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Was macht die Familie?: Klein denken

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Was war das für eine große Freiheit, als wir jung waren. Okay, wir durften nicht über unsere Frisuren entscheiden und auch nicht, welche Klamotten wir trugen. Ich entstamme keiner 68er Familie. Bei uns zu Hause gab es keine freie Liebe, und meine Eltern gingen mit uns auch nicht auf Open-Air-Festivals zelten. Aber im Vergleich zu meinen Töchtern waren wir Vagabunden, streunende Hunde. Wir waren Kinder auf dem Land. Hinterm Haus gab es Wiesen, die im Sommer so trocken waren, dass man sie prima in Brand stecken konnte. Wenn wir zum Abendessen hereingerufen wurden, waren wir schmutzig wie Braunkohle.

Emma (10) und Greta (6) haben es als Großstadtkinder viel schwerer. Sie ziehen nicht mit Gleichaltrigen um die Häuser, dazu ist ihr Terminkalender viel zu eng getaktet. Schule, Hortbetreuung, Ballett, Musikunterricht, Akrobatik lassen wenig freie Zeit, auch ihr Freundeskreis ist ziemlich eingespannt und weit über die Stadt verteilt. Die Wochenenden, an denen keine Kindergeburtstage anstehen, sind selten. Zum Glück ist endlich Frühling, man kommt mal wieder raus. Die große Freiheit liegt bei uns fast vor der Tür, das Tempelhofer Feld ist nur zehn Fahrradminuten entfernt. Dort können unsere Töchter die Inlineskates anziehen und losrasen, und wir setzen uns in die Sonne. Aber ein echtes Kinderparadies ist das Gelände nicht. Dazu sind zu viele störende Erwachsene unterwegs, die das Feld als Spielplatz für sich beanspruchen. Die beste Übungspiste, eine glatt asphaltierte Straße, haben die großen Rollschuhfahrer in Besitz genommen. Mit Fahrrädern haben sie den Weg gesperrt, um ihre frisch gesprühten Farbmarkierungen für den Parcours zu schützen. Die Kinder müssen auf den holprigen Beton der Rollbahn ausweichen. Dort sind sie die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Rennradfahrer, Skater, Kitesurfer beherrschen die Szene. Wenn sie Spaziergängern, Kinderwagen und gemütlich radelnden Familien ausweichen, werden die Kleinen leicht übersehen. Ein Wunder, dass bisher so wenig passiert ist.

Das Tempelhofer Feld ist bestens für große Freiheiten ausgestattet: Es gibt abgezäunte Auslaufflächen für Hunde und eigens eingerichtete Grillwiesen. An geschützte Freiräume für kleine Leute, an Spielplätze und Pistenabschnitte exklusiv für Kinder hat niemand gedacht. Berlin denkt eben gerne groß. Stephan Wiehler

Bei der „Langen Nacht der Familie“ gibt es im Sportbad Britz (Kleiberweg 3) am Sonnabend, 17 – 22 Uhr, einen Fünfkampf. Eltern und Kinder treten in Aquaballrennen, Schatztauchen, Arschbomben, Auf-dem-Wasser-Balancieren und Geschicklichkeitsbootfahren an (2 Euro; www.familiennacht.de).

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