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Neukölln ist überall, findet Heinz Buschkowsky.

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"Neukölln ist überall": Was ist von Buschkowskys Buch zu halten?

Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky regt mit seinem Buch eine alte Debatte neu an. Nicht alle Amtskollegen wollen sie mit ihm führen. Aber immerhin hat Thilo Sarrazin sich schon zu Wort gemeldet.

Diskutiert wird das, was Heinz Buschkowsky in seinem Buch niedergeschrieben hat, bislang eher von Bundespolitikern: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte sich kritisch, Grünen-Bundeschef Cem Özdemir warf dem Neuköllner Bezirksbügermeister eine „Sprache des Boulevards“ vor, während Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) erklärte, Buschkowsky prangere gescheiterte Integration zu Recht an, und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ergänzte, an den Neuköllner Zuständen sei nicht allein die Gesellschaft, sondern auch die mangelnde Motivation der Jugendlichen Schuld.

Unaufgeregter wird in Berlin über das Buch gesprochen – wenn überhaupt darüber gesprochen wird. Aus dem Büro der Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), hieß es: Das Buch habe sie nicht gelesen, kommentieren wolle sie es nicht. Und auch Helmut Kleebank (SPD), Bürgermeister von Spandau, äußerte sich am Montag auf Anfrage nicht zu Buschkowskys „Neukölln ist überall“, wobei auch sein Bezirk seit einigen Monaten immer mal wieder als ein Schwerpunkt jugendlicher Delinquenz gilt.

Sein Parteikollege, Mittes Bürgermeister Christian Hanke, war da am Montag gesprächsoffener: Das Buch sei ein angemessener Beitrag zu einer wichtigen Debatte und insofern zu begrüßen. Und auch der Bezirksbürgermeister von Reinickendorf, Frank Balzer (CDU), bewertet das Werk seines Neuköllner Amtskollegen positiv, auch wenn er einräumt, es nicht gelesen zu haben: „Zunächst einmal kann Buschkowsky viel aus eigener Erfahrung berichten, was sicher nicht auf jeden seiner Kritiker zutrifft.“ Klar, es gebe viele Beispiele in dieser Stadt für gelungene Integration. Doch Fälle, in denen es eben nicht so geklappt habe, seien in Neukölln wohl häufiger als in anderen Bezirken.

Kritischer ist Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD): „Der Neuigkeitswert des Buches hält sich in Grenzen. Und Neukölln ist eben nicht überall – nicht mal im Bezirk selbst sieht es überall so aus wie in dem Neukölln, von dem Buschkowsky in seinem Buch erzählt.“ Kolat hat nach eigener Auskunft die seit Tagen veröffentlichten Auszüge des Buches gelesen.

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Energischer hört sich Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, an. Sein Bezirk grenzt nicht nur an Neukölln, sondern war den Kiezen im Süden lange auch sozialstrukturell ähnlich. Trotzdem sieht Schulz in dem Werk nur „ein Nachklapp“ dessen, was ohnehin schon seit langem debattiert werde – mindestens seit dem umstrittenen Buch von Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Der hatte vor zwei Jahren mit „Deutschland schafft sich ab“ heftige Proteste auch aus der eigenen Partei geerntet.

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Bürgermeister Schulz, der das Buch gelesen habe, sieht bei seinem Amtskollegen auch eine Portion an Geltungsdrang als Triebfeder, ein solches Buch zu schreiben. „Es ist albern, sich als Retter vor der vermeintlich falschen Multikulti-Politik anderer zu inszenieren“, sagte er mit Blick auf den Neuköllner Bezirkschef. Im Buch würden die Verhältnisse in Neukölln auf inakzeptable Weise zugespitzt, als gebe es dort vorrangig verwahrloste Jugendliche.

Mitarbeiter in den Verwaltungen der Bezirksämter wiesen daraufhin, dass Buschkowsky wohl auch selbst hätte mehr machen können: Schon 1989 wurde er Finanzstadtrat in Neukölln, seitdem war er mal für Jugend, mal für Gesundheit zuständig. Und seit elf Jahren ist Buschkowsky Bezirksbürgermeister.

Sarrazin hatte sich am Wochenende übrigens anerkennend über „Neukölln ist überall“ geäußert. Das Buch sei „authentisch“ und eine „Bereicherung des Buchmarkts und der Debatte“. Im dem Buch geht es auch um das Verhältnis der beiden Politiker zueinander. Buschkowsky widmet dem ehemaligen Senator und Autor des Buches „Deutschland schafft sich ab“ ein ganzes Kapitel. Darin hält er Sarrazin vor, dieser habe sich in seiner Amtszeit nicht direkt für Problembezirke wie Neukölln interessiert. Sarrazins eigener Buchbeitrag zur Integrationsdebatte sei von einer gewissen Kühle geprägt. Sarrazin sagt dazu, er sei „von Daten und Fakten“ aus- und „relativ schnörkellos zur Sache“ gegangen. (mit wvb.)

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