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Durch den Tiergarten soll bald ein geteilter Weg für Radfahrer und Fußgänger führen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neue Baustelle im Berliner Tiergarten: Wieso ein geteilter Weg für Fußgänger und Radfahrer Kritik auslöst

Im Tiergarten sollen Spaziergänger und Radfahrer künftig gemeinsam einen asphaltierten Weg nutzen. Das gefällt nicht jedem.

Auch die Tiergartenidylle ist vor Großbaustellen nicht sicher, die vor allem für Spaziergänger große Einschränkungen mit sich bringen werden. Die Absperrgitter, hinter denen sich ein Parkweg im Tiergarten in eine gemischte Asphaltstrecke für Radfahrer und Fußgänger verwandeln soll, sind schon aufgestellt. Davor steht ein unscheinbares kleines Schild mit dem Hinweis, dass Radfahren nur auf befestigten Wegen erlaubt ist. Darunter der Satz: „Fußgänger haben Vorrang“.

Das klingt wie ein frommer Wunsch in Zeiten zunehmender Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern. Demnächst sind diese wohl auch hier zu erwarten, parallel zur Straße des 17. Juni. Die Stromnetz-Firma 50Hertz baut derzeit eine unterirdische Kabeldiagonale durch Berlin. Dafür braucht es einen begehbaren Tunnel mit 3,6 Metern Außendurchmesser.

Nötig ist die Kabeldiagonale, weil es immer mehr Geräte gibt, die Strom brauchen, weil die Nachfrage nach Ladestationen für E-Mobility wächst, weil immer mehr Menschen nach Berlin gezogen sind. Einer der zum Bauen für Materialien und Arbeiter notwendigen Zwischenschächte wird nun direkt auf der Straße des 17. Juni östlich der Einmündung Klopstockstraße errichtet. Der Schacht soll 200 Meter lang werden. Baubeginn soll zwar erst im kommenden Frühjahr sein, allerdings haben die Baugrunduntersuchungen bereits begonnen und dafür ist schon jetzt ein Teil des Gehwegs abgesperrt.

Die Planung für die nächsten vier Jahre Bauzeit kommentiert Roland Stimpel vom Verein „Fuß“ kritisch. Die drei Fahrspuren für Autos sollen nur vorübergehend auf jeweils zwei Spuren verengt werden, die meiste Zeit sollen drei Spuren erhalten bleiben. Wegfallen sollen danach aber auf der nördlichen Seite der Straße Fuß- und Radwege. Stattdessen soll der vier Meter breite Fußweg, der jetzt noch durch den Park führt, für die geplanten vier Jahre Bauzeit umgewidmet werden von einer Grün- zur Straßenfläche.

Für Radfahrer und Fußgänger sollen dann jeweils zwei Meter breite Wege für jede Richtung zur Verfügung stehen. Zur Vorbereitung soll der Weg nun asphaltiert sowie mit Schildern versehen werden. „Die Fläche soll so verteilt werden, als wären wir noch tief im vorigen Jahrhundert“, sagt Stimpel dazu. „Autos behalten fast ihren gesamten Raum. Spaziergängern bleibt ein kläglicher Rest.“

Er würde lieber die Zahl der Autospuren auf der Straße des 17. Juni in beide Richtungen auf zwei reduzieren. „Dann gibt es keine Verlierer.“ Zu befürchten sei, dass trotz der Teilung wieder ein Verdrängungswettbewerb stattfinden würde, wenn es etwas voll wird. Was im Frühjahr, wenn die Bauarbeiten ernsthaft beginnen, quasi unausweichlich ist. Das Projekt zeige auch, wie künftig Radschnellwege durch Parks führen sollten. Spaziergänger würden immer wieder an den Rand gedrängt.

Spaziergänger weichen oft an den Rand aus

Seit durch Corona so viele zusätzliche Radfahrer unterwegs sind, herrschen in Parks, von der Polizei weitgehend unbehelligt, teilweise chaotische Verhältnisse. Um sich vor rasenden Radlern zu schützen, weichen Spaziergänger oft auf die äußersten Randstreifen aus.

Stimpel erinnert im Zusammenhang mit den Kabel-Plänen jetzt auch an „die verbindliche bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung, nach der ein gemeinsamer Weg für Fußgänger und Radfahrer innerorts mindestens 2,50 Meter breit“ sein müsse. Bei dem aktuellen Plan handele es sich bereits um eine Korrektur des ursprünglichen Konzepts, dass Radlern noch mehr Raum zugestanden habe.

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Die nun vorliegende Lösung ist ohnehin bereits ein Kompromiss. Als die Stromnetzfirma 50Hertz im März 2018 ihre Pläne im Gemeindesaal der St. Ansgar-Kirche im denkmalgeschützten Hansaviertel vorstellte, schlugen die Wogen hoch. Zunächst war geplant, die Klopstockstraße ganz zu sperren. Erheblicher Baustellenverkehr war zu befürchten.

Dass sich die Bürger dort um die Aufnahme des Hansaviertels ins Unesco-Weltkulturerbe bemühen, war den Repräsentanten des Unternehmens nicht mal bekannt. Insgesamt, hieß es, sollten die Arbeiten bis 2029 dauern, die aktive Phase in diesem Teil sollte aber nur von Ende 2021 bis Ende 2022 und von Ende 2023 bis Ende 2024 dauern.

Die erste Vorsitzende des Bürgervereins Hansaviertel, Brigitta Voigt, äußerte sich auf Anfrage zufrieden mit dem Kompromiss. Es seien verschiedene Alternativen diskutiert worden, die jedoch alle erhebliche Nachteile gehabt hätten. Auch erhebliche Baumfällungen standen bei den Planungen zeitweise zur Disposition. Mit diesem Kompromiss könne man im Hansaviertel leben, sagt Voigt. Allerdings sei es auch so: „Einer fühlt sich immer benachteiligt.“ An den harten Verhandlungen um größtmögliche Schadensbegrenzung war auch der Bezirk beteiligt. Kreative Lösungen könnten den verbliebenen Konflikt immerhin mildern. Bis zum Frühjahr ist noch Zeit, den Satz „Fußgänger haben Vorrang“ in Leuchtbuchstaben auf eine Banderole zu schreiben und diese quer über den neuen Asphaltweg zu spannen.

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