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Baustelle und Bauarbeiten im S-Bahn-Tunnel Nord-Süd der S-Bahn Berlin vom Anhalter Bahnhof bis zur Yorckstraße in Berlin-Kreuzberg.

© Tagesspiegel/Kitty Kleist-Heinrich

Licht am Ende des Nord-Süd-Tunnels: Zu Besuch auf der Großbaustelle der Berliner S-Bahn

Die wochenlange Sperrung des Nord-Süd-Tunnels in der Berliner City nervt viele Fahrgäste. Aber bei einem Termin auf der Baustelle verkündet die Bahn eine gute Nachricht.

Montagfrüh am verrammelten Anhalter Bahnhof. Auf Gleis 2 fährt ein: ein Bagger mit acht Rädern. Außer den Gummireifen hat er vier Ganzmetallräder, mit denen er auf den Schienen fährt, auf denen sonst die S-Bahn rollt. Aber die fährt seit Anfang Januar nicht mehr, weil im Nord-Süd-Tunnel unter der Berliner Innenstadt gebaut wird.

Sechs Wochen Vollsperrung, wie im vergangenen Jahr. Erst am 16. Februar sollen die Linien S1, 2, 25 und 26 zwischen Südkreuz, Yorckstraße/Großgörschenstraße und Gesundbrunnen wieder durchfahren.

Der Bagger ist auf dem Weg Richtung Potsdamer Platz, wo Weichen erneuert wurden und noch Restarbeiten anstehen. An der Friedrichstraße dröhnt noch die Stopfmaschine, die Schotter und Gleise zurechtruckelt. Dabei werden die Gleise wieder um das Stück nach oben geholt, um das sie über die Jahre ins Schotterbett gesunken sind unter der Last von täglich mehr als 1000 Doppelwagen, jeder 60 Tonnen schwer. Weil die fast 90 Jahre alte Strecke unter Berlins Mitte fast nur aus Kurven besteht und dazu in wildem Auf und Ab drei U-Bahn-Tunnel sowie Spree, Landwehrkanal und Fernbahn kreuzt, ist der Verschleiß besonders groß.

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Meter lang ist der Nord-Süd-Tunnel.

Während der Bagger nordwärts weiterrollt, läuft Projektleiter Ulrich Burkhardt vom Anhalter Bahnhof südwärts, wo einer der wenigen geraden Abschnitte verläuft. Zwischen den neuen Schienen liegen die alten, die bald abtransportiert werden für den Schrott. 1500 Meter Schienen hat die Bahn in diesem Jahr im Tunnel erneuert, weitere 1200 Meter komplett mit Schwellen und Schotter. Außerdem wurden acht Gleiskilometer instand gesetzt und 25 Kilometer Schienen geschliffen. Hinzu kommen zwei neue und 34 überholte Weichen sowie 170 sanierte Schwellen.

Projektleiter Ulrich Burkhardt betreut die Arbeiten.
Projektleiter Ulrich Burkhardt betreut die Arbeiten.

© Tagesspiegel/Kitty Kleist-Heinrich

Die, auf denen Burkhardt südwärts wandert, sind aus Holz und schon 26 Jahre alt, aber noch intakt. Ihr ungewöhnlich langes Leben verdanken sie dem trockenen Tunnelklima. Burkhardt gibt ihnen noch ein paar Jahre – wie auch allem anderen, was im Tunnel steht und liegt: Wochenlange Sperrungen seien vorerst nicht wieder nötig, sagt er, nur kleinere Arbeiten an einzelnen Wochenenden. Burkhardts Prognose resultiert auch aus der Erfahrung: Die letzte Großsperrung vor der 2023 sei 2015 gewesen.

Der Verschleiß an den Schienen ist offensichtlich

Es geht nun leicht bergauf zur Tunnelausfahrt an der Yorckstraße. Dort liegt ein Stapel kleingeflexter Schienen zum Abtransport bereit. An den Schnittstellen ist der Verschleiß offensichtlich: Der einst symmetrische, T-förmige Schienenkopf ist auf den Innenseiten halbrund geschliffen. Bei einer kleinen Bimmelbahn könnte man solche Schienen mit der noch intakten Außenkante nach innen erneut einbauen, sagt Burkhardt, aber für so hoch belastete Strecken wie hier sei das nichts.

Alte Schienen, deren einst symmetrischer Kopf einseitig verschlissen ist.
Alte Schienen, deren einst symmetrischer Kopf einseitig verschlissen ist.

© Tagesspiegel/Kitty Kleist-Heinrich

Den Verschleiß an der sogenannten „Fahrkante“ erleben die Fahrgäste live in Form des oft höllisch lauten Quietschens, wenn in den Kurven die äußeren Räder gegen die Schiene drücken. Das mache den Krach, sagt Burkhardt. Während der Sperrung seien die nicht getauschten Schienen geschliffen und die Schmieranlagen, die bei jeder Zugpassage einen Schuss Öl spendieren, aufgefüllt worden, erklärt er. Die Frage, ob und wie lange das hilft, lässt er verhallen in dem Wind, der hier unten weht.

Die Wetterscheide befindet sich am Potsdamer Platz.

Patrick Schneider, Sicherheitsverantwortlicher

Es ist ein Nordwind, erzeugt von Gebläsen, die wie Flugzeugtriebwerke auf den Bahnsteigen am Anhalter Bahnhof stehen. Weil hier unten kein Regen den Staub aus dem Schotter wäscht und die Abgase der dieselnden Baumaschinen nicht von allein abziehen, wird der Luftaustausch nach Bedarf geregelt. „Bewettern“, heiße das im Bergbaujargon, erklärt Patrick Schneider, verantwortlich für die Sicherheit und ebenfalls auf Tunneltour.

Die Wetterscheide befindet sich am Potsdamer Platz“, sagt er. Nördlich davon wird Südwind erzeugt. Bei besonders staubintensiven Arbeiten wird die Luft gefiltert, bevor sie über Bahnhofstreppen und Tunnelausfahrten in die City weht.

Acht Entstauber, 15 Luftmessgeräte und 43 Ventilatoren wurden für die Arbeiten installiert. Auch die müssen hin- und weggebracht werden. Im Tunnel gibt es zwar kein schlechtes Wetter, aber zusätzliche Vorschriften. Auch deshalb dauert die Sperrung so lange.

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