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Protest in jedem Viertel. Seit Monaten wehren sich Anwohner – wie hier am Müggelsee – gegen die neuen Flugrouten.

© dapd

Mangelnder Schallschutz: Anwohner wollen BER verhindern

Der Streit um den Schallschutz am neuen Flughafen geht in die nächste Runde: Elf Betroffene strengen Eilverfahren vor Gericht an. Der Anwalt der Kläger spricht von Betrug.

Fünf Wochen vor der Premiere des neuen Hauptstadtflughafens BER wollen elf Anwohner die Eröffnung wegen mangelnden Schallschutzes verhindern. Am gestrigen Freitag reichte der Würzburger Anwalt Wolfgang Baumann beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) den Antrag auf Erlass einer einstweilige Anordnung ein. Demnach soll Brandenburgs Infrastrukturministerium angewiesen werden, die Eröffnung zu unterbinden. Alternativ soll ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr statt der bisherigen Randzeiten bis 24 Uhr und von 5 bis 6 Uhr angeordnet werden. Baumann, dessen Kanzlei mehrere Verfahren wegen Fluglärms führt und Anfang April für Anwohner ein Nachtflugverbot am Flughafen in Frankfurt am Main erstritten hatte, sagte, die Flughafengesellschaft verstoße dabei systematisch gegen den Planfeststellungsbeschluss, also die Baugenehmigung für den drittgrößten deutschen Flughafen. Bei einer Niederlage vor dem OVG will Baumann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. „Es geht hier nicht um einen Wunschkatalog, sondern um die Einhaltung des Planfeststellungsbeschlusses.“

Tatsächlich hat es Schallschutzeinbauten bislang nur bei einem Bruchteil der 25 000 berechtigten Haushalte gegeben, darunter Fenster und Lüfter. 17 000 davon haben einen Antrag bei der Flughafengesellschaft gestellt. Bei erst 1300 Haushalten wurde die Einbauten vorgenommen. Bei vielen herrschte lange Verunsicherung, Anrainer und selbst kommunale Wohnungsgesellschaften verweigerten eine Unterschrift, weil sie mit den Verträgen auf jedwede Ansprüche gegenüber dem Flughafen verzichtet hätten. Erst vergangenen Freitag strich der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft die „Abgeltungsklausel“ und stockte die Kasse für den Lärmschutz von bisher 140 um 17 Millionen Euro auf.

Zusätzlich sieht Baumann direkte Verstöße beim Schallschutz. Der Planfeststellungsbeschlusses sieht vor, dass in geschlossenen Räumen am Tage der Schallpegel von 55 db(A) nicht durch Fluglärm überschritten werden darf. Der Wert entspricht normaler Gesprächslautstärke. Die Flughafenbetreiber dagegen interpretieren die Beschlusslage anders und gehen davon aus, dass der Wert des Schallpegels sechs Mal am Tag überschritten werden darf. Brandenburgs Infrastrukturministerium liegt wegen der Auslegung mit der Flughafengesellschaft bereits seit Monaten im Clinch. Jetzt stellten die Betreiber einen sogenannten Klarstellungsantrag, eigentlich „ein juristisch unbestimmtes Wesen“, wie es aus dem Infrastrukturministerium hieß. Denn eigentlich hätte jede Änderung des vom Bundesverwaltungsgericht abgesegneten Planfeststellungsbeschluss ein neues, umfangreiches Beteiligungsverfahren zur Folge.

Weil die Betreiber den Schallschutz nach eigener Auslegung des Beschlusses gestalteten, erwägt Baumann als Anwalt der elf Anrainer aus Blankenfelde-Mahlow, Schulzendorf, Bohnsdorf und Berlin auch eine Strafanzeige wegen Betrugs gegen die Geschäftführer der Flughafengesellschaft. Diese habe bewusst und systematisch falsch informiert, sagte der Jurist. Bei den Schallschutzmaßnahmen gehe es um „versuchten oder vollendeten Betrug“. Durch fehlenden Schallschutz sei mit einem Schallpegel von bis zu 79 db(A) zu rechnen, dies sei unzumutbar und an der „Schwelle zur Gesundheitsschädigung“.

Der Ausgang der neuen Klage ist völlig ungewiss. Ein Sprecher der Flughafengesellschaft gab sich gelassen und sagte, das Anliegen sei für den Eröffnungstermin am 3. Juni nicht relevant. „Bis 2015 werden die Schutzziele reichen, auch wenn sie so streng ausgelegt werden.“ Die Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses für den Lärmschutz würden ohnehin erst nötig sein, wenn der BER mit 360 000 Flugbewegungen pro Jahr komplett ausgelastet sei. In diesem Jahr wird mit 240 000 Flugbewegungen gerechnet.

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