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Neulich landete ein Fahrrad auf dem Gleis – der Zug blieb in Lankwitz liegen.

© Olaf Wagner

Nahverkehr in Berlin: Warum Berlins S-Bahn immer häufiger zickt

S wie Stör-Bahn: Früher galt wenigstens noch der Winter als Ausrede. Jetzt häufen sich die Pannen bei der Berliner S-Bahn. Das hat Gründe. Eine Analyse.

Signalstörung, Weichenstörung, defekter Zug: Es gibt fast keinen Tag ohne Panne bei der S-Bahn. Wie auch wieder am gestrigen Donnerstag, als ein defektes Signal am Ostbahnhof den Betrieb durcheinanderwirbelte. Seit Langem nerven Verspätungen und Ausfälle die Fahrgäste, die häufig ihr Ziel nicht pünktlich erreichen.

Den Ruf, ein zuverlässiges Verkehrsmittel zu sein, hat das einstige Vorzeigeunternehmen längst verloren. Erst machte die Technik vor allem bei Eis und Schnee im Winter schlapp, doch auch im Frühling bei wesentlich milderen Temperaturen sieht es jetzt nicht viel besser aus.

Die Ursachen sind vielfältig. Zum Teil ist noch Uralt-Technik aus der Anfangszeit des elektrischen Betriebs aus den 1920er Jahren im täglichen Einsatz. Wie bei den Signalen mit ihrer mechanischen Sicherungstechnik. Doch auch dort, wo die Moderne Einzug gehalten hat, fallen Anlagen oft aus. Neue Signale mit elektronischer Technik versagten sogar zum Teil tagelang – etwa am Hauptbahnhof und am Ostbahnhof. Auch Defekte an Weichen, einst typisch für den Winter, gehören inzwischen zum Alltag, egal zu welcher Jahreszeit.

Zuständig für die Infrastruktur ist der Bereich Netz der Deutschen Bahn. Die S-Bahn GmbH organisiert nur noch den Fahrbetrieb und die Pflege der Züge. Das Trennen von Betrieb und Infrastruktur ist zwar eine Vorgabe der EU, sie funktioniere bei dem hochkomplexen System S-Bahn aber nicht, sagt Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb. Der Betrieb „aus einer Hand“ habe sich in der Vergangenheit bewährt. Heute sei der Bereich Netz mit der S-Bahn überfordert.

Früher galt die S-Bahn als eines der modernsten Verkehrsmittel weltweit

Auch in der Politik sei der Stellenwert der S-Bahn nur noch gering. In den 1920er Jahren kümmerte sich sogar der Reichsverkehrsminister um die Belange der S-Bahn, die damals als eines der modernsten Verkehrsmittel weltweit galt. Heute lässt die Senatsverkehrsverwaltung zwar den Betrieb ausschreiben, ins Alltagsgeschäft kann sie aber nicht eingreifen. Ihr einziges Druckmittel ist das Kürzen der Zuschüsse, wenn die vereinbarte Leistung nicht kommt.

Ein Problem sind auch die Fahrzeuge, die in die Jahre gekommen sind. Die damals neue Geschäftsführung hat nach der 2009 entstandenen Krise für einen Millionenbetrag versucht, die konstruktiven Schwachstellen zu beseitigen, doch noch immer gibt es Störungen; zuletzt vor allem beim Schließvorgang der Türen. Hierzu tragen auch Fahrgäste bei, die schließende Türen gewaltsam aufhalten, um auf den letzten Drücker ein- oder aussteigen zu können.

Und die S-Bahn muss noch jahrelang mit Fahrzeugen klarkommen, die nach Plan schon ausgemustert sein sollten, weil die früheren Landesregierungen die Ausschreibung für den Betrieb auf dem Ring – und damit den Kauf neuer Züge – jahrelang verschleppt hatten. Paradox: Fällt ein altersschwacher Zug aus, kürzt der Senat den Zuschuss, obwohl er die missliche Lage mitzuverantworten hat.

Ein weiteres Problem: der Personalmangel

Dass man besser werden kann, haben der Bereich Netz und die S-Bahn auf dem Ring bewiesen, wo die Züge lange Zeit am unpünktlichsten waren. Im vergangenen Jahr stellten sie ein Programm auf, das den Austausch von störanfälligen Signal- und Kommunikationskabeln vorsieht. Auch drohende Defekte an Weichen sollen durch den Einsatz moderner Technik schon vor einem Ausfall erkannt werden. 2,1 Millionen Euro sind dafür in diesem Jahr vorgesehen. Die Ausgaben lohnen sich: Die Fahrten sind pünktlicher geworden. Auch auf der Stadtbahn und den Nord-Süd-Strecken soll es ähnliche Projekte geben; rund drei Millionen Euro will die Bahn in diesem Jahr investieren.

Ein weiteres Problem lässt sich nicht mit Geld allein lösen – der Fahrermangel. Offiziell gibt es ihn nicht, doch zuletzt sind häufig Fahrten ausgefallen, weil es zu wenig einsatzfähige Triebfahrzeugführer gab. Die Geschäftsleitung führte den Mangel auf die heftig grassierende Grippewelle Anfang des Jahres zurück. Doch auch ein neuer Tarifvertrag, der den Fahrern mehr Planungssicherheit bei den Schichten gibt, führt dazu, dass der Einsatz nicht mehr so flexibel wie vorher erfolgen kann.

Und selbst wenn die S-Bahn mehr Fahrer einstellen wollte: Sie stehen nicht gelangweilt auf dem Bahnhof rum, sondern sind fast überall in Deutschland gesucht – auch bei den Konkurrenten der Deutschen Bahn. Und auch bei denen fallen Fahrer und Züge aus. Wie bei der BVG. Die Berliner S-Bahn ist hier nicht allein – ein schwacher Trost.

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