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Rathaus Helle Mitte: Hier arbeitet das Bezirksamt von Marzahn-Hellersdorf.

© imago/Schöning

Ohne Mehrheit im Amt?: Berliner CDU fordert Neuwahl aller Bürgermeister und Stadträte nach Wiederholungswahl

Bezirksämter könnten nach der Wahl nicht mehr die Mehrheitsverhältnisse der BVVen repräsentieren. Die FDP fordert ein Bekenntnis zur Abwahl der Bezirksregierungen.

Die Berliner CDU-Fraktion fordert, dass nach der Wiederholungswahl alle Bezirksbürgermeister und -stadträte durch die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) neu gewählt werden. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes bringt die Fraktion in dieser Woche ins Abgeordnetenhaus ein. Anlass der Forderung ist ein mögliches Legitimitätsproblem der Bezirksämter nach der Wiederholungswahl: Bürgermeister und Stadträte könnten im Amt bleiben, obwohl sie in der Bezirksverordnetenversammlung keine entsprechende Mehrheit haben.

Anders als beispielsweise Senator:innen werden Mitglieder des Bezirksamts für fünf Jahre als sogenannte Wahlbeamte ernannt und können nur mit einer Zweidrittelmehrheit abgewählt werden. Dies soll der besonderen Stellung der Bezirksregierungen Rechnung tragen, die zwar politisch – durch die Wahl der BVV – ins Amt kommen, in diesem aber vor allem leitende Verwaltungsaufgaben übernehmen.

Es gehe um die „Verwirklichung des Demokratieprinzips“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Stefan Evers, am Mittwoch. „Der Wählerwille muss zählen.“ Es müsse unbedingt vermieden werden, dass sich durch die Wahl die Mehrheitsverhältnisse in den BVVen ändern, dies aber keine Auswirkungen auf die Bezirksregierung hat, so Evers.

Stadträte sollen von Amtsausübung entbunden werden

Der Vorschlag der CDU orientiert sich an den Vorgaben für eine Neuwahl der BVVen, die, anders als eine Wiederholungswahl, im Gesetz geregelt ist. Auch in diesem Fall werden die Bezirksamtsmitglieder allesamt neu gewählt. Sollte ein Bürgermeister oder ein Stadtrat nicht im Amt bestätigt werden, darf dieser das Amt nicht mehr ausüben, behält aber den Beamtenstatus. Er oder sie erhält für die restliche Amtszeit 71,75 Prozent der Dienstbezüge.

„Die Wiederholungswahl wirkt sich de facto wie eine Neuwahl aus“, sagte der Verfassungsrechtler Ulrich Battis. Die CDU-Fraktion hatte ihn beauftragt, ihren Gesetzesentwurf zu prüfen. „Es geht darum, dass sich die neuen politischen Stärkeverhältnisse auch im Bezirksamt wiederfinden.“ Battis wies darauf hin, dass die Parteien zum Teil mit den aktuellen Bezirksbürgermeistern auf Plakaten werben. Dieses demokratische Versprechen müsse eingelöst werden. Der Vorschlag der CDU sei dafür zweck- und rechtmäßig, so Battis.

Das sehen jedoch längst nicht alle so. Peter Ottenberg, der sich seit Jahren intensiv mit dem Bezirksverwaltungsrecht auseinandersetzt, sagte dem Tagesspiegel: „Das Problem ist, dass die Bezirksamtsmitglieder rückwirkend benachteiligt werden würden. Das ist nur unter sehr begrenzten Bedingungen verfassungsrechtlich möglich. Die sehe ich hier nicht.“

Auch in den Koalitionsfraktionen gibt es offenbar diese Vorbehalte. „Es geht um zwei widerstreitende Rechtsprinzipien: dem Demokratieprinzip auf der einen Seite, beamtenrechtliche Ansprüche auf der anderen Seite“, sagte Steffen Zillich, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, dem Tagesspiegel. „Wir müssen das sehr genau prüfen“, so Zillich. Wann sich die Koalitionsfraktionen hier positionieren können, sei noch offen. Gleichzeitig warnte Zillich davor, die Frage „im Wahlkampf zu politisieren“.

Ein weiterer Vorschlag kommt von der Berliner FDP, die derzeit keine Stadträte oder Bezirksbürgermeister stellt. In einem Brief an alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien schlägt der Landesvorsitzende der FDP, Christopher Meyer, „eine gemeinsame Erklärung“ vor. Darin sollen sich alle Parteien darauf einigen, Bezirksamtsmitglieder, die keine entsprechende Mehrheit mehr haben, mit einer Zweidrittelmehrheit aus dem Amt zu wählen.

In den Bezirken selbst wird dieser Vorschlag jedoch zurückhaltend aufgenommen. Mehrere Vorsteher:innen der BVVen, mit denen der Tagesspiegel sprach, erkennen zwar eine „Regelungslücke“, sehen jedoch den Senat in der Verantwortung, entsprechende Vorgaben zu machen.

Eine Sprecherin der Senatsinnenverwaltung sagte dem Tagesspiegel, dass man mit den Bezirken in dieser Frage im Austausch stehe und voraussichtlich kommende Woche „Hinweise zu den rechtlichen Rahmenbedingungen“ geben wolle. Wie mit neuen Mehrheiten umgegangen wird, sei „politisch zu entscheiden.“

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