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Kommen und Gehen. Platzeck gratuliert BER-Aufsichtsratschef Wowereit.

© dpa

Berlins Regierendes Alphatier: Klaus Wowereit ist zurück - mit guter Laune und Zuversicht

Noch im Januar schien er politisch am Ende, doch nun verspürt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit wieder Oberwasser. Hat er noch die Chance, sein Image als "Desaster-Klaus" abzuschütteln?

Genau wie früher. Er verströmt gute Laune, Zuversicht, Amüsement. Klaus Wowereit auf dem Deutschlandfest seiner Partei redet, bewegt sich, freut sich an den Leuten genauso wie der Regierende Wahlkämpfer Klaus Wowereit von 2006, auf einem der Höhepunkte seiner Beliebtheit, als der glücklose Friedbert Pflüger keine Chance gegen ihn hatte. Jetzt schlendert er über die Straße des 17. Juni, ganz der Sommerberliner von heute im weißen Polohemd, blauer Stoffhose und roten Schuhen – und kommt doch immer nur wieder ein paar Schritte weit. Dann will wieder jemand ein Foto mit ihm. Er legt den Arm um die Leute, lächelt, lacht, scherzt, ein Sozi wie geschaffen, ein bisschen Freude am Dasein und Feierlaune zu verbreiten in einer Partei, deren Feierlaune ansonsten etwas aufgesetzt wirkt.

Wäre Klaus Wowereit seit 2006 in gleichbleibend guter Form gewesen – seine entspannte Feierfreude wäre keine Erwähnung wert. Aber es ist gerade mal acht Monate her, da schien Klaus Wowereit am Ende zu sein. Im Januar 2013 hatte es ausgesehen, als hätte Wowereit nur noch ein paar Monate im Amt – so etwa bis zur Bundestagswahl im September. In der rot-schwarzen Koalition spekulierten die Strategen darüber, ob Wowereit wohl besser vor oder nach der Wahl einen guten Abgang schaffe: Vorher, um mit seinem Image als „Master of Desaster“ nicht zur „Belastung“ im SPD-Wahlkampf zu werden – oder nachher, damit in Berlin außer dem Planungs- nicht auch noch ein SPD-Personalchaos entstünde.

Flughafen-Desaster traf Klaus Wowereit schwer

Das Wort vom Flughafen-„Desaster“ hatte er selbst geprägt und in einer selbstkritischen Regierungserklärung verwendet, bevor er Mitte Januar im Berliner Abgeordnetenhaus die Vertrauensfrage stellte. Doch 48 Stunden später, an einem eisig-sonnigen Samstag, sprachen dieselben Leute, die im Bereich des Nichtzitierfähigen über Wowereits politisches Ende sinnierten, ihm das Vertrauen aus. Das war für ihn ein neuer Anfang.

Den keiner ahnte. Zum ersten Mal in Wowereits zwölf Regierungsjahren sah es aus, als sei er schwer getroffen. Dass ihm die Krise offenbar an die Substanz ging, ahnten viele, die ihn beobachteten. Wenn sich Wowereit in Furor redet, dann kneift er die Augen zusammen und sticht mit dem Finger in die Luft. Zwei Tage vor der Abstimmung über die Vertrauensfrage hatte er im Abgeordnetenhaus für sein Verständnis von „Verantwortung“ gekämpft. Die bestehe darin, „dass man sich nicht aus der Verantwortung herausstiehlt“. Dass er aber als Konsequenz aus dem Desaster den Aufsichtsratsvorsitz abgeben würde, hatte Wowereit schon angekündigt.

Nicht mal Fernsehzuschauer konnten übersehen, wie es um den ehemaligen Sonnenkönig stand. Als ihm ein Interviewer vorhielt, die Welt lache über Berlin, ratterte der Regierende im übelsten Elefantenrundenstil einfach über dessen Fragen hinweg, kam mit den Touristenzahlen – „die Leute kommen gerne nach Berlin!“ – und führte gegen den Chaosflughafen „35 000 neue Jobs“ an: „Berlin ist attraktiv – und daran haben wir hart gearbeitet!“

Wer enger mit ihm zu tun hatte, erlebte einen Politiker, dem die gute Grundstimmung vergangen war. Der Mann, der die neue Berliner Leichtigkeit so lange verkörpert und dafür nicht nur gelacht, sondern viel getan hat, hatte selbst alle Leichtigkeit verloren. Man habe ihm angemerkt, dass ihn das BER-Chaos belaste, sagen Leute, die ihn erlebten. Er habe verunsichert gewirkt, sagt ein Beobachter. Und ein anderer bemerkte Augenringe und Desinteresse am Tagesbetrieb und vermutete, Wowereit sei von sich selbst enttäuscht.

Berlins Alphatier hat wieder Oberwasser

Davon hat er sich erholt – physisch und psychisch. Im Senat, so hört man, gebe Wowereit in altbekannter Manier das Regierende Alphatier, das Kollegen „rundmacht“, so heißt es, wenn Ansichten oder Vorschläge ihn dazu herausfordern. Er habe wieder Oberwasser, hört man, er nutze die Lücken, die ihm SPD-Fraktionschef Raed Saleh und SPD-Landeschef Jan Stöß lassen. Beide hatten sich in den vergangenen Monaten gern gegeneinander profiliert, der eine als frei schwebender Schulpolitiker (Saleh), der andere als ambitionierter Stadtentwickler (Stöß).

Woher der kräftige Energieschub gekommen ist, wird nur Wowereit selbst wissen. Nun hat er – bis auf Weiteres – das Amt das Aufsichtsratsvorsitzenden der Flughafengesellschaft zurück, in dem er so krass versagt hatte. Manchmal hilft es ja, wenn andere auch nicht besser zurechtkommen als man selbst – auch wenn Matthias Platzeck aus Krankheitsgründen Kontrollposten niederlegen musste.

Womöglich war und ist es Wowereit aber mit dem, was er über „Verantwortung“ gesagt, ganz ernst. Dass er seit jungen Jahren weiß, was es heißt, sich kümmern zu müssen – um die Mutter, um den Bruder, und zwar, weil andere schlicht nicht da sind –, hat er öfter mal durchblicken lassen. Jetzt sieht er womöglich die Chance, als versagt habender Aufsichtsrat alte Fehler zu reparieren. Wenn das die Folge hätte, dass er nicht als „Desaster-Klaus“ in die Historie eingeht, sondern beim Start der künftigen Jobmaschine BER dabei sein darf, können ihm nicht mal Widersacher übel nehmen. Auf dem SPD-Fest hat er fröhlich mitgesungen, als ihm die Ruhrpott-Kapelle „Bergbau-Kultur“ das Lied „Glückauf, der Steiger kommt“ spielte.

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