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Kleingartenanlage am Plaenterwald in Berlin.

© imago/Arnulf Hettrich

Kleingartenanlagen in Berlin: So können Kleingärtner ihre Parzellen verteidigen

Landschaftsarchitekt Klaus Neumann gibt Gärtnern Ratschläge. Kleingärten haben "enorme Bedeutung für das Wohlbefinden der Menschen".

Natürlich hob der grauhaarige Mann am Mikrofon kurz die Stimme, schließlich verkündete er eine bedrohliche Nachricht: „Ich werde Sie mit Sicherheit verärgern. Aber das ist gewollt.“ Da dürften einige Zuhörer im Raum M1 des City Cubes zusammengezuckt sein. Sie wollten eigentlich nur etwas zum Thema „Kleingärten im Wandel“ hören, auf Ärger waren sie nicht unbedingt eingestellt. Würde es so schlimm werden?

Wenn’s natürlich schon ärgerlich ist, dass der Präsident der Deutschen Gartenbau Gesellschaft aufmerksamen Kleingärtnern diverse Argumente liefert für deren verbalen Kampf gegen Leute, die Kleingärten für den Wohnungsbau nützen wollen, dann war es natürlich schlimm. Ansonsten bleibt es das Geheimnis von Klaus Neumann, dem Landschaftsarchitekten, was er mit seiner düsteren Einleitung gemeint hat.

Auf jeden Fall brachte er den Zuhörern erstmal bei, „dass es ist nötig ist, sich die Argumente der Kleingarten-Gegner anzuhören und sie verdammt ernst nehmen“. Das ist Schritt eins. Schritt zwei ist dann die inhaltliche Gegenwehr. Die Bedeutung der Kleingärten für die Gesundheit zum Beispiel. „Ärzte sagen, ein Kleingarten habe enorme Bedeutung für das Wohlbefinden der Menschen.“ Alles in Studien nachgewiesen. Die Gefahr für Schlaganfälle sinkt, Bluthochdruck lässt sich besser vermeiden, wer im Garten werkelt, neigt eher weniger zur Depression. Experten haben sogar belegt, dass Bäumeschneiden körperlich genauso so anspruchsvoll ist wie Hantelbiegen.

"Neue Angebote" werden benötigt

Und weil Gesundheitsfaktoren in Diskussionen immer stärker beachtet werden, sind sie aus Neumanns Sicht eine große Chance für die Parzellen-Besitzer. „Dieser Wandel wirkt sich auf das Kleingärtnerwesen unglaublich positiv aus.“

Wandel, ein strategischer Kernpunkt für Neumann. Nicht bloß Experten und Politik müssten sich geistig verändern, die Kleingärtner selber müssten den Zeitgeist aufgreifen. Die Gesellschaft ändere sich, Digitalisierung, Zuwanderung, alles im Fluss. Und genau auf diese Änderungen bereitete Neumann die Zuhörer vor..

In Zukunft gebe es immer weniger Menschen, die dauerhaft einen Kleingarten haben wollten. So, und die Antwort darauf? „Neue Angebote. Mietgärten zum Beispiel. Oder ein Schnuppergarten. Oder eine Art Feriengarten.“ Oder, car sharing gibt’s ja auch, einen Garten mit jemandem teilen.

Drei Prozent der Stadtfläche sind mit Kleingärten belegt

Selbstverständlich ist da auch noch die ökologische Bedeutung der eingegrenzten Naturflächen, Rettungsinseln für bedrohte Tiere, wichtig fürs Stadtklima, aber das sind ja Argumente, die für Kleingärtner sowieso auf der Hand liegen.

2020, so lautet eine Prognose, wird Berlin um 266 000 Menschen wachsen, für Gegner der Kleingarten ihr wichtigstes Argument, Gärten in Bauland umzuwidmen. 194 000 neue Wohnungen werden demnach in Berlin bis 2030 gebraucht. Neumann referiert diese Zahlen, aber aus seiner Sicht liefert genau dieser Zuwachs Argumente fürs Kleingartenwesen. „Denn diese Menschen benötigen ja auch mehr Kleingärten, das ist doch logisch.“ Im Moment sind 2900 Hektar mit Kleingärten belegt, drei Prozent der Stadtfläche. Sollte die Bevölkerung wie erwartet anwachsen, dann, sagt Neumann, würden 2980 Hektar benötigt.

Hilfe vom Papst

Wenn aber wie in Lichterfelde „eine geschützte Grünanlage bebaut werden soll“, dann werde eine fatale Entwicklung eingeleitet. „Das ist wie eine Schneeflocke, die zur Lawine anwächst.“ In Lichterfelde soll auf einem urwüchsigen Waldareal ein Flüchtlingsheim gebaut werden. Dagegen regt sich großer Widerstand.

Und für die Diskussion mit gläubigen Katholiken hat Neumann noch ein spezifisches Argument bereit. Denn Papst Franziskus ist ja, den Satz in einer Enzyklika flexibel ausgelegt, auf Seiten der Kleingärtner. „Es entspricht nicht dem Wesen der Bevölkerung dieses Planeten, immer mehr von Zement und Asphalt bedeckt zu werden.“

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