
© dpa/Paul Zinken
Umstrittenes Soli-Fest in Kreuzberg: Neuköllner Linke feierte mit Unterstützer einer Terrororganisation
Die Linke in Neukölln lud zu einem propalästinensischen Fest ein. Beteiligt war eine Gruppe, die laut Verfassungsschutz der Hamas und PFLP nahesteht. Eine Gegendemo war vor Ort.
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Am Paul-Lincke-Ufer in Berlin-Kreuzberg richtete die Linke Neukölln am Samstagnachmittag ein propalästinensisches Fest aus – mit einer Gruppe, die den Terrororganisation Hamas und Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) nahesteht. Am späten Nachmittag waren etwa 150 Gäste dabei. Unter den Veranstaltern war das „Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee“, eine extremistische Organisation, die vom Verfassungsschutzbericht beobachtet wird. Die Linke Neukölln bezeichnete die Kritik an der Veranstaltung aus Ausdruck von Rassismus.
Die Junge Liberale Berlin, die jüdische Organisation Werte-Initiative und das Junge Forum – eine Plattform für Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft – hielten vor dem Veranstaltungsort mit Israel-Fahnen eine Gegendemonstration ab.
„Die Linke kann nicht so tun, als wüsste sie nicht, wen sie hier eingeladen hat“, sagte Moritz Wimmer, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Berlin. Er sprach von einer „unheilvollen Allianz zwischen Linksextremisten und Islamisten“. „Eine äußerst bedenkliche Entwicklung innerhalb der Berliner Linkspartei setzt sich fort – alle Hemmungen scheinen gefallen”, lässt sich Elio Adler, Vorsitzender der Werteinitative, in einer Mitteilung zitieren. „Wer gemeinsame Sache mit Hamas-nahen Akteuren macht, disqualifiziert sich selbst für den demokratischen Diskurs.“
Als Redner für das „Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee“, unter deren Dach Anhänger von Hamas und PFLP in Deutschland agieren, trat ein älterer Herr namens Ibrahim Ibrahim auf. Laut Redemanuskript sagte er über die katastrophale Lage der Palästinenser in Gaza: „Ihr Widerstand ist unser Widerstand.“ Neukölln stehe zusammen für Palästina – „und wir stehen mit Euch“. Über die Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober 2023 verlor er kein Wort.
Seit Jahren tritt der 69-Jährige als PFLP-Unterstützer in Deutschland auf. Die linksextreme Terrororganisation lehnt den israelischen Staat ab, deren Mitglieder begingen Anschläge, Attentate und entführten Flugzeuge. In seinen Reden lobte Ibrahim Attentäter als Märtyrer oder die Terrororganisation Hisbollah im Libanon für ihre Opferbereitschaft.
Es war am Sonnabend nicht der erste Auftritt von Ibrahim für die Linke Neukölln. Bereits im Juni trat er bei einer Versammlung der Partei vor dem Rathaus Neukölln als Redner auf, ebenso der Bundestagsabgeordnete Ferat Koçak, der bei der Bundestagswahl in Neukölln das Direktmandat holte.
Kenner werten Ibrahims Auftreten als Teil der Strategie der palästinensischen Terrororganisationen. In Nahost sind diese an Anschlägen, Entführungen und Massakern wie im Oktober 2003 beteiligt. In Berlin organisieren deren Vertreter Proteste für Frieden und gegen Israel. Die Folge: Der Diskurs wird verschoben, Terror als legitimer Widerstand verharmlost.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte zuvor die Solidaritätsveranstaltung als skandalös bezeichnet. „Wer auf das Leid von Menschen hinweisen und dieses anprangern möchte und sich zugleich nicht von schlimmsten Terrororganisationen auf das Schärfste abgrenzt, macht sich in meinen Augen unglaubwürdig“, sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
„Die Bilder der hungernden und notleidenden Bevölkerung in Gaza sind schwer erträglich“, sagte Klein. Viele Menschen in Deutschland empfinden nach seinen Worten Mitgefühl und teils auch Empörung, die sich etwa in Solidaritätsveranstaltungen für Palästina zeige.
Er halte es aber für absolut unabdingbar, dass sich all jene mit ebenso lauter Stimme gegen die Terrororganisation Hamas und an die Seite jener stellten, die seit dem 7. Oktober 2023 von deren Schergen vergewaltigt, verschleppt oder bestialisch ermordet worden seien, sagte Klein. „Darum finde ich es skandalös, dass Die Linke in Berlin eine Veranstaltung in Kooperation mit dem ‚Vereinigten Palästinischen Nationalkomitee‘ plant.“ Die Hamas ist eine sunnitische Islamisten-Organisation, die nach dem Massaker an israelischen Juden im Oktober 2023 auch in Deutschland verboten wurde.
Nationalkomitee wird im Verfassungsschutzbericht erwähnt
Der Antisemitismusbeauftragte verwies auch auf den Berliner Verfassungsschutzbericht, nach dem es sich dabei um eine Dachorganisation handele, in der Anhänger der beiden Terrororganisationen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und Hamas eng zusammenarbeiteten.
Die Linke in Neukölln hatte zu der Veranstaltung unter dem Motto „Neukölln steht zusammen – Solidarität mit den Menschen in Palästina“ aufgerufen. Auf einer Übersicht zum Programm bei Telegram und bei Instagram ist auch das „Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee“ aufgelistet.
Nach Angaben der Berliner Innenverwaltung mobilisiert das „Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee“ (VPNK) seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel zu öffentlichen Versammlungen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt. Dabei würden immer wieder antisemitische oder antiisraelische Propaganda geäußert und das Existenzrecht Israels verneint.
Linke sieht keinen Bezug zur Hamas
Im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 etwa heißt es, dass „Anhängerinnen und Anhänger der Hamas in Berlin vor allem unter der Bezeichnung ‚Vereinigtes Palästinensisches Nationalkomitee‘“ mobilisierten. Im Bericht für 2024 heißt es, unter der Dachbezeichnung VPNK organisierten Anhänger der islamistischen Terrororganisation Hamas gemeinsam mit jenen der säkular ausgerichteten PFLP „zahlreiche Versammlungen, auf denen regelmäßig auch einzelne Hamas-Anhänger als Redner auftraten“.
In einem Statement schrieb die Linke Neukölln bei Instagram: „Wir teilen nicht die Einschätzung des Verfassungsschutzes zum Nationalkomitee“. Der Verfassungsschutz habe sich in der Vergangenheit immer wieder als unzuverlässige Quelle erwiesen. „Seine Quellen legt er nicht offen, Belege liefert er nicht.“ Der Verfassungsschutz diene politischen Zwecken. Weil in Neukölln eine der größten palästinensischen Communitys lebe, sei die Linke angesichts des Leids in Gaza solidarisch.
Kiezkapelle untersagte Versanstaltung
Luis Sanz Jardón, Vizesprecher der Linke Neukölln, verteidigte die Veranstaltung. „Es geht um Solidarität mit Palästina und eine klare Haltung gegen den Völkermord in Gaza“, sagte er dem Tagesspiegel. „Wir wissen, mit wem wir zusammenarbeiten. Es gab und gibt keine Zusammenarbeit mit der Hamas.“ Dass bei jeder Veranstaltung mit der palästinensischen Community reflexhaft eine Distanzierung gefordert werde, zeige aber einen tief sitzenden Rassismus, sagte Sanz Jardon.
An der Solidaritätsveranstaltung gab es bereits von verschiedenen Seiten breite Kritik. Ursprünglich waren dafür Räume in der Kiezkapelle in der Hermannstraße angemietet worden. Nach Bekanntwerden des Festes untersagte der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte als Eigentümer den Auftritt von Islamisten in der Kiezkapelle. Der Betreiber des Kultur- und Nachbarschaftstreffs musste den Vertrag mit den Veranstaltern kündigen. Die Linke Neukölln machte dafür die Berichte mehrerer Medien, darunter der Tagesspiegel, verantwortlich.
Linkspartei musste nach Kreuzberg umziehen
Am Samstagvormittag gab der Bezirksverband auf Instagram bekannt, dass die Veranstaltung stattdessen ab 15 Uhr im „bUm“ in Kreuzberg stattfinden soll. Es befindet sich am Paul-Lincke-Ufer in einem ehemaligen Umspannwerk, in das ursprünglich ein Start-up-Campus von Google ziehen sollte. Das „bUm“ ist laut eigenen Angaben „ein Raum für Engagement und solidarisches Miteinander für Aktivist:innen, Kreativschaffende und engagierte Menschen aus dem Kiez und der Berliner Zivilgesellschaft“. Zuletzt hatte dort Ende Juli eine Solidaritätsveranstaltung für Gaza stattgefunden.
Man lasse sich von der negativen Berichterstattung im Vorfeld nicht einschüchtern, teilte die Linke Neukölln mit. „Wir alle sehen, was in Gaza passiert. Wir lassen uns nicht den Mund verbieten. Wir sind mehr und gemeinsam sind wir stark.“
Neben dem „Vereinigten Palästinensischen Nationalkomitee“ sollen auch Vertreter der Gruppen „Eye 4 Palestine“ und „Gaza Komitee“ an der Veranstaltung teilnehmen. Für Letztere trat laut Einladung „Ramsis“ auf. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich dabei um den im Dezember 2024 aus der Linkspartei ausgeschlossenen Anti-Israel-Aktivisten Ramsis Kilani. (dpa, Tsp)
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