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© ddp

Zukunftsfrage: Linke Berlin: Schluss mit Basta

Streit um Lafontaines Erbe: Der Kurs der Bundespartei spaltet Berlins Linke. Vor allem der designierte Parteichef Klaus Ernst ist in der Partei umstritten.

Oskar hat es ihnen nicht immer leicht gemacht. Lange haben sich die Genossen und der Bundesvorsitzende der Linkspartei aneinandergerieben. Aber irgendwann hatten die Spitze der Berliner Linkspartei und Lafontaine sich so weit verständigt, dass man gut miteinander auskam und sich regelmäßig zu Gesprächen über die feine Balance zwischen Regieren hier und Opponieren dort traf.

Damit ist jetzt Schluss. Seit dem angekündigten Rückzug Oskar Lafontaines und dem daraufhin in der Bundespartei ausgebrochenen Machtkampf ist auch unter Berliner Genossen die Verunsicherung groß. Dies wird wohl auch die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus beschäftigen, die sich am heutigen Freitag im brandenburgischen Groß Dölln zur Klasurtagung trifft. „Wir bekommen viele Fragen von Mitgliedern, was das alles bedeutet und wie es weitergehen soll“, berichtet Landesparteichef Klaus Lederer. „Entfremdung, Genervtheit, Hilflosigkeit“ spreche aus vielen Rückmeldungen der Basis, sagt er. „Viele fragen sich: Warum diese Selbstbefassung?“

Vor allem eine Personalie erregt die Gemüter der Basis und spaltet auch die sonst meist geschlossen wirkende Berliner Führungsriege: Klaus Ernst. Der designierte neue Bundesvorsitzende, der die Linke nach dem Willen des Parteivorstandes künftig zusammen mit der Berliner Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und einem nach Strömungen, Regionen und Geschlechtszugehörigkeit ausbalancierten Team von Stellvertretern führen soll, provoziert konträre Einschätzungen. Dem bayerischen Gewerkschafter, der zu den Mitgründern der 2007 mit der PDS zur Linken fusionierten WASG gehört, nehmen viele Berliner Genossen übel, wie er sich bei innerparteilichen Auseinandersetzungen verhalten hat, zuletzt bei der mit persönlichen Vorwürfen verbundenen Demontage des scheidenden Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch.

„Mit dem Namen Klaus Ernst verbinden jetzt viele einen Stil der Verdächtigung im Umgang miteinander und von Basta-Ansagen – das will hier keiner“, sagt Klaus Lederer. „Wir haben unsere ganz besonderen Erfahrungen mit einer auf Disziplin, Einheit und Geschlossenheit setzenden Partei schon hinter uns.“ Die Skepsis teilt der Linken-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf. „Ich habe starke Zweifel, dass Klaus Ernst integrativ wirken wird“, sagt er. Anders als die Lichtenberger Bezirksparteichefin Gesine Lötzsch, die sich gegenüber der Berliner Linken „solidarisch“ zeige und Regierungsbeteiligungen wie in der Hauptstadt oder Brandenburg unterstütze, habe Ernst Kompromisse in der Regierungskoalition scharf kritisiert. „Das schafft ein Problem, wenn wir so miteinander umgehen“, sagt Udo Wolf.

Keine Probleme mit Ernst hat dagegen ein anderer starker Politiker der Berliner Linken. „Ich kann nicht sagen, dass man mit ihm nicht zusammenarbeiten kann“, sagt Wirtschaftssenator Harald Wolf. Woran sich Wolf mehr stört, ist die „harsche Reaktion“ von Landesparteichef Lederer auf die Personalie Ernst. Darauf angesprochen, kontert Lederer: „Als Senator hat Harald Wolf einen anderen Zugang zu Klaus Ernst. Auch ich kann mit Ernst vernünftig reden. Jetzt geht es aber um die Grundsatzfrage, wie sich das innerparteiliche Klima und der demokratische Prozess weiter entwickeln werden.“ Aus Sicht des Berliner Parteichefs hat Ernst bis zum Bundesparteitag im Mai, auf dem die neue Führung gewählt werden soll, „noch viel zu tun, um mit einem offenen, fairen, ausgleichenden und solidarischen Führungsstil identifiziert zu werden“.

Durch die aktuelle Führungsdebatte sind latente Dissonanzen innerhalb der Berliner Linken derzeit mal wieder lauter zu hören. Vor allem die zwischen der eher pragmatisch orientierten, meist aus dem Ostteil stammenden Mehrheit der einstigen PDS-Genossen einerseits – und den meist über die WASG zur Linken gekommenen Aktivisten andererseits. Der Personalvorschlag mit Ernst & Co. sei „gut, weil er zeigt, dass unsere Partei mehr ist als nur eine ‚PDS plus’“, sagt Ruben Lehnert, Sprecher der Neuköllner Linken, die als Hochburg der Aktivisten aus linken Splittergruppen gilt, die den pragmatischen Kurs der Landesparteiführung ablehnen. Sein Lob verbindet der Mitarbeiter der Linken-Bundestagsfraktion mit einem Seitenhieb gegen die Berliner Parteiführung, in der seiner Ansicht nach zu wenige Genossen vertreten sind, die den pragmatischen rot-roten Kurs skeptisch sehen. „Der Berliner Landesverband kann sich an dem Personalvorschlag für die Bundesführung ein Beispiel nehmen“, sagt Lehnert.

Brechen also mit dem Rückzug Lafontaines auch bei der Berliner Linken alte Gräben zwischen den Gruppen wieder auf, aus denen bis 2007 die Fusionspartei Die Linke wurde? Davon geht derzeit kaum jemand aus. „Wir sind stabil aufgestellt“, sagt Fraktionschef Udo Wolf. Quer durch die Landespartei gebe es nicht nur eine gute Zusammenarbeit von Ex-PDS und Ex-WASG-Genossen, sondern vor allem einen anhaltenden Zustrom neuer Mitglieder, die mit den alten Stellungskämpfen nichts zu tun hätten.

„Es gibt eine Verunsicherung über den Kurs der Bundeslinken, aber nicht über unseren Berliner Kurs“, sagt auch Parteichef Lederer. Das bestätigt Torsten Hesse, Linken-Bezirkschef in Charlottenburg-Wilmersdorf. Sein Bezirk habe vergangenes Jahr ein Drittel neue Parteimitglieder bekommen, die sich nicht mehr den einst im Streit verbundenen Quellparteien zurechnen lassen. Ähnliches ist aus anderen Bezirken zu hören. Die meisten Mitglieder hätten kein Interesse an internen Streitigkeiten, wie sie jetzt auf Bundesebene wieder aufbrechen: „Niemand will das linke Projekt scheitern sehen.“

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