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© Kitty Kleist-Heinrich TSP

Update

Opferberatung wirft Rassismus und Brutalität vor: Mann stirbt drei Wochen nach Polizeieinsatz in Berlin

Ein psychisch kranker schwarzer Mann ist rund drei Wochen nach einem Polizeieinsatz gestorben. Ein Todesermittlungsverfahren wurde eingeleitet.

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Nach dem Tod eines schwarzen Obdachlosen sieht sich die Berliner Polizei Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Der 64 Jahre alte Mann war vor drei Wochen bei einem Polizeieinsatz zusammengebrochen und ins Krankenhaus gebracht worden. Am Donnerstagmorgen starb er. Eine Polizeisprecherin bestätigte den Tod des psychisch kranken Mannes in der Universitätsklinik Charité.

Die Berliner Opferberatungsstelle Reachout wirft der Polizei „massive brutale Gewalt“ bei dem Einsatz und die Verantwortung für den Tod vor; zudem spricht sie von Rassismus. Die Polizei ermittelt gegen die beteiligten Beamten. Das Ergebnis der Obduktion der Leiche des Mannes wird laut Staatsanwaltschaft für nächste Woche erwartet.

Die Ermittlungen führt ein Fachkommissariat für Beamtendelikte im Berliner Landeskriminalamt. Mit Verweis darauf wollte sich die Polizei am Freitag nicht ausführlicher äußern. Geklärt werden müsse der Ablauf des Einsatzes am 14. September und die Frage, ob die Polizisten richtig und verhältnismäßig gehandelt hätten, sagte die Sprecherin. „Es geht um die Frage: Ist er an den Folgen des Polizeieinsatzes gestorben oder nicht?“

Die Polizei agiert gegen Schwarze Menschen auf eine bestimmte Art und Weise, die wir als rassistisch bezeichnen.

Biplab Basu von Reachout

Am Freitag veröffentlichte zudem der Senat eine Studie, in der von der Berliner Polizei mehr Offenheit und Sensibilität für das Thema Rassismus gefordert wird. Studienleiterin Christiane Howe von der Technischen Universität (TU) sagte, die Frage, ob die Polizei rassistisch sei oder nicht, könne nicht einfach beantwortet werden. Letztlich müsse man sagen: „Ja und Nein“, so wie es die Gesellschaft insgesamt auch sei.

Über den Einsatz am 14. September schrieb Reachout mit Verweis auf Zeugen, Polizisten hätten den 64-jährigen Mann am Boden fixiert, ein Polizist habe ihm ein Knie in den Nacken gedrückt. Er habe geblutet. Schließlich habe er aufgehört zu atmen. Eine Wiederbelebung habe mehr als 20 Minuten gedauert. Er sei in ein Krankenhaus gebracht worden und später ins Koma gefallen. Nach Angaben von Reachout wurde der Bruder des im Koma liegenden Mannes erst sieben Tage nach dem Vorfall vom Krankenhaus benachrichtigt.

Warum Reachout das Vorgehen der Polizei als „rassistisch“ bezeichnet, begründete Sprecher Biplab Basu so: „Wenn die Polizei auf diese Art mit schwarzen Menschen umgeht, bewerten wir das als rassistisch.“ Das sei eine Einordnung und Interpretation, die auf Erfahrungen beruhe. „Die Polizei agiert gegen schwarze Menschen auf eine bestimmte Art und Weise, die wir als rassistisch bezeichnen.“ Zudem habe Reachout von Zeugen gehört, dass der Mann sich nicht gewehrt habe. „Er hat nur die Zimmertür geschlossen, weil er in Panik geriet, als er die Polizeiuniformen sah.“

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Die Polizei hatte eine Woche nach dem Vorfall mitgeteilt, dass der Mann aus einem Heim in Berlin-Spandau in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden sollte. Demnach hatte ein Gericht die Verlegung angeordnet, weil der Mann ein psychiatrisches Krankheitsbild gehabt habe. „Da der Mann zunehmend aufgebrachter wurde, wurden die im Vorfeld informierten Polizeikräfte um Unterstützung gebeten“, hieß es. Gegen die Mitnahme habe er sich „mit Tritten, Schlägen und Bissversuchen“ gewehrt.

Auch nachdem ihm Handschellen angelegt worden seien, habe er „massiv Widerstand“ geleistet, hieß es weiter. Schließlich sei er im Beisein eines Rettungsdienstes und seines Betreuers kollabiert. Ein Notarzt habe den Mann wiederbeleben müssen. Er kam laut Polizei auf eine Intensivstation eines Krankenhauses in Spandau, von wo er später in die Charité verlegt wurde. Die Polizei hatte damals erst eine Woche später über den Einsatz berichtet. Grund sei ein „Bürofehler“, hieß es. Intern sei bei der Übermittlung etwas schief gegangen.

Fortbildungen und Reflexion gefordert

In der „diskriminierungskritischen“ Studie der TU schreiben die Autoren, für eine „demokratische“ und „rassismuskritische“ Polizei brauche es fortlaufend die Bereitschaft, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Studienleiterin Howe sagte, das vieldiskutierte „Racial Profiling“, also Kontrollen nach der Herkunft oder dem Äußeren von Menschen, sei ihnen bei den monatelangen Begleitungen der Polizisten nicht aufgefallen. „Das haben wir nicht wirklich beobachtet.“ Kontrollen hätten immer einen Anlass oder Grund gehabt.

Die Wissenschaftler sprachen mit 17 Initiativen, die sich mit Rassismus befassen und begleiteten die Alltagsarbeit der Polizisten. Sie stellten fest, Menschen mit ausländischen Wurzeln erlebten nach eigenen Schilderungen Diskriminierungen durch Polizisten: bei Verkehrs- und Ausweiskontrollen, Demonstrationen und Razzien.

Aber auch bei der Polizei selbst soll es Vorfälle geben: So ist die Berliner Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden, weil ein Mitarbeiter in der Gefangenensammelstelle der Berliner Polizei Kollegen in den vergangenen zwei Jahren rassistisch beleidigt haben soll. Nach Angaben einer Polizeisprecherin sind sechs Vorfälle für den Zeitraum Juni 2020 bis Ende September 2022 bekannt geworden, die der politisch motivierten Kriminalität rechts zugeordnet würden. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung am Freitag darüber berichtet.

Die Polizei wird in der Studie differenziert beschrieben. Auch die Verbände gäben zu, „dass man nicht von „DER“ Polizei oder „DEN“ Polizisten“ sprechen könne, hieß es. Bei Einsätzen seien die Beamten nicht selten Gewalt und Aggression ausgesetzt. Als Fazit forderten die Autoren mehr Fortbildungen zu Rassismus und Diskriminierung, mehr Vermittlung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen sowie eine professionelle Reflexion zu Einsätzen und Erfahrungen. (dpa/Tsp)

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