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MUNICH, GERMANY - JULY 21: Anne Wünsche attends the "Benjamin Bluemchen" Premiere at Mathaeser Filmpalast on July 21, 2019 in Munich, Germany. (Photo by Hannes Magerstaedt/Getty Images)

© Getty Images/Hannes Magerstaedt

„Man geht diesen Weg oft allein“: Warum die Schauspielerin Anne Wünsche ihre geplante Abtreibung öffentlich machte

Sie wolle anderen Frauen Mut machen, sagt die Berlinerin. Deshalb schrieb sie bei Instagram über ihre Abtreibungspläne. Neben Unterstützung erfährt sie dafür auch Hass.

Am 6. Juni 1971 titelte der „Stern“: „Wir haben abgetrieben!“ 347 Frauen, darunter auch prominente Schauspielerinnen wie Romy Schneider oder Senta Berger, bekannten öffentlich, diesen Schritt gegangen zu sein. Die Initiative war einer der auslösenden Momente für die moderne Frauenbewegung in Deutschland.

In einem begleitenden Bericht wurde gefordert, Abtreibungen zu entkriminalisieren und den berüchtigten Paragrafen 218, der einen Schwangerschaftsabbruch unter anderem mit bis zu drei Jahren Haft bestraft, abzuschaffen. Der Bericht löste deutschlandweit einen Skandal aus, begleitet von der Gefahr substantieller Konsequenzen für die Teilnehmerinnen und Anzeigen gegen einzelne Beteiligte.

Über 50 Jahre später steht der Paragraf 218 noch immer im Strafgesetzbuch. Noch. Die Ampel kündigte in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 an, den Paragrafen auf den Prüfstand stellen zu wollen. Die Diskussion um die Abschaffung des Paragrafen 219a, der die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ verbot, zeigt aber, dass das Thema auch in den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts polarisiert. Ein gefühlter gesellschaftlicher Konsens, abseits von Kirchen und anderen Interessenverbänden, scheint nach wie vor trügerisch und Frauen, die sich öffentlich zu einem Abbruch bekennen, müssen mindestens mit Anfeindungen rechnen.

Unterstützende Worte und frauenverachtende Beschimpfungen

Am Donnerstag wagte das die Berliner Laiendarstellerin Anne Wünsche, bekannt unter anderem aus den TV-Formaten „Berlin Tag und Nacht“ oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Auf ihrem Instagram-Kanal postete sie ein Bild eines positiven Schwangerschaftstests. Darunter schrieb sie mit emotionaler Vorrede: „Für mich steht fest: Ich kann es nicht behalten.“ Worte könnten nicht beschreiben, wie sie sich gerade fühle, schreibt sie weiter: „Ich liege im Bett. Eingemurmelt in meiner Decke. Mir laufen die Tränen über die Wangen und ich bin wie erstarrt.“

Es ist mein Körper und mein Leben. Das hat nichts mit deren Leben zu tun.

Anne Wünsche, Schauspielerin

Die 31-Jährige ist bereits Mutter von drei Kindern, die überraschende, vierte Schwangerschaft allerdings „würde einfach nicht funktionieren“. Sie sehe sich nicht in der Rolle, sie wäre nicht glücklich damit: „Niemals könnte ich allen gerecht werden. Niemals könnte ich das alles alleine schaffen!“

Die Reaktionen unter Wünsches Beitrag, bei dem die Kommentarfunktion inzwischen eingeschränkt wurde, decken die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen im Internet ab. Neben unterstützenden Worten schrieben zahlreiche Instagram-Nutzer übergriffige bis wüste Kommentare und frauenverachtende Beschimpfungen.

Wünsche hatte mit negativen Reaktionen seitens der Medien gerechnet. Und auch auf negative Kommentare von ihren Followern war sie vorbereitet. Dem Tagesspiegel erzählt sie, warum sie den Schritt an die Öffentlichkeit trotzdem gemacht hat: „Man geht diesen Weg oft allein, weil man sich nicht traut, mit jemandem darüber zu reden. Man trifft auf Unverständnis, Wut und auch Hass. Ich möchte Mut machen und dieses Thema nicht verbergen oder totschweigen. Ich möchte auf Social Media nicht so tun, als wäre alles okay, wo ich eigentlich oft mit den Tränen kämpfe und so gar nichts okay ist.“

Das große Unverständnis einiger Menschen verstehe sie sogar. Ebenso die Wut der Frauen, die sich seit Jahren erfolglos ein eigenes Kind wünschen. Und dennoch: „Es ist mein Körper und mein Leben. Das hat nichts mit deren Leben zu tun.“

Außerdem seien die Hasskommentare den positiven Nachrichten, die sie zu ihrem Statement erhielt, zahlenmäßig unterlegen: „Viele Frauen haben sich bei mir bedankt, dass ich öffentlich darüber rede und ihnen somit Kraft gebe und das Gefühl, nicht alleine damit zu sein“, erzählt sie.

Frauen, die in einer ähnlichen Situation wie sie sind, möchte sie auf den Weg geben, dass sie in ihren Entscheidungen über ihre Körper und Leben unabhängig sind: „Niemand sollte sich das Recht herausnehmen, dich dafür zu verurteilen oder dich zu einer Entscheidung zu zwingen.“ Außerdem rät Wünsche dazu, jede Option zu überdenken und nicht aus Emotionen heraus zu agieren. „Lass alles sacken, mache eine Pro- und Contra-Liste und entscheide erstmal nur für dich selbst.“ Denn die Last, die durch die Entscheidung für eine Abtreibung entstehe, trage jede Frau für sich.

Ihr selbst sei die Entscheidung nicht leicht gefallen, sagt Anne Wünsche, aber: „Ich habe meine Gründe für diesen Schritt.“

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