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„Die Praxis bleibt geschlossen“. Symbolbild aus Brandenburg

© picture alliance / dpa/Patrick Pleul

Medizinische Versorgung in Berlin: Wenn auch der Hausarzt im Weihnachtsurlaub ist

Geschlossene Türen, offene Fragen: Zwischen Weihnachten und Neujahr nehmen auch Hausärzte vermehrt eine Auszeit. Was Patienten beachten sollten.

Corona, Influenza, Rhinoviren: Die steigenden Zahlen von Atemwegsinfektionen bringen Haus- und Kinderarztpraxen an Kapazitätsgrenzen. Während der letzten Werktage vor Weihnachten sind viele Praxen überfüllt. Doch wenn während der Feiertage und der Zeit bis zum neuen Jahr viele Mediziner in den Urlaub gehen, dürfte es noch schwieriger werden, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden.

Wie viele Praxen zwischen den Jahren geschlossen haben werden, kann die Kassenärztliche Vereinigung (KV Berlin) nicht beantworten. Vertragsärzte müssten nur Schließzeiten von einer Woche oder länger melden, heißt es aus der Pressestelle. Patientinnen und Patienten würden von der geschlossenen Praxis über Aushang, Webseite oder Anrufbeantworter auf eine Vertretungspraxis hingewiesen.

„Einfach auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen, geht nicht“, schreibt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung über die Regeln. Für die Sprechstunde müsse eine Vertretung in der Umgebung gefunden werden. Sollte dies nicht der Fall sein, könnten Patienten dies der Berliner KV melden, schreibt Sprecherin Dörthe Arnold.

Auf eine funktionierende Urlaubsvertretung sollten sich Kranke nicht zu sehr verlassen, wie ein Blick auf die Online-Arzt- und Psychotherapeutensuche der KV Berlin zeigt: „Praxisurlaub – keine Vertretung“, stand am Mittwoch beispielsweise gleich an neun Tagen in den nachweihnachtlichen Sprechzeiten eines dort gelisteten Schöneberger Mediziners. Immerhin lassen sich dort die Adressen der nächstgelegenen Ärztinnen und Ärzte auf einer Karte anzeigen.

Bei akuten Erkrankungen verweist die KV Berlin auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD), der auch an den Weihnachtsfeiertagen, zwischen den Jahren und an Neujahr rund um die Uhr erreichbar sei. Aufgrund der derzeit sehr hohen Zahl an Erkältungs- und Coronaerkrankungen könne es bei der Rufnummer 116117 jedoch zu Wartezeiten kommen.

Massive Einschränkungen des Dienstes ab Dezember hatte die KV Berlin zudem aus einem anderen Grund angekündigt: Infolge eines Urteils des Bundessozialgerichts werde man keine sogenannten Poolärzte mehr für Hausbesuche und in der Telefonberatung einsetzen. Diese „Nichtvertragsärzte“, also Mediziner außerhalb des gesetzlichen Systems, übernahmen bis dahin rund ein Drittel der etwa 14.000 Bereitschaftsdienste im Jahr. Ab Januar sollen deshalb auch die elf Notdienstpraxen der KV an Krankenhäusern nur noch eingeschränkt öffnen können.

Die Notdienstpraxen an Krankenhäusern – sechs für Erwachsene, fünf für Kinder – tragen laut KV-Angaben zur Entlastung der dortigen Rettungsstellen bei. Im Jahr 2021 seien die Praxen von jeweils rund 32.000 Kindern und Erwachsenen aufgesucht worden. Gerade für Patienten, die wegen weniger schwerer Erkrankungen mit besonders langen Wartezeiten auf der Rettungsstelle rechnen müssen, können diese Einrichtungen eine Alternative darstellen. Die meisten Notdienstpraxen sind freitagnachmittags, an Wochenenden und Feiertagen geöffnet. Über Weihnachten und Neujahr werden zusätzliche Öffnungszeiten angeboten.

Wann sollte die 116117 angerufen werden?

Wer sich krank fühlt und den Arztbesuch nicht auf den nächsten Tag verschieben kann, für den erklärt sich der Ärztliche Bereitschaftsdienst für zuständig. Dies sei zum Beispiel bei einer Grippe, Fieber oder Erbrechen der Fall, heißt es von der KV. Anrufende, die außerhalb der Praxissprechzeiten akut erkrankt sind, erhielten bei der 116117 eine medizinische Ersteinschätzung.

Am Ende einer Befragung kann die Leitstelle Kranke gegebenenfalls in die entsprechende Versorgung weiterleiten: Dies könne eine dienstbereite Praxis oder eine der elf Notdienstpraxen sein. Bei immobilen Personen oder in der Nacht schickt der ÄBD seine Mediziner auch zu Hausbesuchen, falls die Behandlung keinen Aufschub duldet, aber eine Vorstellung im Krankenhaus nicht erforderlich scheint. Notfälle werden direkt an die Berliner Feuerwehr weitergeleitet. Seit diesem Sommer soll das „Patienten-Navi-Online“ bei gesundheitlichen Problemen eine bessere Übersicht geben.

Der Rettungsdienst unter der 112 und die Notaufnahmen sollen nur bei potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen in Anspruch genommen werden, etwa bei plötzlichen Lähmungserscheinungen, Seh- und Sprachstörungen, Brustschmerzen, akuter Luftnot, Bewusstseinstrübung und Bewusstlosigkeit, Krampfanfall sowie bei plötzlich auftretenden starken und stärksten Schmerzen.

Etwa 30 Prozent der Versorgten in den sieben Vivantes-Rettungsstellen hätten auch in einer Praxis zu einem späteren Zeitpunkt ambulant versorgt werden können, schätzt Sprecher Christoph Lang. Das landeseigene Unternehmen bereitet sich mit verstärkten Rettungsteams bereits auf die Silvesternacht vor, besonders in Neukölln und Friedrichshain. Die Wartezeiten für alle Vivantes-Notaufnahmen lassen sich online einsehen.

Gegen Ende des vergangenen Jahres hatten Gesundheitsverwaltung, KV Berlin und die Krankenhausgesellschaft gemeinsam an die Bürger appelliert, überlastete Praxen und Notaufnahmen nicht wegen Bagatellerkrankungen aufzusuchen. Von einer dramatischen Situation angesichts einer hohen Krankheitswelle hatte die damalige Senatorin Ulrike Gote (Grüne) gesprochen. Die Gesundheitsverwaltung sieht auch jetzt keine Belege dafür, dass sich die Situation der Notfallversorgung „für die nächsten Tage und Wochen“ im Vergleich zum Vorjahr verbessert hat.

Die aktuelle Situation stellt sich auch laut Ärztevertretern kaum besser dar, besonders in der Versorgung von Kindern. Falls in einigen Wochen der Fall eintrete, dass mehrere Infektionswellen einen gemeinsamen Höhepunkt erreichen, würde die Verorgung laut Kinderarzt und Berufsverbandssprecher Jakob Maske noch schwieriger als 2022. Damals mussten kranke Kinder wegen Überbelegung auch in Kliniken des Umlands gefahren werden.

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