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Alle zwölf Minuten ein neues Verfahren. Im Berliner Sozialgericht stapeln sich die Akten.

© Thilo Rückeis

Langsame Justiz: Acht Jahre warten auf ein Urteil am Sozialgericht

Das Landessozialgericht entschied, dass Kläger Anrecht auf Entschädigungen haben, wenn Verfahren sich zu lange hinziehen. Schon seit langem klagen die Sozialgerichte in Berlin und Brandenburg über Überlastung.

Die Überlastung an den Berliner und Brandenburger Sozialgerichten hat dazu geführt, dass das gemeinsame Landessozialgericht in Potsdam mehreren Klägern finanzielle Entschädigungen zugesprochen hat. Einen Fall bewertete das Gericht zwar als „überdurchschnittlich komplex“, dennoch habe das Verfahren drei Jahre zu lang gedauert. Der Kläger hatte vor dem Sozialgericht Cottbus acht Jahre auf eine Entscheidung warten müssen. Bei seinem Rechtsstreit mit der Unfallkasse ging es um die Frage, ob eine Erkrankung als Berufskrankheit zu bewerten sei. Dem Mann wurde eine Entschädigung in Höhe von 3600 Euro zugebilligt.

Einem Kläger aus Berlin steht eine Entschädigung in Höhe von 1300 Euro zu. Sein Verfahren vor dem Berliner Sozialgericht zog sich über vier Jahre und neun Monate hin. In diesem Fall wurde um Rentenansprüche nach einer teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gestritten. Die Richter gingen hierbei von einer durchschnittlich schwierigen Materie aus. Dennoch habe es zwei längere Bearbeitungspausen gegeben. Kläger können aber nicht immer bei einem jahrelangen Rechtsstreit davon ausgehen, dass das Verfahren „überlang“ ist. Der zuständige Senat betonte nämlich in seinen Entscheidungen, dass dieses „stark vom Einzelfall abhängig“ sei. Erst seit 2011 ist gesetzlich geregelt, dass bei zu langer Verfahrensdauer eine Entschädigung gezahlt werden kann. Schon seit Jahren klagen die Sozialgerichte beider Länder über ihre starke Belastung. Dazu hat vor allem die nach 2005 einsetzende Flut der Klagen durch die Arbeitsmarktreform Hartz IV geführt.

Das 200 000. Hartz-IV-Verfahren wird noch vor Ostern erwartet

Am Sozialgericht Berlin, dem größten Sozialgericht Deutschlands, wird vermutlich noch vor Ostern eine Gesamtzahl von 200 000 Hartz-IV-Verfahren erreicht. Zwar ist die Zahl im vergangenen Jahr leicht rückläufig gewesen, dennoch sieht Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma keine Entwarnung. Insgesamt erreichten im Jahr 2013 mehr als 40 000 neue Verfahren das Gericht. Gleichzeitig türmen sich laut Schudoma die unerledigten Verfahren zu „einem immer bedrohlicheren Aktenberg“.Im Durchschnitt dauere ein Verfahren etwas mehr als ein Jahr.

Brandenburger Sozialrichter erledigen jeweils 400 Verfahren im Jahr

Erst vor wenigen Wochen hatte auch der Vizepräsident des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Hermann Oesterle, Alarm geschlagen und für die Brandenburger Sozialgerichte eine Aufstockung des Personals um 10 Prozent gefordert. Derzeit sind dort 70 Richter tätig. Nach seinen Worten sind in keinem anderen Bundesland die Sozialrichter derart stark belastet wie in Brandenburg. Mit 400 erledigten Verfahren pro Jahr und Sozialrichter liegt Brandenburg zugleich bundesweit an der Spitze. Hoffnungen ruhen auf dem neuen Justizminister Helmuth Markov (Linke). Da das Justizbudget für 2014 überschritten ist, hatte er zwar kurz nach Amtsantritt einen Umsetzungs- und Beförderungsstopp für die gesamte Justiz verhängt. Der aber könnte – falls Stellen grundsätzlich umverteilt werden – möglicherweise den Sozialgerichten sogar nützen.

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