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Straßenbahnszene in Prenzlauer Berg.

© Doris Spiekermann-Klaas

Öffentlicher Verkehr in Berlin: Straßenbahnunfälle wiegen besonders schwer

Die Zahlen der Unfälle mit Straßenbahnen sind seit Jahren konstant, die Folgen aber meist schwerwiegend. Ein Forscherteam hat nun die Daten aus Berlin untersucht – und rät zu mehr Aufklärung.

Straßenbahnen sind vielen unheimlich: Leise sind sie, beschleunigen gut und bremsen schlecht, können keinen Zentimeter ausweichen und tauchen oft in Meldungen über schwere Unfälle auf. Die Unfallstatistik der Polizei bestätigt zumindest den letzten Punkt: Mit – seit Jahren recht konstanten – rund 300 Unfällen pro Jahr sind Straßenbahnen zwar in weniger als ein Prozent aller Crashs involviert, aber mit 100 bis 200 dabei Verletzten wiegen diese Unfälle besonders schwer.

Die in Berlin ansässige Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat jetzt von der Weimarer Bauhaus-Universität die Tram-Unfälle mit Personenschaden der Jahre 2009 bis 2011 in 58 deutschen Städten untersuchen und Empfehlungen erarbeiten lassen. Berlin mit seinem großen Netz steuerte die meisten Unfalldaten zu der Studie bei.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes bestätigten, dass die Straßenbahn im Verhältnis zu ihrer Fahrleistung ein gefährliches Verkehrsmittel ist – nicht für die Passagiere, sondern für die anderen Verkehrsteilnehmer. Dieser Befund wird allerdings dadurch relativiert, dass in eine Tram viel mehr Menschen passen als in einen Bus, also alternativ viel mehr Busse als Straßenbahnen fahren müssten.

Fußgängerampeln erwiesen sich als gefährlich

Als besonders unfallträchtig erwiesen sich Straßenbahnstrecken, die auf separater Trasse in der Mitte mehrspuriger Straßen verlaufen. Auch sind die Unfälle dort besonders schwer. Das gilt sowohl für Kreuzungen als auch auf freier Strecke. Ein fataler Klassiker gerade auf Trassen dieser Art sind Fußgänger, die beim Queren der Gleise die Tram missachten. Als sicherer erwiesen sich seitlich am Straßenrand gelegene Trassen, die vor allem manches Kreuzungsproblem vermeiden. Die statistisch sicherste, aber höchstens in Randbezirken realistische Alternative sind gänzlich separate Gleiskörper.

Wenn es kracht, hat fast nie die Frau oder der Mann im Führerstand schuld. Jedoch stellten die Unfallforscher an praktisch allen Schauplätzen Defizite in der Infrastruktur fest: Oft lagen die Überwege für Fußgänger (die die BVG mit sogenannten Z-Gittern sichert, die die Blickrichtung der Passanten zur Bahn lenken) zu weit auseinander oder jenseits der realen Fußgängerströme.

Ebenfalls als riskant erwiesen sich Fußgängerampeln mit langen oder zeitlich versetzten Rotphasen an hintereinander liegenden Furten (schlechtester Fall: Grün-Rot-Grün auf einer Straße mit getrennten Richtungsfahrbahnen und Tram in der Mitte). Autofahrer fühlten sich oft zum verbotswidrigen Linksabbiegen oder Wenden eingeladen. Oft war auch die nahende Bahn oder die Ampel schlecht zu erkennen. Und Radfahrer gerieten häufig unter die Räder, wo sie ungebremst über die Gleise brausen konnten. Auch nächtens abgeschaltete Ampeln erwiesen sich als Risiko.

Bahnen können auch optimiert werden

Die Experten empfehlen, Fußgänger mit Kampagnen zu mehr Aufmerksamkeit zu erziehen – was sie BVG unter dem Slogan „Achte auf deine Linie“ bereits tut – und Autofahrern das verbotswidrige Abbiegen oder Wenden abzugewöhnen. Die Tram sollte an Ampelkreuzungen möglichst eigene Grünphasen bekommen.

Und für den Ernstfall könnten auch die Bahnen optimiert werden: durch Sensoren, die bei Kollisionsgefahr schon mal den Fahrer alarmieren und durch sofortiges Klingeln die Fahrgäste vor einer bevorstehenden Notbremsung warnen, die die Bahn auch selbsttätig einleiten könnte. Bei neuen Autos sind ähnliche Systeme bereits üblich. Und wenn es fürs Bremsen zu spät ist, könnte eine Tram mit energieabsorbierender Front zumindest die Unfallfolgen lindern.

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