zum Hauptinhalt
Beim Live-Shopping präsentieren Hersteller ihre Produkte in Video-Streams.

© IMAGO / Addictive Stock / xPauxNovellx

Video-Einkauf wie in China: Ein Berliner Start-up veranstaltet interaktives Live-Shopping

In Asien ist es längst ein Hit: Einkaufen per Stream. Die Firma Livebuy will das hier auch zum Trend machen.

Einfach mal bummeln gehen, sich inspirieren lassen von Schaufenstern und Kleiderständern, von Düften und Lippenstiften, ohne die Couch zu verlassen? Und sich dabei ausführlich beraten lassen und austauschen mit anderen Kunden, die an den gleichen Produkten interessiert sind? Das geht. In Asien ist Live-Video-Shopping schon länger erfolgreich.

Alex von Harsdorf, aufgewachsen in Berlin und zuletzt Manager in der Musikbranche, sah da während des ersten Corona-Lockdowns eine Marktlücke im deutschsprachigen Raum. Zusammen dem IT-Spezialisten Armin Gattung und dem Vertriebsexperten Bertolt Harmath gründete er im August vergangenen Jahres das Software-Unternehmen Livebuy. Es liefert die Technik, die Unternehmen brauchen, um interaktive Live-Events auf ihren Webseiten anbieten zu können.

Zu einer bestimmten Zeit präsentieren Geschäftsführer, Fachverkäufer, Designer oder Markenbotschafter die Produkte im Netz und beantworten geduldig alle Fragen dazu. Auch die Kunden untereinander können im Chat Erfahrungen und Eindrücke austauschen. Ein Höhepunkt bei solchen Events ist immer die Preisgabe des Rabattcodes. Wer zu spät kommt, erfährt ihn oft noch im Chat von anderen aufmerksamen Kunden.

Für Alex von Harsdorf ist das eine Erweiterung seines früheren Einsatzfeldes. Shopping, so sieht er es, wird im Livestream zum Erlebnis. Im Grunde ist das aus seiner Sicht ein neues Unterhaltungsformat. Über den Erfolg sind die Gründer selbst überrascht.

[Schon 250.000 Abos: Suchen Sie sich Ihren Tagesspiegel-Newsletter für Ihren Bezirk aus! Jetzt hier kostenlos: leute.tagesspiegel.de]

Im August haben sie das Unternehmen gegründet. Im Oktober gab es schon den ersten Livestream bei der Parfümeriekette Douglas: Tipps von Make-up-Profis, welche Looks man sich schminken kann. Und als Popstar Alicia Keys, garniert mit Songs, ihre eigene Beauty-Linie vorstellte, war das während des strengen Lockdowns ein richtig großes Ereignis.

KaDeWe, Tschibo und Lidl machen schon mit

Noch wurde der erste Geburtstag des Unternehmens nicht begangen, da sind schon weitere große Unternehmen mit im Live-Shopping-Boot: Tschibo, Lidl und das Berliner KaDeWe unter anderem. Nach wenigen Monaten schauen die Gründer auf mehr als 500 Livestreams für 16 Großunternehmen mit Hunderttausenden von Zuschauern zurück.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Für die Software-Anbieter lohnt sich das finanziell, auch wenn sie pro Zuschauer nur ein paar Cent kassieren. Die Masse machts. „Wir liefern die Smartphone App, das Kamera-Signal und den Livestream-Player für die weltweite Ausstrahlung“, sagt der 34-jährige Geschäftsführer am Telefon. Die Showkonzepte machen die Kunden in der Regel selbst. Sie können sich aber bei Livebuy auch beraten lassen.

Zu den drei Gründern sind in den vergangenen Monaten 17 Mitarbeiter hinzugekommen. Und die Nachfrage steigt. Dass mit dem Ende der Pandemie Schluss sein könnte mit dem Konzept, glaubt von Harsdorf nicht. Es gebe für alles Platz, für die Offline-Erlebnisse in der Innenstadt, für gezielte Online-Einkäufe und für den Video-Bummel nach Feierabend, wenn die Geschäfte schon geschlossen haben. Im deutschsprachigen Raum waren die Berliner die ersten, die so ein Format entwickelt haben.

In China laufen die Streams zwölf Stunden am Tag

Auch der Erfolg des Konzepts in Asien macht ihnen Hoffnung. In China laufen solche Livestreams schon zwölf Stunden am Tag. Die Plattformen werden dabei ganz unterschiedlich besetzt. Auch Musiker, Designer und Hollywood-Stars kommen zum Einsatz. Alex von Harsdorf fand es cool, wie Philip Plein persönlich die Zusammensetzung seiner Düfte erklärt hat. „Das ist natürlich ein sehr authentisches Erlebnis.“

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

In Asien wurden mit diesem Konzept in den vergangenen fünf Jahren 15 bis 20 Prozent der E-Commerce-Umsätze erzielt. Jedes fünfte Produkt wird im Livestream erworben statt im Onlineshop. Für Alex von Harsdorf liegt das nahe. Online zu shoppen bedeute nichts anderes als einen Katalog durchzublättern. Wenn man ganz genau weiß, was man will, einen bestimmten Rasierer zum Beispiel, biete sich das auch an. Beim Video-Shopping lässt man sich dagegen inspirieren, man weiß vorher noch gar nicht so genau, was man eigentlich haben möchte.

Für die Betriebe machen sich die Videos bezahlt. „Wir sprechen von einer zehnmal höheren Conversion Rate als beim Web-Shop“, sagt von Harsdorf und meint, dass die Besucher eines interaktiven Videos zehnmal häufiger zuschlagen als die Besucher einer Webseite. „Manchmal steht der Präsentator nur vor seinem Smartphone – also im kleinsten TV-Studio der Welt“.

Auch der Kunde sitzt vor seinem Smartphone. Nach Feierabend kann das für erschöpfte Kunden eine neue Form der Entspannung und Ablenkung sein. Das Attraktive daran: Man muss sich nicht mal vom Sofa wegbewegen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false