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Gegenseitige Vorwürfe: Dietmar Woidke und Klaus Wowereit.

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Nachtflugverbot am BER: Die Beziehung zwischen Berlin und Brandenburg ist gestört

Mit seinem Versuch, für mehr Nachtruhe am BER zu sorgen, ist Ministerpräsident Dietmar Woidke endgültig gescheitert. Die Krise im Verhältnis der Länder Berlin und Brandenburg ist tief – und der Streit um den Flughafen nur eines der Symptome.

Als Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) am Mittwoch zur Mittagszeit in Potsdam vor die Presse traten, war die Stimmung zwischen beiden sichtbar frostig. Zu verkünden hatten sie nur eines: Dass am künftigen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld alles wie verabredet läuft. Dass Urlauber und Geschäftsreisende weiterhin bis 0 Uhr oder ab 5 Uhr starten und landen können. Wowereit hat sich durchgesetzt, vermied aber die Pose des Siegers. Woidke musste seine Niederlage eingestehen und zeigte Trotz.

Auch wenn beide die Frage, ob die Beziehung beider Länder auf einem Tiefpunkt angelangt sei, wortreich verneinten und auf die gute und deutschlandweit einmalige Zusammenarbeit der beiden Bundesländer hinwiesen. Auch wenn Woidke nur von einer „momentanen Enttäuschung“ sprach. Fest steht: Die Beziehung ist trotz enger Verflechtungen, obwohl beide aufeinander angewiesen sind, gestört. Die letzte gemeinsame Kabinettssitzung, einst in aller Regelmäßigkeit abgehalten, fand im Frühjahr 2012 statt, als die Eröffnung des BER abgeblasen worden war. Dabei wären Gespräche angebracht.

Die Dauer-Krise verschärft sich

Im Justizbereich ist die Zusammenarbeit bei mehreren Projekten gescheitert, über einen gemeinsamen Jugendarrest laufen noch Gespräche. Streit gibt es um den Chefposten des Medienrates, Brandenburg erhebt Anspruch darauf, Berlin lehnt das ab. Durch den Streit um das Nachtflugverbot ist die Dauer- Krise zwischen den Partnern noch einmal verschärft worden, in den vergangenen Monaten waren teils harte Worte gefallen: dort die arroganten Berliner, auf der anderen Seite der Landesgrenzen die provinziellen Brandenburger.

Das Nachtflugverbot ist gekippt.
Das Nachtflugverbot ist gekippt.

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Und nun haben Berlin und der Bund, vor allem aber Berlins Regierender, Brandenburg auflaufen lassen und alle Forderungen nach einem schärferen Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr in allen Gremien abgeschmettert – vor Wochen im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, zuletzt am gestrigen Mittwoch bei der Gesellschafterversammlung in Potsdam. Selbst mit seinem Kompromissvorschlag, das Nachtflugverbot nur am Morgen von 5 auf 6 Uhr um eine Stunde zu verlängern, ist Wowereits Parteifreund Woidke am Widerstand von Berlin und dem Bund gescheitert. Woidke beschwerte sich, dass Berlin und der Bund sich nicht einmal inhaltlich mit dem Anliegen befassen wollten. Er beklagte die „fehlende sachliche Diskussion über unsere Vorschläge“. Dabei musste selbst Brandenburg bei der zuvor tagenden Gemeinsamen Planungskonferenz einräumen, dass es rechtlich nicht möglich ist, den Planfeststellungsbeschluss nachträglich zu ändern.

Schweres Erbe

Für Woidke war der Kampf um mehr Nachtruhe ein Erbe seines Vorgängers Matthias Platzeck. Der brandenburgische Landtag hatte vor mehr als einem Jahr das Volksbegehren, das erste erfolgreiche überhaupt in der Landesgeschichte, für eine strenges Nachtflugverbot angenommen. Grund war ein Schwenk der rot-roten Regierungskoalition, die damit den Konflikt vor der kommenden Landtagswahl im September entschärfen wollte.

Doch Wowereit bestand auf dem höchstrichterlich bestätigten Status quo: Nachtruhe von 0 bis 5 Uhr, wenige Flügen in den Randzeiten. „Wir gehen auch fest davon aus, dass die Geschäftsführung des Flughafens die Flüge in den Randzeiten auf das absolut Notwendige begrenzt“, sagte er. Das Festhalten der Gesellschafterversammlung an dieser einst von Brandenburger Behörden gefassten Regelung sei „Signal der Verlässlichkeit“.

Wowereit weist Woidkes Kritik zurück

Wowereit wies am Mittwoch auch Woidkes Kritik scharf zurück, Berlin exportiere seinen gesamten Fluglärm mit der Schließung von Tegel nach Brandenburg. „Das Land Brandenburg profitiert erheblich von diesem Flughafen“, sagte Wowereit bissig. „Und die Brandenburger fliegen heute von Tegel.“ Woidke hielt dagegen: „Der heutige Tag hat eindeutig offenbart, wer auf dem Bremspedal steht, wenn es um mehr Nachtruhe für die Anwohnerinnen und Anwohner des BER geht.“ Akzeptanz im Umfeld sei aber ebenso nötig für den Erfolg des Flughafens. Jetzt werde er dafür kämpfen, die Lärmbelastung durch technische und betriebliche Lösungen zu senken – etwa wechselnde Nutzung von Startbahnen in der Nacht, Flugrouten oder auch flugfreie Stunden. Ob das reicht, um den Protest im südlichen Umland zu befrieden, ist fraglich. Die mitregierende Linke will weitere Finanzhilfen für den BER an Zugeständnisse beim Nachtflugverbot koppeln. Und selbst an der Basis der Brandenburg-SPD gibt es Forderungen, die gemeinsame Landesplanung mit Berlin zu kündigen. Soweit will die Landesregierung in Potsdam nicht gehen – noch.

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