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Berlin: Pisa und die Folgen: Trotz Studie: Keine Kehrtwende zur Gesamtschule

CDU und FDP wollen trotz des schlechten Abschneidens Deutschlands bei der Pisa-Bildungsstudie zunächst nicht am gegliederten Schulsystem aus Gymnasien, Haupt- und Realschulen rütteln. Auch die Forderung, begabte Kinder schon nach der vierten Klasse umzuschulen, bleibt vorerst bestehen.

CDU und FDP wollen trotz des schlechten Abschneidens Deutschlands bei der Pisa-Bildungsstudie zunächst nicht am gegliederten Schulsystem aus Gymnasien, Haupt- und Realschulen rütteln. Auch die Forderung, begabte Kinder schon nach der vierten Klasse umzuschulen, bleibt vorerst bestehen. Allerdings räumten die Schulpolitiker gestern ein, dass die schlechten Ergebnisse Deutschlands im Vergleich zu Ländern mit Gesamtschul-Formen "nachdenklich machen".

"Es ist erschreckend, dass in Deutschland die Herkunft der Kinder stärker über die Laufbahn entscheidet als in jedem anderen Land", meint FDP-Abgeordnete Mieke Senftleben. Man dürfe dies aber nicht auf das gegliederte Schulsystem "abwälzen" und jetzt flächendeckend Gesamtschulen einführen. Viel entscheidender sei, dass deutsche Kinder schon im Kindergarten stärker gefördert werden müssten, dass sie mehr Unterricht in den Grundschulen bekämen und dass die Lehrerausbildung reformiert werde. Im Übrigen habe das deutsche Schulsystem auch deshalb versagt, weil es etwa im Hinblick auf Leistungsanforderungen und auf die Rolle des Lehrers von "sozialdemokratischen Auffassungen" geprägt sei.

Die FDP will ihre Forderung nach mehr fünften Gymnasialklassen so lange aufrecht erhalten, bis die Grundschule reformiert ist. Dann werde die Nachfrage von selbst zurückgehen, ist sich die ehemalige Hauptschullehrerin sicher und liegt damit auf einer Linie mit dem CDU-Bildungspolitiker Stefan Schlede.

"Mit der Forderung nach mehr fünften Gymnasialklassen reagieren wir doch nur auf die Mängel der Grundschule", meint auch Schlede. Er räumt ein, dass die CDU beim Thema "Ganztagsschule" zu lange an "alten Vorstellungen" festgehalten habe. Für ihn steht fest, dass in der Aufstockung des Unterrichtsangebots und in kleineren Klassen ein wichtiger Schlüssel zu mehr Schulerfolg gerade bei Kindern aus sozial schwachen Familien liege.

In diese Richtung argumentiert auch Hinrich Lühmann, Leiter des Reinickendorfer Humboldt-Gymnasiums. "Die Ganztagsschule ist entscheidend", betont Lühmann und verweist auf große Defizite in den Grundschulen. Man müsse die Kinder "möglichst lange am Tage zusammenlassen", damit sie mehr lernten. Es sei "erbärmlich" wie "wenig Geld und Stunden" in das deutsche Schulsystem investiert werde. Das ganze System sei "an die Wand gefahren durch Sparzwänge". 50 Prozent seiner Siebtklässler könnten nicht texterfassend lesen, wenn sie von der Grundschule kämen.

Deshalb hält Lühmann daran fest, dass er begabte Schüler schon nach der vierten Klasse aus den Grundschulen herausholen und in zwölf Jahren zum "Expressabitur" führen will. Der Erfolg spreche für die Schnellläuferklassen.

Vom Tisch ist das CDU-Votum für die generelle Abschaffung der sechsjährigen Grundschule. Diese Forderung, die CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel während des Wahlkampfs im Tagesspiegel erhoben hatte, sei ein "Lapsus" gewesen, meint Schlede. Dafür habe es auch keine Mehrheit innerhalb der Partei gegeben. Es sei nur darum gegangen, die Wahlfreiheit nach der vierten Grundschulklasse zu erhöhen, indem man mehr Gymnasialplätze anbiete.

Mieke Senftleben warnte gestern davor, die integrierten Schulsysteme Frankreichs oder Skandinaviens mit der deutschen Gesamtschule gleichzusetzen. In den hiesigen Gesamtschulen werde wesentlich weniger differenziert als im Ausland. "Wir brauchen zehn Jahre zu einem integrierten Modell", glaubt die FDP-Politikern. In Berlin schaffen nur 6 der 60 Gesamtschulen, die gesamte Bandbreite von Schülern zu vereinigen. Die leistungsstärkeren Schüler gehen meist auf die Gymnasien.

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