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Julia Schreiner (rechts) und Anne Pfaffenholz laden in den "Junipark" am Rand des Flughafens.

© Christian Mang

Kunstprojekt neben dem Tempelhofer Feld: In luftiger Höhe gegen Gentrifizierung

Neben dem Tempelhofer Feld hat das Kreuzberger Jugendkulturhaus Schlesische27 ein 14 Meter hohes Gerüst aufgestellt. Die tolle Aussicht auf den ehemaligen Flughafen ist aber nur ein positiver Nebeneffekt, denn eigentlich geht es um etwas viel Wichtigeres.

Berlin ist so schön von oben, das Tempelhofer Feld ganz besonders. Die vielen Kitesurfer sind nur Striche, Wind weht einem ins Gesicht und die Sonne knallt auf die Dächer des Neuköllner Schillerkiezes. Hier oben in 14 Meter Höhe scheinen Berlins Probleme um bezahlbaren Wohnraum ziemlich weit weg.

Auf einem Grünstreifen des Neuköllner St.-Thomas-Kirchhofs wurde das vierwöchige Freiluft-Festival „Junipark“ eröffnet, ein Stadt-Kunst-Projekt über die Wohn- und Lebenssituation junger Berliner. Veranstalter ist das Jugendkulturhaus Schlesische27 aus Kreuzberg. Auf einem Gerüst werden bis 29. Juni mehr als 20 verschiedene Kunstprojekte zu den Themen Miete und Gentrifizierung zu sehen sein. Von den 200 Akteuren sind viele Jugendliche und junge Erwachsene, auch Schulen beteiligen sich.

Die Programmpunkte finden auf dem 750 Quadratmeter großen Gerüst statt, das die Architekten vom „Raumlaborberlin“ entworfen haben. In der Mitte des Gerüsts befindet sich eine Bühne; auf drei begehbaren Etagen drum herum gibt es außerdem kleine Plattformen, eine Bar und einen 14 Meter hohen Aussichtsturm, tolle Aussicht inklusive.

Nachbarn werden eingebunden

Julia Schreiner, 41, und Anne Paffenholz, 37, künstlerische Leiterinnen des Juniparks, beschreiben das Gerüst so: „Ein Gerüst ist immer veränderbar und damit wie ein Skelett, das mit den Ideen und Visionen der Menschen gefüllt werden kann“, so Schreiner. So auch soll der Junipark sein. Ein kleines Stück Gerüststadt, das sich mit und durch die Menschen wandelt, besetzt und verändert wird.

Als die Planungen auf der Brache begonnen und das Gerüst gebaut wurde, gab es anfangs Protest aus der Nachbarschaft. „Wir wurden immer wieder von Anwohnern als Investoren angesprochen und gefragt, was wir hier bauen wollen. Die Nachbarschaft war in Alarmstimmung und hatte Angst, dass wir ihnen Freiraum wegnehmen“, erzählt Schreiner. Viele hätten aufgeatmet, als sie hörten, dass der Junipark nur ein temporäres Projekt sei. Nun werden die Nachbarn eingebunden, es wird gekocht, gegärtnert und über Wohnideale und Mieten diskutiert. Am Ende werden die Forderungen gesammelt und dem Senat übergeben. „Durch unsere Programmpunkte, Workshops und Talkrunden wollen wir Wünsche, Pläne und Diskussionspunkte für junges Wohnen in Berlin sammeln, die wir der Stadtentwicklung mit auf den Weg geben wollen“, erklärt Barbara Meyer, Initiatorin des Juniparks und Leiterin der Schlesischen27. Die Dramaturgen Anne Paffenholz und Julia Schreiner stellen sich den Junipark wie eine kleine Stadt vor, in der viele verschiedene Menschen miteinander Zeit verbringen. „Der Junipark soll ein Denk- und Aktionsraum sein, in dem Fragen beantwortet werden, Ideen entstehen und Stadtutopien entwickelt werden“, sagt Paffenholz.

Umfrage zeigt Angst vor Verdrängung

Das Stadt-Kunst-Festival ist Teil der „Wohnwut“-Kampagne, die vom Kreuzberger Jugendkulturhaus Schlesische27 vor einem Jahr gestartet worden ist. In einer Umfrage sprachen Jugendliche drei Monate lange mit 350 Berlinern im Alter von 15 bis 29 Jahren über ihre Wohn- und Lebenssituation. Anne Paffenholz hat diese Umfrage koordiniert: „Viele der jungen Berliner haben gesagt, dass sie sich eine Stadt wünschen, in der alle Platz haben: jung und alt, reich und arm, deutsch und nicht deutsch, nebeneinander und miteinander.“ Doch ein Großteil der Befragten fühle sich und seinen Lebensraum in Berlin nicht geschützt und habe Angst, aus dem Zentrum verdrängt zu werden.

Anna Maier, 28, tanzt bei den „27 dance monkeys“ im Junipark und hat Angst, sich bald keine Wohnung mehr in Berlin leisten zu können: „Als ich vor sieben Jahren nach Berlin kam, wollte ich die Freiräume hier erleben und ich konnte entspannt hier wohnen. Heute fühle ich mich an den Rand gedrängt. Ich beteilige mich deshalb am Junipark, um zu zeigen, dass man sich nicht nur dagegen wehren, sondern auch miteinander reden muss“, so die Studentin.

Stadt-Kunst-Projekt Junipark, bis 29. Juni, auf dem St.-Thomas-Kirchhof in Neukölln. Programm unter www.wohnwut.schlesische27.de. Der Eintritt ist frei.

Katharina Fiedler

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