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Sängerin Marga Bach in ihrem neuen Berliner Mundart-Theater "Berliner Schnauze".

© Mike Wolff

Neues Berliner Mundart-Theater: Komm' Se rin, könn' Se rauskieken!

Kästner, Waldoff und Spree-Comedians von heute: Marga Bach hat ihr MundART-Theater „Berliner Schnauze“ in Friedrichshain eröffnet - ohne verkitschtes Zille-Milieu.

Ganz schön mutig, diese Frau. Inflation knapp zwei Prozent, Anlagezinsen gegen null, die Ersparnisse schwinden. Kurz, viele Leute haben heutzutage weniger Geld. Klar, dass sie zuallererst am Vergnügen sparen. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt gründet Marga Bach ein neues Theater.

Jetzt sitzt sie auf dem knallroten Plüschsofa im neu gestalteten Theaterfoyer an der Karl-Marx-Allee 133, gleich rechts neben dem „Kino Kosmos“ in Friedrichshain. Gelbe Flip-Flops, schwarze Hose, rosa Jacke, blonde Haare, lebhafter Blick hinter der Brille, Typ: Rampensau mit großem Herzen – und sie versichert: „Ich glaube an meine Idee.“

Der Traum vom eigenen Theater

Es ist der Traum von ihrem eigenen Mundart-Theater, auf dessen Bühne der Berliner Dialekt niveauvoll bewahrt werden soll: mit Chansons von Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Claire Waldoff & Co., aber auch mit zeitgenössischen Songs und komödiantischen Moderationen. Ähnliche Theater gibt's zwar schon, zum Beispiel im Berliner Westen, am S-Bahnhof in Lichterfelde-Ost. Schauspielerin und Sängerin Katja Nottke führt dort "Nottkes das KiezTheater" seit 15 Jahren erfolgreich. Aber nun setzt Marga Bach in Ost-Berlin nach. „Andere gehen in meinem Alter langsam in Rente“, sagt die gut Sechzigjährige und lacht. „Ich mache ein Theater auf.“

Große Klappe, scharfe Sprüche

Der Ort ist ein Glücksfall. Nicht jwd, sondern mittenmang. Man nimmt die U5 vom Alexanderplatz bis zum U-Bahnhof Weberwiese, steigt die Treppen hinauf und steht mitten in der Zuckerbäcker-Architektur der früheren Stalin- und heutigen Karl-Marx-Allee. Jetzt sind es nur noch ein paar Schritte bis zu den großen Fenstern des lichten Theaterfoyers.

Die schönen Messingportale stehen weit offen, „MundART & Comedy-Theater Berliner Schnauze“, verkündet ein Schild darüber. Blick zur Bar. „Komm’ Se rin, könn’ Se rauskieken“, steht am Tresen. Wer als Passant vorbeiläuft, fühlt sich gleich eingeladen. Im kuscheligen Theatersaal, braunrote Wände und Stuhlkissen, gut 50 Plätze, probt gerade ein Gesangsduo.

Da eilt Marga Bachs Sohn Pepe (32) herbei, auf dem Arm eine Holzplastik, die Überraschung für seine Mutter. Es ist der Berliner Fernsehturm im Gute-Laune-Modus. Dort, wo sich das Aussichtsrestaurant in der Kugel dreht, hat der Turm einen knallrot geschminkten Clownsmund. Die Skulptur ist das Maskottchen ihres Theaters und gibt die Losung aus: Große Klappe, scharfe Sprüche. Pepe hat sie mit der Kettensäge gestaltet.

Keine Frage, Marga Bachs ganze Familie hilft derzeit beim Start des Theaters mit. Flyer gestalten, Kartenverkauf, Getränke ranschleppen. Sie selbst findet ihre neue Rolle als Theaterdirektorin „superspannend“. Auf der Bühne steht sie als Komödiantin und Kabarettistin seit ihrem vierzigsten Lebensjahr, folglich kann sie zur offiziellen Eröffnung ihres „Wohnzimmer-Theaters“, wie sie es auch gerne nennt, am 1. September gleich doppelt anstoßen: zum einen aufs neue Etablissement, zum anderen auf ihr zwanzigjähriges Kleinkunst-Jubiläum.

Berliner Dialekt mit der Muttermilch

Apropos Kleinkunst. Das ist ja keineswegs kleine Kunst, sondern Kunst im kleineren Rahmen mit Künstlern zum Anfassen, die Geschichten, Charaktere und Themen rasch mal berührend, mal humorvoll auf den Punkt bringen. Dies hat Marga Bach schon früh fasziniert, als sie in Strausberg am Ostrand Berlins aufwuchs und mit 14 Jahren Gesangsunterricht nahm. Nach der Schule kam sie aber erst über Umwege zur Bühne. Sie lernte Theatermaler, studierte Journalistik, arbeitete als Geschäftsführerin, bis sie sich nach der Wende fragte: „Wat’n nu?“ Und sich nach einer schweren überstandenen Krankheit sagte: „Das kann nicht alles gewesen sein!“

Konsequenz: Sie stieg aus allen Jobs aus, bekannte sich ganz und gar zu ihrer großen Liebe, der Kleinkunst, nahm Schauspielunterricht, stand 1998 erstmals auf einer öffentlichen Bühne, tourt seither durch Deutschland – und singt und entertaint grundsätzlich im Berliner Dialekt. Den hat sie ja schon mit der Muttermilch aufgesogen. Schließlich war die Berliner Mundart im Alltag hinter der Mauer allgegenwärtig. „Wer berlinerte, war bei uns akzeptiert“, sagt Marga Bach. Während viele West-Berliner Eltern ihren Kindern den Dialekt eher als unfein austrieben. Ein wenig ist dieser Gegensatz ja bis heute geblieben.

Kabarettisten mit eigenen Programmen

Marga Bachs erste Schritte zum eigenen Theater führten sie recht bald ins Parterre der Karl-Marx-Allee 133. Dort befand sich bis zum Mai dieses Jahres das Kabarett „Charly M“. Doch nach etwa zwölf Jahren gab dessen festes kleines Ensemble nun auf, Bach hatte davon gehört, es gelang ihr, die Räume zu mieten und rasch umzubauen. An diesem Sonnabend steigt nun die Eröffnungsgala, sie ist schon ausverkauft.

Aber danach geht’s weiter, erst in der Premierenwoche bis zum 7. September und anschließend sechsmal pro Woche mit Berliner Kabarettisten, die jeweils ihre eigenen Programme spielen. Bis Dezember sind das Siegrid Grajek, Klaus-Peter Grab und Natascha Petz, weiter Harald Effenberg, Sabine Genz, Franziska Hausmann, Thomas Schmitt, Wolf-Dietrich Fruck, Guyliane Hemmer und die Red Shoe Boys.

"Frech wie Rotz" als Helga Hahnemann

„Logisch“, sagt Marga Bach, „dass sie alle berlinern können.“ Sie selbst kommt mit Norbert Schultz oder Wolfram Lauenburg „frech wie Rotz“ als Helga Hahnemann auf die Bühne. Ihre Fans lieben sie als „Henne“ vom „Kessel Buntes“, tatsächlich ähnelt sie in Stimme, Körperfülle und Temperament verblüffend der einstigen DDR-Entertainerin mit der schnodderigen Berliner Schnauze. Allerdings: Sie will „kein Abklatsch“ sein. Und auch kein „schnulziges Zille-Milieu“ bieten, wie es manche Touristenlokale kultivieren. Zumal dies dem Werk des Berliner Zeichners und Fotografen keinesfalls gerecht wird.

Leicht wird es nicht sein, diesen Kurs zu halten. Mundart-Theatern eilt ja der Ruf voraus, ins Kitschige abzugleiten. Ebenso wie manchen der heutigen Comedians. Aber die Kleinkunst der zwanziger und dreißiger Jahre im Berliner Jargon gibt die Richtung gut vor. Namhafte Dichter, Komponisten und Interpreten haben mit ihren Chansons und waschechten kabarettistischen Texten ein eigenes intelligentes Genre geschaffen und Maßstäbe gesetzt.

So könnte es an der Karl-Marx-Allee 133 klappen. Marga Bach wirft dem hölzernen TV-Turm mit dem fröhlichen Gesicht ein Küsschen zu. „Na ja, ein bisschen Mut zum Risiko muss sein.“ Jenau, det isses.

MundART-Theater Berliner Schnauze, www.berliner-schnauze-theater.com, Tel. 42 02 04 34.

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