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© Steyer

Tragödie in Hermsdorf: Arzt gesteht Einsatz von Drogenmix

Zwei Tote nach einer mysteriösen Gruppentherapiesitzung und ein Teilnehmer, der im Koma liegt: Der als Arzt zugelassene Mediziner Garri R. hat inzwischen gestanden, den Patienten unterschiedliche Drogenmixe verabreicht zu haben. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen.

Zwei Tote nach einer mysteriösen Gruppentherapiesitzung und ein Teilnehmer, der im Koma liegt: Die Nachricht hatte sich unter den Nachbarn in der Bertramstraße im gut situierten Ortsteil Hermsdorf am nächsten Morgen längst herumgesprochen. Immer wieder blieben Neugierige vor dem großen Einfamilienhaus stehen, in dem der tatverdächtige Arzt und Psychotherapeut Garri R. lebt und auch seine Praxis betreibt.

Nachdem die Ermittler der 2. Mordkommission erste Erkenntnisse zusammengetragen hatten, erscheint langsam etwas klarer, was sich am Sonnabend abgespielt haben soll: Demnach hatte sich der als Arzt zugelassene Mediziner Garri R. mit seiner Frau und zwölf Teilnehmern am Morgen zu einer „psychotherapeutischen Sitzung“ in seiner Praxis getroffen. Die Patienten, zwischen 26 und 59 Jahre alt, bekamen von ihm während der mehrstündigen Sitzung laut Polizei „Drogen beziehungsweise Substanzen“ verabreicht. Nach Tagesspiegel-Informationen soll es sich um einen Mix aus Amphetaminen handeln, die sich etwa auch in anderer Zusammensetzung in der Partydroge Ecstasy befinden. Einigen Teilnehmern wurde übel, sie erbrachen sich. Als ein 59-Jähriger kollabierte, rief ein Gruppenmitglied den Notruf der Feuerwehr. Diese rückte mit einem größeren Aufgebot an Rettern und Ärzten an.

Ein Notarzt versuchte den Mann wiederzubeleben – doch der 59-Jährige starb noch in der Praxis. Ein 28-jähriger Teilnehmer erlag in der Nacht zu Sonntag den Folgen des Drogenmixes im Krankenhaus. Derzeit liegt ein 55-jähriges Mitglied der Gruppe noch im Koma. Die anderen Patienten wurden stationär in verschiedenen Krankenhäusern behandelt und sind teilweise wieder nach Hause entlassen worden. Bei der Vernehmung hatte Garri R. gestanden, den Patienten „unterschiedliche Substanzen“ verabreicht zu haben. „Die Leute bekamen alle verschiedene Drogenmixe. Genaueres muss die Obduktion ergeben“, sagte ein Ermittler. Der Mediziner wurde gestern einem Haftrichter vorgeführt, der am Abend Haftbefehl erließ, wegen des dringenden Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge in zwei und der gefährlichen Körperverletzung in sechs Fällen.

Ein naher Verwandter des 28-jährigen Opfers, der anonym bleiben möchte, versuchte gestern die Tragödie zu verstehen. Er sei in tiefer Trauer und „völlig ratlos, wie das passieren konnte“. Er habe gewusst, dass der 28-Jährige sich an Garri R. gewandt habe. Seines Wissens biete der Mediziner eine Therapie mit „niedrig dosierten Substanzen, darunter Amphetaminen“ an, die etwa in der Schweiz erlaubt sei, in Deutschland aber nicht. „Bei dieser Therapieform werden traumatische Erlebnisse näher an die Oberfläche gebracht und können so verarbeitet werden“, sagte der Angehörige. Er wies entschieden zurück, dass es sich bei der Sitzung um ein „Sektentreffen“ gehandelt habe. Garri R.s Therapieform gehe auf die Lehre des Tschechen Stanislav Grof, der sich in der psychedelischen Psychotherapie einen Namen gemacht habe, sowie auf den Schweizer Psychiater Samuel Widmer zurück. Nach deren Lehre werden seelische Probleme auch mit Hilfe psychedelischer Substanzen behandelt (siehe Seite 2).

Dem 28-Jährigen, der seit längerem bei Garri R. in Behandlung war, sei es durch die Therapie viel besser gegangen. Zum Behandlungsplan hätten „reguläre Sitzungen unter der Woche“ gehört und „etwa zweimal im Jahr besondere Gruppentreffen wie dieses“ – Probleme habe es nie gegeben. „Ich kann mir nicht erklären, wie es zu so einem Unfall gekommen ist.“ Er gibt eher der „Illegalität dieser Therapieform“ als dem festgenommenen Arzt die Schuld: „Dadurch ist es schwer, die Substanzen zu beschaffen. Möglicherweise ist da ein Import aus China dabei gewesen, der dann anders zusammengesetzt war.“ Garri R.s Lehrer Samuel Widmer will erfahren haben, dass Garri R. selbst eine neue Substanz entwickelt habe.

Während die Nachbarn vor dem Haus des Mediziners in der Bertramstraße über die Ursachen der Tragödie rätseln, geht ein Detail auf dem Bürgersteig vor dem dreigeschossigen Haus fast unter. Neben der Eingangstür zum wenig gepflegten Garten steht ein gelber Kinder-Plastikstuhl. Unter dem Sitz liegt eine Einwegspritze. Im Laufe des Nachmittags sichern Kriminaltechniker den Fund, der möglicherweise bei der Aufklärung der vom Therapeuten verabreichten Substanzen helfen kann. Die Eingangstür ins Haus war von der Polizei gleich nach dem Verlassen der Gerichtsmediziner am späten Samstagabend versiegelt worden. Die Ermittler der 2. Mordkommission waren am Sonntag vor allem damit beschäftigt, weitere Patienten und Angehörige zu befragen und Spuren nachzugehen.

Im gutbürgerlichen Hermsdorf fielen das Paar und seine Kinder wohl auch wegen anderer Äußerlichkeiten auf. „Die Frau machte voll auf öko, und der Mann war stets in Eile“, gab eine Anwohnerin ihre Beobachtungen kund. Von regelmäßig Sitzungen habe sie nichts bemerkt.

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