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Das war die Bar - ihre Gründer wollen das Grundstück am Spreeufer kaufen.

© dpa

Kreativ gegen meistbietend: Endspiel um Bar-25-Grundstück am Spreeufer

Einmal mehr geht es bei einem Grundstücksgeschäft des Landes um Millionen – und um Schicksalsfragen künftiger Stadtpolitik. Wer bringt mehr Spielgeld mit? Und was ist das Beste für Berlin? Beim Bar-25-Grundstück am Spreeufer scheiden sich die Geister.

Die beste „Mousse“ der Stadt an gemütlichen Holztischen mit Blick über die Spree verspeisen, zu Technobeats tanzen, bis es dämmert, und dann am Spreeufer chillen. So geht das – in der Bar 25, die heute Kater Holzig heißt. Politiker berichten, dass sie an griechischen Stränden auf diese Location angesprochen werden. So entstehen Legenden. Und diese spült kräftig Bares in die Kassen des Holzig-Teams. Steuerehrlichkeit vorausgesetzt, profitiert auch Berlin vom Kater Holzig. Und weil der Club außerdem den Ruhm der Partymetropole unter Städtereisenden mehrt, steigt Berlins Hipness im Kurs – auch das ist ein Wirtschaftsfaktor.

Doch die Betreiber jenes spontan entstandenen Provisoriums kommen in die Jahre, und da sehnt man sich nach geordneten Verhältnissen. Sie wollen das Grundstück, wo alles begann, von der landeseigenen Berliner Stadtreinigung (BSR) kaufen – und stehen plötzlich im Wettbewerb mit anderen, die von Berlins Aufschwung profitieren wollen, aber dafür mehr Spielgeld mitbringen. Möge der Beste gewinnen. Aber wer oder was ist das Beste für Berlin? Diese Frage entzweit den Senat. Und sie liegt dem spannenden Streit um den Umgang mit landeseigenem Grundbesitz zugrunde. Dabei geht es auch um einen Politikwechsel, um die Machtverhältnisse innerhalb der SPD und um einen, der mal als politischer Hoffnungsträger in die Stadt kam: um Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD).

Dass ausgerechnet eine Spielwiese der Party- und Kreativszene zum Menetekel wird, liegt daran: Der Senat und seine Firmen betrieben bisher den systematischen Verkauf landeseigener Flächen, um die leeren Haushaltskassen etwas zu füllen. Die BSR ist auch gesellschaftsrechtlich dazu verpflichtet, an den Meistbietenden zu verkaufen.

Aus diesem eingefahrenen Kurs schwenkte die SPD-Fraktion nun aus – und erklärte vor knapp drei Wochen ein weitreichendes „Verkaufsmoratorium“. Das gilt bis zur Vorlage einer neuen Liegenschaftspolitik. Seit einem entsprechenden Beschluss im Abgeordnetenhaus vor zwei Jahren warten die Parlamentarier darauf. Nun scheint ihre Geduld am Ende – und sie machen das BSR-Areal zum Präzedenzfall.

Nicht mehr verkaufen, nur noch verpachten! Das ist, auf den kleinsten Nenner gebracht, die Position der von den SPD-Linken dominierten Fraktion. Verkaufen, aber „ausdrücklich auch“ kulturelle Projekte wie Kater Holzig oder günstige Grundstücke für Firmen oder für den Bau von Mietshäusern zur Entspannung des Wohnungsmarktes bereitzustellen – das schlägt Finanzsenator Nußbaum vor. Was nicht völlig widersprüchlich erscheint, ist es doch: Von den drei Treffen beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, der die Fraktionsspitze um Raed Saleh mit Finanzsenator Nußbaum versöhnen sollte, bleiben Protokolle mit unversöhnlichen Positionen. Es folgte ein brüskierender Entwurf der Fraktion zur Änderung der Landeshaushaltsordnung und des Betriebegesetzes. Das Gesetz soll dem Parlament die Verfügungsgewalt über Flächen von Landesfirmen wie der BSR, BVG und Wasserbetriebe sichern.

Käme es so, würde Kater Holzig das Areal wohl erhalten. Denn auch für den Koalitionspartner CDU verkörpern die Partymacher, die mit Start-up-Unternehmern koalieren, genau den Gründergeist, der die Stadt in Bewegung bringt. Laut Wirtschaftsbericht der Industrie- und Handelskammer ist Berlin deutschlandweit Spitze bei der Zahl der Gewerbeneuerrichtungen und -stilllegungen. Hier dreht sich was. Doch die Blüte ist zart. Wenn noch die letzten Grundstücke im chaotisch-kreativen Zentrum Mediaspree an die Höchstbieter des Kapitals gehen, droht das Pflänzchen wieder einzugehen.

Verkaufen kann man nur einmal

Nach dem jahrelangen Ausverkauf des sogenannten Tafelsilbers stellt die Politik ernüchtert fest: Verkaufen kann man nur einmal, und dafür auch nur einmal kassieren. So brachte die Wohnungsbaugesellschaft GSW dem Land rund 400 Millionen Euro ein – und ist heute nach dem Börsengang mehr als doppelt so viel wert. Für viele Filetgrundstücke des Landes – der Liegenschaftsfonds hat seit seiner Gründung im Jahr 2000 landeseigene Flächen für rund zwei Milliarden Euro verkauft – dürfte dasselbe gelten.

Und der Preisauftrieb ist erst am Anfang. Für das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist Berlin-Brandenburg die „dynamischste“ Region Deutschlands und Liebling der Investoren. Sie wetten auf weiter steigende Besucher- und Bewohnerzahlen und sehen an der Spree einen sicheren Hafen für ihr eurokrisengefährdetes Kapital. Für die wenigen zum Verkauf stehende Wohnungen tragen gewiefte Makler regelrechte Bieterschlachten aus. In Berlin steigen die Wohnungspreise deutschlandweit am stärksten, nur in Hamburg geht noch mehr, stellten jüngst die internationalen Marktforscher Jones Lang Lasalle fest.

Bei diesem Boom droht aber ein Fünftel der Bevölkerung auf der Strecke zu bleiben: Alleinerziehende, Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger, Niedriglöhner und schlecht Qualifizierte, darunter viele Migranten, und auch das digitale Proletariat. Auch das schreibt das IW: Die wirtschaftliche Basis Berlins ist desolat, schlechter als in jeder anderen deutschen Stadt.

Verändern wollen das alle: Nußbaum durch die Sanierung der Finanzen, die SPD-Fraktion durch den Einsatz der verbliebenen Liegenschaften, im Kampf gegen die soziale Spaltung überwiegend durch beeinflussbare Pachtverhältnisse.

Nußbaums stärkstes Argument ist dagegen die „Schuldenbremse“. Auf diese verfassungsrechtlich vorgeschriebene „Einhaltung der Sanierungsverpflichtungen“ des Haushaltes verweist sein überarbeitetes „Konzept zur transparenten Liegenschaftspolitik“ ausdrücklich. Berlin ist in Deutschland das, was Griechenland in Europa ist: Jeden dritten Euro im Berliner Haushalt steuern andere Länder, der Bund oder die EU bei. Wer aber Geld von anderen nimmt, muss sich fragen lassen, warum er nicht vorher wenigstens das eigene Tafelsilber zum Abbau seiner Schulden einsetzt. So setzt für Nußbaum die „dauerhafte Sicherung der Einnahmebasis des Landeshaushaltes eine konstante Ergänzung und Erweiterung des Verkaufsportfolios voraus“. Was aber bliebe, wenn nach dem Verkauf des Tafelsilbers das Kapital für nachhaltige Stadtrendite aufgezehrt ist?

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