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Berlin: Meningitis-Angst: Schon ein Schnupfen macht nervös

Kinderärzte mussten hunderte Eltern beruhigen. Krankenhaus wehrt sich gegen Vorwurf zu später Information. Neuer Fall ist weniger gefährlich

Von Ingo Bach

und Christoph Stollowsky

Auch zwei Tage nach dem tragischen Tod des elfjährigen Domenick aus Spandau herrschte gestern noch immer Unruhe und Angst – vor allem bei den Eltern, die um die Gesundheit ihrer Kinder fürchten. Wie berichtet, war der Grundschüler am Freitag in den frühen Morgenstunden an einer bakteriellen Meningitis gestorben. Überall in der Stadt riefen Eltern bei Kinderärzten an, um sich zu erkundigen, was sie gegen diese gefährliche Form der Hirnhautentzündung tun könnten.

Der Kinderarzt Harald Schachinger versuchte gestern, die Eltern zu beruhigen. „Das ist keine Epidemie, sondern ein tragischer Einzelfall.“ Schachinger ist Chefarzt der Pädiatrie des Waldkrankenhauses in Spandau, wo der Junge gestorben war. „Diejenigen, die vor mehreren Tagen Kontakt zu dem Kind hatten, müssen nichts befürchten.“ Der Chefarzt wehrt sich gegen Vorwürfe, man habe Schule und Gesundheitsamt zu spät vor dem Meningitis-Verdachtsfall gewarnt. „Wir haben am Freitag gleich zu Dienstbeginn alle unterrichtet, die wir laut Meldeplan beim Ausbruch von ansteckenden Krankheiten informieren müssen“, sagte Schachinger dem Tagesspiegel. So sendeten die Ärzte gegen acht Uhr ein Fax an das Spandauer Gesundheitsamt – „weil das schneller geht, als per Telefon jemanden erreichen zu wollen.“

Die Direktorin der Mary-Poppins-Schule, die Domenick besuchte, hatte noch vor Unterrichtsbeginn die Schule auf eigene Faust geschlossen, nachdem sie von der Mutter informiert worden war und sie beim Waldkrankenhaus nachgefagt hatte. Erst danach reagierte das zuständige Gesundheitsamt. „Wir haben um 8.30 Uhr von der Klinik einen Warnanruf erhalten“, so die Auskunft von Amtsarzt Christian Richter.

Chefarzt Schachinger war selbst am Freitagmorgen am Krankenbett von Domenick. Die diensthabenden Ärzte hatte ihn angesichts der besonders schweren Meningitis-Form, die mit starken Hautblutungen einhergeht, in die Klinik geholt. „Das Kind kam gegen 0.30 Uhr zu uns – und natürlich wäre es besser gewesen, wir hätten es schon am frühen Abend behandeln können“, sagt Schachinger. „Aber da kann man den Eltern überhaupt keinen Vorwurf machen, denn die Symptome sind schwierig zu erkennen.“ Sie ähneln zunächst einer Grippe.

Gerade deshalb reagierten viele Eltern nervös, als sie von dem tragischen Todesfall erfuhren. So standen zum Beispiel die Telefone in der Spandauer Kinderarztpraxis von Ulli Fegeler am Freitag nicht still. Rund 150 besorgte Eltern riefen an und wollten wissen: „Sind auch unsere Kinder gefährdet? Was können wir vorsorglich tun?“ Alle Kinder, die möglicherweise Kontakt zu dem Jungen hatten, mussten einen Arzt konsultieren und bekamen vorbeugend Antibiotika. Doch für eine solche Behandlung reichte auch schon der Verdacht, dass Jungen und Mädchen auf dem Weg zu anderen Schulen im selben Bus wie Domenick saßen. „Wir sind auf Nummer sicher gegangen“, sagt Kinderarzt Fegeler.

War ein Kontakt mit dem Jungen ausgeschlossen, so rieten die Mediziner von Antibiotika wegen möglicher Nebenwirkungen ab. Meningitis-Bakterien sind latent in der Umwelt und derzeit nicht häufiger als normal verbreitet. Viele Menschen haben sie in ihrem Organismus, leiden aber nicht darunter, weil das Immunsystem intakt ist. Bricht die Krankheit aber aus, so verbirgt sie sich anfangs hinter Erkältungssymptomen. „Es ist immer gleich und ja auch verständlich“, sagt der Zehlendorfer Allgemeinmediziner Wolfgang Kreischer. „Kaum werden schwere Fälle von Hirnhautentzündung bekannt, fürchten Eltern beim ersten Husten oder Schnupfen ihres Kindes eine solche Infektion.“

Einen weiterten Meningitis-Fall gibt es offenbar im Universitätsklinikum Benjamin Franklin. Die 30-jährige Patientin wurde in der Nacht zum Sonnabend mit erhöhter Temperatur, Unwohlsein und weiteren Grippesymptomen gebracht. Es hande sich aber keineswegs um eine ähnlich gefährliche Meningitis-Erkrankung wie in Spandau, sagte ein Sprecher des Klinikums. Die Frau sei in „stabilem Zustand“. Vermutlich sei es eine durch Viren verursachte Hirnhautentzündung. In Spandau führte eine bakteriell ausgelöste Variante der Krankheit zum Tod des Jungen.

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