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Zu jung für Politik? Von wegen! Wir wollen auch schon mitreden.

© dpa

Politik in der Schule: Nicht mal unsere Lehrer wissen, was ab geht

Den ganzen Tag sitzt unsere Autorin in der Schule, hier soll sie für’s Leben lernen. Trotzdem will kein Lehrer über aktuelle Themen sprechen. Das muss sich ändern, findet sie. Ein Kommentar.

14.30 Uhr, Mathe, neunte Klasse. Alle reden durcheinander, unter uns Schülern gibt es nur ein Thema: die Anschläge in Paris. Lautstark wird durch die Klasse gerufen, Meinungen werden ausgetauscht und verflüchtigen sich wieder, eine Debatte mit klugen Argumenten beginnt. Bis unsere Lehrerin dem mit einem lauten „Ruhe!“ ein Ende setzt.

Unsere Lehrerin hört alles, aber sie hört nicht zu

„Das kann doch nicht wahr sein“, zetert sie weiter, „dass in dieser Klasse überhaupt kein Unterrichtsgeist herrscht!“ Dann fährt sie fort mit ihrer „Nur weil es schon mittags ist, heißt das nicht, dass ihr aufhören könnt, zu arbeiten“-Rede.

Aber versteht sie denn nicht, dass wir das Bedürfnis haben, uns mitzuteilen? Sieht unsere Lehrerin nicht, dass uns im Moment ein ganz anderes, viel wichtigeres Thema beschäftigt? Oder will sie es nicht sehen?

Wenn wir uns immer arrangieren, ändert sich nichts

Einer traut sich. „In noch keinem Fach haben wir über die Anschläge in Paris gesprochen. Wir wollen uns austauschen. Außerdem…“ Sie schneidet dem Mutigen das Wort ab. „Ne, also das seh’ ich jetzt auch nicht ein, dass davon etwas von meinem Unterricht ausfällt. Aber fragt doch mal in der Ethikstunde nach. Ist ja nicht so wichtig, das Fach.“ Das sagt sie wirklich. Wir schnauben und arrangieren uns. Obwohl wir uns aufregen sollten über die Dinge, die uns nicht passen.

Sieben Minuten, um einen Anschlag zu besprechen

Nächster Schultag. Mittlerweile ist der Anschlag schon fast eine Woche her, und noch immer redet niemand mit uns. Die Ethik-Stunde beginnt. „Wir würden uns gerne über die Anschläge unterhalten.“ – „Ach, da hab ich jetzt doch gar nichts zu vorbereitet … Vielleicht nächste Woche? Ach nein, da seid ihr ja im Praktikum. Vielleicht schaffen wir es nach den Ferien mal.“ Wir sehen uns fassungslos an. Nach den Ferien?

Nächster Versuch: Französisch. Noch immer hängt die hitzige Diskussion in der Luft. „Sagt mal, was ist denn heute mit euch los?“, fragt unsere Französischlehrerin. Wir erklären es ihr.

„Wenn ihr mögt, können wir zehn Minuten früher Schluss machen und darüber reden“, meint sie. Zehn Minuten. Na, immerhin. Am Ende der Stunde sind es sieben Minuten. Wir werfen uns Argumente entgegen, erklären denjenigen, die nichts mitbekommen haben, was überhaupt passiert ist.

Die Playstation ist wichtiger als der Rest der Welt 

Mir fällt auf, wie desinteressiert ein Drittel meiner Mitschüler ist – und wie offen sie das zeigen. Demonstrativ holen sie ihre Smartphones aus den Taschen und beginnen zu spielen. Für sie ist das Wichtigste, dass es ihnen gut geht und sie nach der Schule zu ihrer heißgeliebten Playstation zurückkehren können.

Unsere Lehrerin hat sich ebenfalls komplett aus der Diskussion zurückgezogen, als wäre sie gar nicht da. „Was sagen Sie denn dazu?“, fragen wir sie. „Ach, wisst ihr, ich kenne mich bei dem Thema echt gar nicht aus … Aber ihr dürft jetzt auch gehen, es ist Pause.“

Politik sollte für uns schon früh zur Gewohnheit werden

Die Anschläge in Paris gehen uns alle an. Aber wie soll es denn weitergehen, wenn nicht mal unsere Lehrerin weiß, was sie davon halten soll? Als sei es nicht wichtig, sich über Themen auszutauschen, sich eine Meinung zu bilden - vor allem in der Schule. Längst nicht jeder hat das Glück, sich mit seinen Eltern über aktuelle Themen austauschen zu können: manche wollen nicht, andere haben keine Zeit.

Politik wird meistens erst ab der zehnten Klasse unterrichtet. Wir brauchen aber jetzt schon Zeit und Lehrer, die uns an das heranführen, was die ganze Welt bewegt!

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Luise Böhm

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