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Meister und Schüler. Dirigent Simon Rattle (links vorne) und sein Musikernachwuchs.

© Promo

Musikunterricht: Karajan macht Schule

Seit 40 Jahren bildet die Orchester-Akademie den Musikernachwuchs der Philharmoniker aus. Heute ist Festkonzert.

Auf so ein Probespiel warten viele: Der 23-jährige Thomas Schleicher steht mit seiner Trompete den Berliner Philharmonikern gegenüber – es ist schon eine Ehre, überhaupt eingeladen zu werden. 20 andere Bewerber sind ebenfalls zum Vorspielen für die Orchester-Akademie gekommen, unter ihnen die 20-jährige Noemi Makkos, die Schleicher bereits seit längerem kennt: Beide haben zuvor am Salzburger Mozarteum studiert. Jeder der Bewerber spielt perfekt, da kommt es auf die kleinsten Nuancen an. Nur zwei Plätze für Trompeter vergibt die Akademie diesmal. Nach drei Runden sind sie besetzt – die Wahl ist auf Schleicher und Makkos gefallen.

Damit ist ein Traum wahr geworden: Im September haben die beiden ihr zweijähriges Stipendium bei der Akademie begonnen, die am Sonntag ihr 40. Jubiläum feiert. Sie üben regelmäßig in der Philharmonie, bekommen Einzelunterricht und arbeiten mit dem Orchester – eine Mischung aus Post-graduate-Studium und Praktikum. „Es ist das Ziel jedes klassischen Musikers, bei den Berliner Philharmonikern zu spielen“, sagt Schleicher, „als Kind hätte ich mir nie träumen lassen, mal hier zu sein.“ Die aus Ungarn stammende Makkos nickt zustimmend.

Das strenge Auswahlverfahren für die 20- bis 25-jährigen Bewerber hat sich seit 1972 nicht verändert, erklärt Juliane Wandel, die Geschäftsführerin der Orchester-Akademie. In jenem Jahr war das Nachwuchsförderprogramm von Herbert von Karajan gegründet worden. Es war die erste Akademie zur Förderung des Profimusiker-Nachwuchses überhaupt, eine geniale Idee. Bald gründeten auch andere Orchester nach dem Vorbild der Philharmoniker eigene Akademien.

Klang des Blechs. Die Trompeter Noemi Makkos und Thomas Schleicher sind glücklich, ein Stipendium bei der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker ergattert zu haben.
Klang des Blechs. Die Trompeter Noemi Makkos und Thomas Schleicher sind glücklich, ein Stipendium bei der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker ergattert zu haben.

© Thilo Rückeis

Die Anfänge waren zunächst bescheiden: Drei Plätze gab es im Gründungsjahr, aber die Kapazitäten wuchsen schnell, heute sind es 30. Bei den Probespielen kommen auf einen Platz bis zu 80 Bewerber. Auf die Frage, welche Instrumente am schwierigsten zu besetzen seien, antwortet Juliane Wandel: alle. „Es kann sogar sein, dass nach der ersten Probespiel-Runde abgebrochen wird und es heißt: Diesmal ist kein geeigneter Kandidat dabei.“

Ziel der Orchester-Akademie ist es, jungen Musikern, die bereits einen exzellenten Hochschulabschluss gemacht haben, die Möglichkeit zu geben, im richtigen Orchesterbetrieb zu spielen – denn diese Erfahrung fehlt vielen. „Es ist ein ganz anderes Gefühl im Orchester zu spielen“, sagt Makkos. „Das erste Konzert hier war für mich etwas echt Besonderes: Der Saal war voll besetzt und wir haben Charles Ives’ zweite Symphonie unter der Leitung von Ingo Metzmacher gespielt.“ Diese positiven Erfahrungen kann Schleicher nur bestätigen: „Man wird hier wirklich gut aufgenommen.“ Im wahrsten Sinne des Wortes: 32 der derzeit 128 Mitglieder der Berliner Philharmoniker sind ehemalige Stipendiaten. Der aus Nürnberg stammende Schleicher ist momentan einer der wenigen aus Deutschland. Im Durchschnitt betrage die Verteilung je ein Drittel aus Deutschland, Europa und aller Welt“, sagt Wandel. Mehr als 600 Musiker aus allen Nationen haben die Akademie seit der Gründung erfolgreich durchlaufen.

Ein ambitioniertes Projekt, das nur dank Mäzenen aus Industrie, Wirtschaft und Bankwesen möglich ist. Einige der Spender fördern die Akademie seit 1972. Dennoch ist es laut Wandel gegenwärtig schwieriger als früher, die Finanzierung zu stemmen, da viele Unternehmen eher dazu tendieren, Sport zu fördern. Aktuell belaufen sich die Kosten eines Stipendiums auf etwa 20 000 Euro, der jährliche Haushalt der Akademie liegt bei etwa 600 000 Euro.

Zum Jubiläum am heutigen Sonntag haben sich mehr als 300 ehemalige Akademisten angesagt. 128 von ihnen werden unter Simon Rattle bei einem Festkonzert am Nachmittag Anton Bruckners achte Symphonie spielen. Thomas Schleicher freut sich schon auf seine Vorgänger: „Ich will auf jeden Fall mit den früheren Stipendiaten ins Gespräch kommen!“ Gelegenheit dazu wird er haben, er nimmt vor dem Konzert noch an einer Podiumsdiskussion teil. Das Thema? Natürlich die Geschichte der Akademie.

Philharmonie, Herbert-von-Karajan- Straße 1, Tiergarten, Festkonzert: Sonntag 16 Uhr, 23–70 Euro. Im Foyer läuft eine Ausstellung zur Orchester-Akademie

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