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Die Deutschen schlafen immer schlechter (Illustration).

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

„Prekäre Beschäftigung raubt den Schlaf“: Berliner haben die härtesten Nächte

Nirgendwo in Deutschland leiden so viele Arbeitnehmer unter Schlafproblemen wie in Berlin. Das hat gravierende Folgen.

Die Deutschen schlafen immer schlechter – und nirgendwo werden Ein- und Durchschlafstörungen so oft diagnostiziert wie in Berlin. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Barmer hervor. Demnach litten 2017 circa 4,4 Prozent der Berliner Beschäftigten unter Schlafstörungen, also 85.000 Betroffene. Das sind fast doppelt so viele wie im Jahr 2005. Konkret bedeutet das, 44 von 1000 Berliner Beschäftigten litten zuletzt unter Schlafstörungen. Im Bundesdurchschnitt waren 3,8 Prozent der Arbeitnehmer betroffen.

„Oft verbergen sich hinter Schlafstörungen seelische Erkrankungen, die lange Krankschreibungen verursachen“, sagte Gabriela Leyh, Berliner Barmer-Chefin. „Bei 38 Prozent der Beschäftigten, bei denen erstmals Ein- und Durchschlafstörungen diagnostiziert werden, wird auch eine Depression festgestellt.“

Frauen leiden öfter unter Schlafmangel als Männer

Der Krankenkasse zufolge stieg die Zahl der diagnostizierten Schlafstörungen bundesweit zwischen 2006 und 2017 um 63 Prozent. Die Barmer hatte Daten von 3,9 Millionen Versicherten ausgewertet und so gewichtet, dass sie dem Bevölkerungsschnitt entsprechen. Zudem wurden Externe mit einer repräsentativen Umfrage unter 4000 Erwerbspersonen beauftragt, um Detailfragen zu klären.

Unter Schlafstörungen leiden dem Report zufolge Frauen (fünf Prozent Betroffene) häufiger als Männer (3,3 Prozent). Als Gründe für die eigene Schlaflosigkeit wurden auch die eigenen Kinder und das Schnarchen des Partners angegeben. Die bedeutsameren Einflussfaktoren sind jedoch jobbedingter Zeitdruck, Lärm, und Verkehr – weshalb es ein Stadt-Land-Gefälle gibt. Auch der Konsum – illegaler und legaler – Drogen kann Schlaf beeinträchtigen. Anders als bei vielen Krankheiten sind die wohlhabenderen Süddeutschen von Schlaflosigkeit fast genauso oft betroffen wie die Berliner. Am besten schlafen Landbewohner.

Besonders gefährdet: Bus- und Bahnfahrer, Wachleute, Pflegekräfte

Mit Blick auf die Berufe ergaben die Daten: Besonders gefährdet sind Angestellte im Schichtdienst, Bus- und Bahnfahrer, Wachleute, Call-Center-Agenten und Pflegekräfte. Zudem schlafen Ältere schlechter als Junge, die Beschäftigten mit Abitur besser als diejenigen ohne. „Die mit prekärer Beschäftigung verbundenen Sorgen scheinen Betroffenen sprichwörtlich den Schlaf zu rauben“, sagte Barmer-Chefin Leyh.

Die aktuelle Barmer-Studie zu Schlaf.
Die aktuelle Barmer-Studie zu Schlaf.

© Tsp

Von „Schlafstörung“ sprechen Ärzte, wenn Patienten tagsüber dauerhaft unter schlechter Nachtruhe leiden: Wer über mehrere Wochen länger als eine Stunde zum Einschlafen brauche oder gegen vier Uhr morgens keine Ruhe mehr finde, der gilt aus medizinischer Sicht als gefährdet. Letztlich werden 80 verschiedene Formen der Schlafstörung unterschieden.

Charité: Besser Verhaltenstherapie als Pillen

Dass Schlafstörungen kränker machen dürfte nicht überraschen: Laut Barmer-Statistik sind Angestellte ohne Schlafstörungen 20 Tage pro Jahr krankgeschrieben, Angestellte mit Schlafstörungen 56 Tage. Zur Vorstellung des Barmer-Reports warnte die Schlafmedizinerin Heidi Danker-Hopfe davor, zu viel Hilfe von eingenommenen Medikamenten zu erwarten. „In vielen Fällen ist eine kognitive Verhaltenstherapie unsere erste Wahl“, sagte die Charité-Professorin. Laut Report bekommen 60 Prozent der Beschäftigten mit Schlafstörungen solche Mittel verordnet, die auf das Nervensystem einwirken, sogenannte Hypnotika und Sedativa.

Bei der Barmer sind in Berlin fast 460.000 Männer, Frauen und Kinder versichert. Im Mai 2018 hatte die Kasse mit einem Report über psychische Erkrankungen junger Erwachsener Aufsehen erregt. In Berlin war bei jedem dritten Versicherten zwischen 18 und 25 Jahren ein psychisches Leiden diagnostiziert worden, auch in Bremen und Hamburg gab es überdurchschnittlich viele Fälle.

Stadtstaaten weisen in vielen Sozialstatistiken deutlich andere Zahlen als Flächenländer auf. Gerade depressive Patienten fehlen im Beruf oft Monate. Die Kassen müssen dann womöglich Krankengeld zahlen. Die Pflicht der Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung endet nach sechs Wochen.

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