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Jan Stöß tritt zur Kampfkandidatur gegen SPD-Landeschef Michael Müller an.

© dpa

Parteilinke der Berliner SPD: Mit Masse zur Macht

Die Gruppe um den Parteilinken Jan Stöß organisierte schon am Montag neue Mehrheiten: Die langjährige Vorsitzende der AG Migration, Ülker Radziwill, wurde auf einer Vollversammlung abgewählt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Kaum hatte der SPD-Linke Jan Stöß seine Kandidatur für den Landesvorsitz erklärt, da demonstrierten seine Unterstützer, wie man in der Partei künftig Mehrheiten organisiert: Auf einer Mitgliederversammlung der SPD-Arbeitsgruppe „Migration“ am Montagabend wurde die langjährige Vorsitzende Ülker Radziwill nicht wiedergewählt. Nach Darstellung von Beobachtern nahmen an der Vollversammlung ungewöhnlich viele Mitglieder teil. Viele Genossen seien dort vorher noch nie gesehen worden, hieß es. Vor allem aus Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau, Pankow und Neukölln.

Aber auch die Jungsozialisten waren dem Vernehmen nach gut vertreten. Ebenso Mitglieder aus SPD-Ortsvereinen in Schöneberg, die in Opposition zum SPD-Landeschef Müller stehen. Der Vorstand der AG Migration wird nicht von Delegierten, sondern von allen auf der Versammlung anwesenden Mitgliedern gewählt. Wahlberechtigt ist jedes Parteimitglied, das sich binnen kurzer Frist in der Arbeitsgemeinschaft anmeldet. Auf diese Weise wuchs die AG Migration in den letzten Monaten auf über 600 Mitglieder an, von denen 340 an der Wahl des neuen Vorsitzenden teilnahmen.

Neuer Landeschef der AG ist nun Aziz Bozkurt, Mitglied in der SPD-Abteilung „Kreuzberg 61“, zu der auch Stöß gehört. Bozkurt bekam 193 Stimmen, 133 stimmten gegen ihn. Vor einem Jahr organisierte er die bundesweit im Internet verbreitete „Berliner Erklärung“ gegen die Einstellung des SPD-Parteiordnungsverfahrens gegen Thilo Sarrazin. Initiiert wurde die Petition damals von Stöß und dem Spandauer SPD-Kreischef Raed Saleh, der inzwischen Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist. Beide bemühen sich seit Monaten darum, eine innerparteiliche Mehrheit zustande zu bringen, um auf dem Landesparteitag der Sozialdemokraten am 9. Juni den Landesvorsitzenden und Stadtentwicklungssenator Michael Müller abzuwählen.

Die "Boygroup" will für neues Personal und neue Mehrheiten sorgen.

Nach der Wahl des neuen AG-Vorsitzenden verabschiedete sich ein großer Teil der Vollversammlungsteilnehmer. An der Wahl der Stellvertreter und Beisitzer nahmen nur noch etwa 100 Genossen teil. Am Ende der Versammlung sollen es nur noch 50 gewesen sein. Bozkurt kündigte anschließend an: „Ausgestattet mit diesem starken Mandat kann ich unsere Ideen und Positionen selbstbewusst im SPD-Landesverband einbringen.“ Einer der neuen Vize-Chefs der AG ist übrigens Serge Embacher, seit Februar Vorsitzender der SPD Friedenau und ebenfalls ein innerparteilicher Gegenspieler Müllers, aber auch der SPD-Kreischefin und Arbeitssenatorin Dilek Kolat.

Der SPD-Landeschef Müller, der die Eröffnungsworte zur Vollversammlung sprach, wurde Zeuge der außergewöhnlichen Mehrheitsbildung. Anwesend waren auch Stöß, Saleh und weitere Mitglieder der sogenannten „Boygroup“, die in der Berliner SPD für neues Personal und neue Mehrheiten sorgen will. Dazu zählen auch die Abgeordneten Lars Oberg, der ebenfalls aus Schöneberg kommt, und der Kreuzberger Björn Eggert. Sie alle brachten nach Darstellung von Teilnehmern viele Mitglieder aus ihren Ortsverbänden mit. Stöß war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Die bisherige Vorsitzende Ülker Radziwill, die die AG Migration seit acht Jahren führte, wollte die Vorgänge nur mit zwei Sätzen kommentieren: „Der Blick auf den Wahl-Parteitag am 9. Juni hat in unserer Arbeitsgemeinschaft Veränderungen bewirkt, die mit der eigentlichen Arbeit der AG nichts zu tun haben.“ Sie habe sich stets bemüht, integrationspolitische Akzente zu setzen und eine Brücke zu den Berliner Migrantenverbänden zu schlagen, sagte Radziwill. Die SPD-Abgeordnete ist auch Vize-Fraktionschefin und im SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf beheimatet, der sich für Müller als Landeschef starkmacht.

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