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© Julius Geiler

Update

20 verletzte Polizisten, 65 Strafverfahren: Berliner Polizei zieht Bilanz nach eskalierten Pro-Palästina-Kundgebungen in der Nacht

Am Brandenburger Tor versammelten sich Hunderte Menschen; Polizisten mussten das Holocaust-Mahnmal schützen. In Neukölln wurden Barrikaden entzündet und Einsatzkräfte angegriffen.

| Update:

Nach Ausschreitungen in Neukölln und Mitte hat die Berliner Polizei am Mittwochnachmittag Bilanz gezogen. In der Nacht war es zu Straßenkämpfen zwischen der Polizei und gewaltbereiten pro-palästinensischen Protestierenden gekommen. Diese hatten Einsatzkräfte der Polizei mit Steinen, Flaschen und Böllern angegriffen. Die Polizei war mit Wasserwerfern vor Ort. Dennoch schien die Lage lange Zeit nicht unter Kontrolle.

Laut einer Mitteilung der Polizei war diese vom Abend bis in die Morgenstunden mit gut 360 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. 20 Einsatzkräfte wurden verletzt, zwei von ihnen mussten ihren Dienst beenden. Insgesamt habe es 39 Freiheitsbeschränkungen, 65 eingeleitete Strafermittlungsverfahren und zwölf eingeleitete Ordnungswidrigkeitsverfahren gegeben.

Pyrotechnik und Straßenbarrikaden

Nachdem in den Sozialen Netzwerken zu einer nicht angezeigten Versammlung um 18 Uhr am Hermannplatz in Neukölln aufgerufen worden war, hätten Einsatzkräfte dort zunächst nur vereinzelt Personen angetroffen, die dem Aufruf gefolgt waren. Nachdem die Einsatzkräfte die Personen angesprochen hatten, entfernten sich diese vom Hermannplatz. Die Polizei war laut eigenen, früheren Angaben mit mehreren Einsatzhundertschaften vor Ort.

Gegen 18.30 Uhr zündeten der Mitteilung zufolge in der Pannierstraße dann etwa zehn vermummte Personen Pyrotechnik und entfernten sich anschließend in Richtung Donaustraße. Bis 21.45 Uhr sei es im Bereich der Sonnenallee, Pannierstraße, Donaustraße, Reuterstraße und Weserstraße immer wieder zu Ansammlungen von bis zu 100 teils vermummten Personen gekommen. „Aus den Gruppen heraus kam es zum Abbrennen von Pyrotechnik und zum Errichten von Barrikaden auf den Fahrbahnen“, teilte die Polizei mit. Die Personen seien von den Einsatzkräften des Platzes verwiesen worden.

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Bei den polizeilichen Maßnahmen seien die Einsatzkräfte körperlich bedrängt, mit Pyrotechnik und Steinen beworfen worden. Zudem seien volksverhetzende und israelfeindliche Parolen gerufen wurden. Die Einsatzkräfte hätten daraufhin „unmittelbaren Zwang in Form von körperlicher Gewalt und Pfefferspray ausgeübt“. Mehrere Polizistinnen und Polizisten seien dabei verletzt worden. Auf einem Video, das online kursiert, ist zu sehen, wie Böller direkt unter einer Gruppe von Polizist:innen explodieren, als diese gerade in einen Mannschaftswagen einsteigen wollen.

Volksverhetzende und israelfeindliche Parolen

Parallel dazu wurde anlässlich eines Raketeneinschlags an einem Krankenhaus im Gazastreifen eine pro-palästinensische Spontanversammlung am Pariser Platz in Mitte angezeigt. Diese wurde von der Polizei mit Beginn 21.15 Uhr als Mahnwache mit 350 Teilnehmenden zugelassen. Während der Mahnwache wurden laut Polizei friedlich und im stillen Gedenken Teelichter entzündet. Die Versammlung wurde um 22 Uhr beendet.

Pro-palästinensische Versammlung am Brandenburger Tor.
Pro-palästinensische Versammlung am Brandenburger Tor.

© Julius Geiler

Gegen 22.10 Uhr versammelten sich laut Polizei etwa 100 pro-palästinensisch eingestellte Personen, die nicht Teilnehmende der Versammlung am Pariser Platz gewesen seien, am Platz des 18. März und riefen volksverhetzende und israelfeindliche Parolen.

Die Polizei habe die Gruppe mehrfach über Lautsprecher angesprochen und auf das Verbot von pro-palästinensischen Ersatzversammlungen verwiesen. Die Personen seien Aufforderungen, sich zu entfernen, jedoch nicht nachgekommen. Bis 22.35 Uhr sei die Gruppe auf 700 Personen angewachsen. Aus der Versammlung heraus wurden die Einsatzkräfte in der Straße des 17. Juni Ecke Simsonweg mit Flaschenwürfen angegriffen, hieß es.

Behelmte Polizeibeamte bewachen das Holocaust-Mahnmal.
Behelmte Polizeibeamte bewachen das Holocaust-Mahnmal.

© Julius Geiler

Gegen 22.50 Uhr entfernten sich den Angaben nach schließlich etwa 300 Personen in Richtung Potsdamer Platz. Das von der Polizei geschützte Holocaust-Mahnmal hätten die Teilnehmenden dabei ohne Vorkommnisse passiert. Behelmte Polizist:innen einer Hundertschaft, manche mit Hund, bewachten das Denkmal auf der gesamten westlichen Seite in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor.

Währenddessen versuchten laut Polizei rund 60 Menschen, den Fahrzeugverkehr auf der Straße des 17. Juni zu blockieren, indem sie sich auf die Fahrbahn setzten. Dies sei von Einsatzkräften verhindert worden. Eine Person sei nach volksverhetzenden und israelfeindlichen Äußerungen festgenommen worden. Gegen Mitternacht habe sich auch diese Gruppe in Richtung Potsdamer Platz entfernt.

Eskalation in der Nacht in Neukölln

Im Laufe der Nacht eskalierte die Situation dann in Neukölln. Gegen 23.10 Uhr seien von rund 60 teils vermummten Personen mehrere Müllcontainer auf die Fahrbahn der Sonnenallee Ecke Reuterstraße gebracht und angezündet worden. Der Fahrzeugverkehr wurde blockiert. Die 40 alarmierten Einsatzkräfte der Feuerwehr wurden während der Löscharbeiten mit Pyrotechnik beworfen.

Auch in den Nebenstraßen brachten der Polizei zufolge immer wieder Personengruppen brennende Gegenstände auf die Fahrbahnen. Einsatzkräfte und Polizeifahrzeuge wurden mit Steinen beworfen. Wie die Berliner Feuerwehr auf X, ehemals Twitter, mitteilte, brannten neben Barrikaden auch E-Scooter und ein Kinderspielplatz.

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Anwohner:innen halfen dabei, die Straßen von den brennenden Gegenständen zu befreien. Ein Mann vor Ort sagte: „Ich bin selber Moslem, aber das ist die absolute Katastrophe. Die machen alles kaputt.“

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Die Polizei setzte Pfefferspray, Schlagstöcke und einen Wasserwerfer ein. Nachdem mehrere Personen erneut Steine auf die Einsatzkräfte geworfen hätten, sei es zu Festnahmen gekommen, wobei mehrere Einsatzkräfte verletzt wurden.

Ein Zeuge stellte gegen 1 Uhr an der Neuköllnischen Allee eine brennende Mülltonne auf einem Sportplatz fest. Alarmierte Einsatzkräfte konnten den Brand selbstständig löschen. Während des Einsatzes stellten die Einsatzkräfte Sachbeschädigungen mit pro-palästinensischem Inhalt in unmittelbarer Nähe fest.

Gegen 1.30 Uhr wurde ein brennender Müllcontainer in der Treptower Straße an der dortigen High-Deck-Siedlung festgestellt und von der Feuerwehr gelöscht. Fotos in den Sozialen Netzwerken zeigten brennende Straßenbarrikaden an eben jener Stelle, an der während der Silvester-Krawalle vor gut zehn Monaten ein Reisebus ausgebrannt war.

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Wie am Mittwochmorgen bekannt wurde, gab es gegen 3 Uhr darüber hinaus einen versuchten Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum an der Brunnenstraße in Mitte. Unbekannte hatten zwei Molotowcocktails in Richtung des Gebäudes geworfen, in dem sich unter anderem eine Synagoge und eine Talmud-Thora-Schule befinden. Die Molotowcocktails verfehlten das Gebäude laut Polizei jedoch und landeten auf dem Bürgersteig, wo sie erloschen.

Die Gruppe „Samidoun“, die zur Terrororganisation „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ gehört, postete am Abend Bilder von brennenden Barrikaden in Neukölln mit dem Aufruf „Sonnenallee jetzt“. Die Gruppe, die in Berlin rund 30 Aktive zählt, hatte am Tag der Anschläge auf Israel in Neukölln Süßigkeiten auf der Straße verteilt, um damit die tödlichen Angriffe der Hamas zu feiern.

Auf zahlreichen Videos in den sozialen Medien, vom Brandenburger Tor und später aus Neukölln, waren neben Ausrufen wie „Free, free Palestine“ auch Ausrufe wie „Israel Terrorstaat!“ und „Allahu Akbar!“ zu hören.

Zu dem Protest am Brandenburger Tor hatte auch der Clan-Boss Arafat Abou-Chaker via Instagram mehrfach aufgerufen. Zudem postete er die Daten einer von der Polizei verbotenen Demonstration, die für Mittwochnachmittag angemeldet war und von Neukölln zum Kottbusser Tor führen sollte.

Mutmaßlich stehen die Aktionen an verschiedenen Orten in Berlin in Verbindung mit den aktuellen Entwicklungen im Nahost-Konflikt: Am Dienstagabend war eines der größten Krankenhäuser in Gaza unter Beschuss geraten.

Der Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, sagte am Mittwoch: „Die Bilder vom gestrigen Abend zeigen deutlich, dass wir auf den Straßen der Hauptstadt die Auswirkungen eines Glaubenskriegs erleben und unsere Einsatzkräfte zu Zielscheiben eines religiösen Fanatismus werden, der sich mit zunehmender militärischer Lage noch stärker zeigen wird.“

Es sei „erschreckend, dass wir in Berlin Polizeiketten benötigen, um Gedenkorte für die Millionen Opfer des Nationalsozialismus vor blankem Hass zu schützen und Brandsätze auf jüdische Einrichtungen geworfen werden“, sagte Weh weiter. Für extremistische Anschläge und die Verherrlichung von Terrororganisationen sei in unserer Demokratie „kein Millimeter Platz“.

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„Als Anhänger der Terrororganisation Hamas ihre antisemitischen Parolen auf den Straßen Berlins ausspuckten, wurde eine Synagoge mit Molotowcocktails angegriffen“, teilte die israelische Botschaft am Mittwoch mit. „Wir vertrauen darauf, dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden diesen Fall mit unerschütterlicher Härte behandeln werden.“

So reagiert die Politik

Der Innenexperte der CDU, Burkhard Dregger, hat das Vorgehen der Polizei bei den pro-palästinensischen Protesten in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch gelobt. „Die Polizei Berlin macht einen großartigen Job“, sagte er. Nicht zufrieden sei er aber mit den bisherigen Präventionsprogrammen, die das Land Berlin finanziere und von zivilgesellschaftlichen Organisationen ausgeführt würden. „Wann endlich schaffen die es, den Umstand zu thematisieren, dass die Hamas der größte Feind der Palästinenser ist?“, fragte er.

Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte, es gebe „keine Entschuldigung für Steine auf Polizeibeamtinnen und -beamte und Pyro gegen Feuerwehrkräfte“. Es überzeuge niemanden, mit Gewalttaten gegen die Gewalt im Nahen Osten zu demonstrieren. Der Innenexperte der Linksfraktion, Niklas Schrader, plädierte für ein differenziertes Vorgehen durch die Sicherheitsbehörden. Die vergangene Nacht habe gezeigt, dass es ein hohes Konfliktpotential in der Stadt gebe.

Vasili Franco, Innenexperte der Grünen, nannte das Handeln der Einsatzkräfte „besonnen, aber konsequent“. „Wo Straftaten geschehen, wird weiterhin eingeschritten“, sagte er. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Karsten Woldeit, lobte die Einsatzkräfte als vorbildlich, warnte aber zugleich davor, dass die Gewalt immer weiter eskaliere und „dass die Einsatzkräfte an ihre Grenzen stoßen“.

Immer wieder ist es seit dem Angriff der Hamas auf Israel trotz polizeilicher Verbote zu pro-palästinensischen Kundgebungen in Berlin gekommen, wie zuletzt am Sonntag auf dem Potsdamer Platz. Dort versammelten sich rund tausend Menschen; auch dort eskalierte die Situation, es kam zu Rangeleien mit der Polizei.

Polizei verbietet weitere Demos

Derweil setzt die Polizei ihre Strategie der Verbote von Demonstrationen fort, die sich für Palästina einsetzen und gegen Israel richten. Zwei für diesen Mittwoch und Donnerstag angemeldete Demonstrationen wurden untersagt, wie die Polizei am Dienstag mitteilte.

Zur Begründung hieß es erneut, die Erfahrungen hätten gezeigt, dass es zu „volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen“, Gewaltverherrlichungen und Gewalttaten kommen könne. Betroffen waren eine „Demo in Solidarität mit Palästina“ in Neukölln und eine „Kundgebung mit Kerzen als Andenken an die Opfer im Gazastreifen“ am Potsdamer Platz.

Ähnliche Titel trugen schon frühere Demonstrationen palästinensischer Gruppen, die nicht stattfinden durften. Die erneuten Verbote gelten auch für Ersatzveranstaltungen bis zum 27. Oktober. Frühere Verbote wurden von Gerichten bestätigt. Für die nächsten Tage sind auch weitere Demonstrationen zu dem Thema angemeldet, auch hier prüft die Polizei noch.

Der Generalsekretär der Berliner FDP, Lars F. Lindemann, forderte am Mittwoch eine Task Force im Kampf gegen Antisemitismus. Diese müsse unmissverständlich zeigen, wie mit dem Thema umzugehen sei. „Die gewaltbereiten Teilnehmer der Anti-Israel-Demos müssen mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden“, forderte Lindemann. „Nach konsequenter Identitätsfeststellung müssen Strafen mit Präventivcharakter folgen, sodass jedem in Berlin klar ist, dass das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat liegt.“ (mit dpa)

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