner, der nicht der Vater des Babys ist, stammen aus „extrem schwierigen sozialen Verhältnissen“, wie es in Ermittlerkreisen hieß. Beide lebten bislang von Arbeitslosengeld II und stammen ursprünglich aus Friedrichshain-Kreuzberg. Die Frau sei ein Heim-Kind gewesen. Bereits mit 14 hat sie ein erstes Kind bekommen, vor drei Jahren das zweite. Beide Kinder leben in Pflegefamilien in Brandenburg. Die Mutter und ihr Lebensgefährte sitzen jetzt wegen Totschlags in Untersuchungshaft.

Auch Beate Köhn vom Notdienst Kinderschutz ist ratlos, was diesen Fall angeht. Er zeige Grenzen auf: „Wir wissen nicht, was hinter manchen Haustüren läuft.“ Aber für sie ist jenseits der Strafverfolgung auch wichtig, herauszufinden, woran es gelegen haben könnte, dass keine Hilfe gesucht wurde. „Man sollte die Frau befragen, vielleicht nicht jetzt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt“, sagt Köhn. Vielleicht komme dabei heraus, dass sie Unterstützung angenommen hätte, wenn sie von bestimmten Hilfen gewusst hätte. Dann könne man daraus Konsequenzen ziehen. Vielleicht komme man aber auch da nicht weiter, sagt Köhn, sondern erfahre auch in diesem Fall – wie bei anderen Kindstötungen – , dass das Thema Schwangerschaft vollkommen verdrängt worden sei. Selbstverständlich sei, dass jedes Krankenhaus die Mutter aufgenommen hätte, selbst wenn sie keinen Versicherungsschutz gehabt hätte.

In dem anderen Fall von Kindstötung gehen die Ermittlungen weiter. Eine Spur zu der Mutter des Babys, das in der Woche zuvor in einem Altkleidercontainer in Neukölln gefunden worden war, gibt es laut Staatsanwaltschaft noch nicht. Auch hier hat die Obduktion ergeben, dass das kleine Mädchen gelebt hat, als es zur Welt kam, und dann offenbar getötet wurde.

Berlins Kinderschutz-Hotline ist rund um die Uhr unter 61 00 66 zu erreichen.

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