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Linke: Schleudergefahr durch zu viel Profil

An Sachthemen dürfte die rot-rote Koalition kaum scheitern. Weitere Muskelspiele garantiert aber der Bundestagswahlkampf. Denn Parteichef Oskar Lafontaine bestärkt die Kritiker von Rot-Rot.

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Bei den Bundeslinken ist das rot-rote Regierungsbündnis in Berlin seit jeher Chefsache. Das gilt erst recht für das Superwahljahr 2009. Es war kein Zufall, dass am Wochenende Parteichef Lothar Bisky und der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Gregor Gysi ihre vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) düpierten Linksparteigenossen aufmunterten und anstachelten, während zum zeitgleich tagenden Parteitag der bayerischen Linken als prominenteste Rednerin nur die gescheiterte Parteivorsitzende und heutige Europaabgeordnete Gabi Zimmer geschickt wurde. In der Hauptstadt wurde ein Rollenspiel aufgeführt, bei dem Bisky erst das profilierte Auftreten der Berliner Landespartei in der Koalition lobte – und dann Gysi mit dem Ende des Bündnisses drohte, nachdem Wowereit gegen den Willen der Linken im Bundesrat für das Erbschaftssteuergesetz gestimmt hatte. Alles nur Theaterdonner?

Spitzenpolitiker der Linken bemühten sich am Montag, diesen Eindruck zu zerstreuen. Mit der Drohung habe Gysi „angemessen reagiert“, sagte Parteichef Bisky: „Einen Koalitionsvertragsbruch darf man nicht einfach übergehen.“ Ähnlich sieht es Ulrich Maurer, im Parteivorstand zuständig für die Parteientwicklung im Westen, wo es besonders viele Kritiker von Regierungsbeteiligungen gibt. Mitregieren sei wichtig, „aber nur so lange, wie unsere Glaubwürdigkeit nicht verletzt wird“, sagte er. Auch Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch kritisiert die SPD: „Was Wowereit gemacht hat, geht gar nicht.“

Der Konflikt fällt in eine Zeit, in der die rot-rote Koalition in Berlin ohnehin unter verschärfter Beobachtung steht. Erst Ende November mussten alle Senatoren der Linken, Parteichef Klaus Lederer und Fraktionschefin Carola Bluhm im Bundesvorstand antanzen. In der Information zur Sitzung wurde damals protokolliert, es habe sich rasch gezeigt, „dass Regierungsbeteiligungen nach wie vor mit vielen Argumenten dafür und dagegen, also auch vielen Emotionen verbunden sind“. Regelmäßig bestärkt fühlen sich die Kritiker von Rot-Rot durch Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine, der gleich zu Beginn der Neuauflage der Berliner Koalition Zweifel angemeldet hatte: „Ich weiß nicht, wie lange der Friede hält.“

Eingeweihte gehen davon aus, dass bei Gysis Auftritt auch Lafontaines fortbestehende Bedenken eine Rolle spielten. Andere wenden ein, Lafontaines Absichten, im Saarland wieder Regierungschef zu werden, würden „völlig unglaubwürdig, wenn Berlin krachen geht“.

Gäbe es mehrere rot-rote Koalitionen in der Republik, stünde das Berliner Bündnis womöglich wirklich auf der Kippe. Würden vier Bundesländer von einem Linksbündnis regiert, wäre in Berlin jetzt Schluss gewesen, vermutet ein Spitzenmann. Noch aber mahnt Parteichef Bisky: Es sei wichtig zu zeigen, „dass wir regieren können und wollen. Das geht weit über Berlin hinaus“.

Das mit dem Können will die Opposition im Abgeordnetenhaus am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde thematisieren: Die FDP fragt, ob „Berlin noch eine handlungsfähige Regierung“ habe, und die CDU möchte wissen, „was die Koalition politisch überhaupt noch anzubieten hat“. Rot-Rot werde „nur noch durch den Willen zum Machterhalt zusammengehalten“, ließ CDU-Fraktionschef Frank Henkel am Montag wissen.

Viele Projekte – öffentlicher Dienst, ICC-Sanierung, Gemeinschaftsschule, Tempelhof – sind in Arbeit und Sollbruchstellen zwischen SPD und Linken nicht in Sicht. Wowereit könnte es darauf anlegen, wenn er beim BKA-Gesetz im Bundesrat wieder mit Ja stimmen würde. Das könnten ihm die Linken dann wirklich nicht durchgehen lassen – und deshalb wird er’s auch nicht tun.

Die im Koalitionsvertrag festgehaltene Rekommunalisierung der Wasserbetriebe ist eine nette, aber allgemein als unbezahlbar akzeptierte Geste an die Linke. Auch beim Thema Gemeinschaftsschule liegen beide Partner im Wesentlichen auf einer Linie. Ganz akut wird dagegen um die Wohnungsregelungen für Hartz-IV Empfänger gerungen. Hauptakteure sind Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke), die die liberale Berliner Regelung retten will, und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Die bisherige Berliner Praxis, dass Hartz-IV-Empfänger nicht schon nach sechs Monaten, sondern erst nach einem Jahr aus zu teuren Wohnungen ausziehen sollen, war von Rechnungshof und Bundestag gerügt worden. Ein Ausweg könnte sein, die Grenzen für Mieten und Betriebskosten zu heben. Doch das kostet Geld, das Sarrazin gern sparen würde.

Er könnte es auch brauchen, denn falls die Wirtschaftskrise schlimmer wird, werden Rot und Rot darüber reden müssen, ob und wie sie trotz sinkender Steuereinnahmen der Konjunktur helfen können. Das Thema beschäftigt die Koalitionäre momentan mehr als der gerade erloschene Dauerkonflikt um den öffentlichen Dienst. Für den werden Linke und Gewerkschaften wohl schon vor der Bundestagswahl Verhandlungen über einen Tarifvertrag ab 2010 fordern – und die SPD wird mit einem eigenen Zeitplan kontern, weil ja ohnehin verhandelt werden muss. Kein echter Konflikt also. Und dass die linken Wünsche an den nächsten Doppelhaushalt etwas größer ausfallen werden als die von Sarrazins sozialdemokratischen Freunden, ist nach sieben Koalitionsjahren Routine. So könnte der wahlkampfbedingte Profilierungsbedarf der Bundeslinken die rot-rote Atmosphäre 2009 stärker prägen als jedes Sachthema.

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