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Nach 1.000-Mann-Razzia: 13 Bandidos in Haft

Der Schlag gegen die Bandidos gilt als gelungen: Dreizehn Personen wurden festgenommen, darunter ein per Haftbefehl gesuchter Rocker aus Dänemark. Die Eliteeinheit GSG 9 half beim Großeinsatz. Und Innensenator Henkel kündigt an: Das war nicht der letzte Schlag gegen die Szene.

Die Rocker in der Region finden keine Ruhe mehr: 1100 Polizisten – darunter die Anti-Terror-Einheit GSG 9 – haben am Donnerstag zahlreiche Räume von Männern der Bandidos durchsucht. Die Bruderschaft gilt auch international als wichtigste Rockergruppe nach den Hells Angels.

Die Ermittler sind schon seit Juli 2011 vor allem den Bandidos aus Hennigsdorf im Berliner Norden auf der Spur. Es geht um Drogenhandel im großen Stil, die Bandidos sollen die Geschäfte in der Hauptstadtregion dominiert haben: Mit Kokain, Marihuana, Amphetaminen und dem Schmerzmittel Tilidin, das in einschlägigen Kreisen als Angstblocker genutzt wird.

Insgesamt wurden 79 Objekte in Berlin und Brandenburg durchsucht, dreizehn Personen festgenommen, acht sitzen in Untersuchungshaft. Zufällig wurde ein per Haftbefehl gesuchter Rocker aus Dänemark gefasst. Die Polizei beschlagnahmte ein Chemielabor, mit dem mutmaßlich Drogen hergestellt wurden. Daneben wurden Waffen, darunter Gewehre und eine abgesägte Schrottflinte, zwei gestohlene Motorräder, Autos, Drogen und Testosteron-Ampullen sichergestellt.

In Hennigsdorf, wo die Bandidos seit 2011 in einem heruntergekommenen Vereinsheim mit ihrem Chapter „Del Este“ residieren, rückten GSG-9-Spezialkräfte mit Schlagbohrer und Blendgranaten an. Über der Stadt kreiste ein Polizeihubschrauber. Über Leitern drangen die maskierten Beamten in das Clubhaus ein. Sie erschossen – wie kürzlich bei einer Razzia gegen einen bundesweit bekannten Hells Angel in Hannover – einen Hund. Im Clubhaus selbst trafen die Beamten ein Kind, vier Frauen und sechs Männer, die offenbar völlig überrascht wurden. Unter ihnen war auch Thorsten S., der Präsident des Chapters, also der Chef der lokalen Bandidos-Dependance. Er wurde zur Vernehmung nach Berlin abgeführt, schließlich wird das Verfahren von der Berliner Staatsanwaltschaft geleitet. Viele der Bandidos waren in Fitnessstudios, Bars und Nachtclubs der Hauptstadt aktiv. In den 90ern war Rockerchef S. selbst Polizist, wurde aber wegen eines Raubüberfalls verurteilt.

Erst kürzlich waren tausende Polizisten gegen Hells Angels und Bandidos im Einsatz. Am Dienstag suchten Beamte in Nordrhein-Westfalen nach Verdächtigen im Fall eines lebensgefährlichen Streits zwischen Hells Angels und Bandidos. Fast zeitgleich gab es eine Razzia im Hells-Angels-Treff in Potsdam. Zuvor hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) Verbotsverfahren gegen zwei Hells-Angels- und eine Bandidos-Dependance eingeleitet: Die Rocker waren aber offenbar darüber informiert, sie lösten ihre Clubs kurz zuvor weitgehend auf.

Immer wieder war bekannt geworden, dass Rocker an interne Informationen der Behörden kommen. Im Jahr 2006 hatten Fahnder bei einem Bandidos-Mitglied aus dem Umfeld von Thorsten S. eine Liste mit Kennzeichen ziviler Polizeifahrzeuge gefunden – sie stammten von einem Brandenburger Beamten. Allein in den vergangenen 15 Monaten hat es in Berlin zwei Verfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen in Rockerkreisen gegeben. Zuvor war 2010 ein 24-jähriger Polizist erwischt worden, der einem ebenfalls erst 23 Jahre alten Jugendfreund einen Gefallen tun wollte. Der Freund war Mitglied der kürzlich von Senator Henkel verbotenen Hells Angels in Reinickendorf – und war vor Razzien im Vereinsheim in der Residenzstraße gewarnt worden, nachdem der junge Beamte in den Polizeicomputer geschaut hatte.

In Justizkreisen wird die gelegentliche Nähe zwischen ehemaligen oder aktiven Beamten und Rockern so beschrieben: „Viele Polizisten stehen auf Sport, vor allem Kraft- und Kampfsport – und viele Rocker stehen auf Sport, vor allem Kraft- und Kampfsport. Und so sieht man sich eben in Studios und auf Wettkämpfen.“ Dass darüber hinaus sowohl für einige Polizisten als auch für Rocker zur Schau gestellte Männlichkeit, Abenteurertum und Loyalität hoch im Kurs stünden, mache es für Beamte manchmal schwer, hinter dem Kumpel vom Bankdrücken einen Gegner zu sehen.

Die Funktionäre der Gewerkschaft der Polizei fordern vielleicht auch wegen des relativen Erfolgs der Rocker im Umgang mit Behörden vehement ein Verbot der Bruderschaften.

Dass am Donnerstag auch die GSG 9 im Einsatz war, erklärt die Polizei mit der Vielzahl der zu durchsuchenden Objekte, allein 50 in und um Hennigsdorf und knapp 30 in Berlin. Normalerweise wird die Eliteeinheit des Bundesinnenministeriums bei Antiterroreinsätzen angefordert, für Razzien gegen Rocker sind meist die Spezialeinsatzkommandos der Bundesländer da – nur die waren am Donnerstag schon fast komplett in der Hauptstadtregion im Einsatz. Offiziell wird ein Zusammenhang mit dem Verbot der Hells Angels vorige Woche verneint. Ermittler allerdings sprechen von einer zeitlich angepassten Aktion, um die Szene auf beiden Seiten im Gleichgewicht zu halten.

Das Chapter „Del Este“ mit seinen 20 Mitgliedern und 50 Anhängern gilt als besonders aktive Dependance der Bandidos. In Hennigsdorf fiel die Gruppe schon eine Weile auf, bereits im März gab es eine Razzia. Ermittler suchten nach einer Pistole.

Vor vier Jahren waren Bandidos in Hennigsdorf von rivalisierenden Rockern aus dem Umfeld der Hells Angels angeschossen worden. Die Hennigsdorfer Bandidos hatten auch ihre Hilfe als Sicherheitsdienst angeboten.

Vergangenes Jahr erließ die Polizei für ein Stadtfest ein Kuttenverbot. Auf den szenetypischen Lederwesten wird die Clubzugehörigkeit und der individuelle Status in der Hierarchie der Bruderschaft zur Schau gestellt.

Ein Sprecher der Bandidos äußerte sich am Donnerstag auf Nachfrage nicht zu der Razzia. Innensenator Henkel dagegen kündigte an, die Rockerszene weiter unter Druck zu setzen. „Das wird nicht der letzte Schlag gewesen sein.“

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