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"Horst du die Signale". Teilnehmer der Anti-Seehofer-Demonstration am Montagabend.

© Robert Klages

Protest vor der Bayerischen Landesvertretung: Demonstranten wollen Seehofer abschieben

Menschenkette gegen den Innenminister: Vor der Bayerischen Landesvertretung kritisieren Demonstranten einen Rechtsruck, bei dem die SPD nur zuschaue. Auch Grünen-Politiker Boris Palmer wird beschimpft.

"Horst muss weg", da sind sich rund 500 Menschen in Berlin einig, die am Montagabend zur Bayerischen Landesvertretung in Mitte gekommen sind, um diese mit einer Menschenkette zu umzingeln. Die Demonstration (mehr Fotos) richtete sich gegen Innen-und Heimatminister Horst Seehofer (CSU). Veranstaltet wurde sie von der "Hedonistischen Internationalen", ein Netzwerk aus Künstlern und Aktivisten. Sie sind der Meinung, mit Seehofer als Heimatminister rücke Deutschland spürbar nach rechts. Die Proteste gegen diesen Rechtsruck würden sich jedoch in Grenzen halten.

Der Slogan "Horst muss weg" soll dem Slogan "Merkel muss weg" entgegengestellt sein, welcher größtenteils von Anhängern der AfD verwendet wird. Seehofer würde "voll auf faschistische Kräfte" setzen, auf Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zum Beispiel, oder auf Victor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn. Seehofer gehe es darum, Deutschland eine "rechtsnationalistische Wende" zu bescheren, so die Veranstalter während der Demonstration, die von der Landesvertretung weiter zum Brandenburger Tor zog.

Sie fragen sich derzeit, wo der liberale Teil der Gesellschaft sei, besonders die SPD, die als politischer Gegenspieler zu Seehofer in Erscheinung treten könnte - sich aber bisher kaum in dieser Position blicken ließe. Zwar habe SPD-Chefin Andrea Nahles Seehofer als "Gefahr für Europa" erkannt, dies sei jedoch zu wenig. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeyer (SPD) würde schweigen gegenüber dem neuen Rechtsruck, der nun nicht mehr nur von der AfD, sondern auch von Teilen der CSU käme.

"Diese menschenverachtende Politik, das will ich nicht mehr."

"Angie, lass dich nicht verseehofern", stand auf einigen Demo-Schildern. Die Forderung ist klar: Merkel soll Seehofer entlassen. Es gehe darum, einen drohenden "Putsch von rechts" in Deutschland und Europa aufzuhalten. In der Kritik natürlich auch die Asylpolitik. "Im Mittelmeer ertrinken täglich Menschen, und Deutschland schaut zu", meint eine junge Frau. "Diese menschenverachtende Politik, das will ich nicht mehr."

Und Seehofer würde diese Politik noch verschärfen. Wenn es nach ihm geht, sollen ab Anfang Juli Geflüchtete an der deutschen Grenze abgewiesen werden, wenn sie bereits in einem anderen EU-Land registriert sind.

Satirisch wollen die Demonstrierenden den Heimatminister "abschieben" - nach Bayern. Plakate mit Slogans wie "Seehofer, geh hoem zu deine Inzest-Dörfler" wurden auch innerhalb der Demo-Teilnehmenden diskutiert. Denn es gehe ja nicht darum, das Bundesland Bayern schlecht zu machen oder Berlin gegen Bayern zu richten - sondern um die Politik der CSU.

In München fand parallel eine Veranstaltung statt: eine "Gegendemo" mit dem Titel "Bayern will Seehofer auch nicht". Also ab nach Ungarn mit Horst, rufen die Aktivistinnen und Aktivisten. "Und nimm den Gauland gleich mit."

Boris Palmer mehrfach in Berlin beschimpft

Beschimpft wurde auch Tübingens Bürgermeister Boris Palmer von den Grünen, der zufällig an der Demonstration in Berlin vorbeilief. "Beleidigungen bin ich sonst nur auf Facebook und Co. gewohnt", sagte er auf Nachfrage dazu. Er sei in Berlin, um am "1. Berliner Kongress für wehrhafte Demokratie" im Humboldt Carré teilzunehmen, welcher von Wolfgang Bosbach (CDU) moderiert wird. Am Dienstag sei er zudem zwei weitere Male als "Rassist" beschimpft worden. Diskutieren wollten die Männer nicht, erzählt Palmer. Er spricht von "Sofortverurteilungen".

Zwei junge Männer, die Palmer angesprochen hatten, sind sich einig: Palmer schürt die ausländerfeindliche Stimmung in Deutschland. Mit dieser Kritik sind sie nicht allein: Auch die Berliner Grünen-Vorsitzende Nina Stahr wirft ihrem Parteifreund genau dies in einem offenen Brief vor. Stahr kritisiert darin einen Facebook-Post von Palmer.

Es geht um eine Begebenheit im Tübinger Hauptbahnhof und einem dortigen Streit zwischen zwei "Schwarzen". Palmer schrieb: "Ist es nun wieder rassistisch, wenn ich sage: Ich fahre 30 Jahre Zug hier, ich habe so etwas nie erlebt? Und ich nehme an, dass beide Männer Asylbewerber sind?"

"Man kann doch Rassismus nicht mit noch mehr Rassismus bekämpfen"

Stahr sei hier "die Hutschnur geplatzt". In ihrem Offenen Brief erzählt sie von einem Vorfall in einer S-Bahn in Berlin, den sie beobachtet hatte. Sie schreibt, ein Obdachloser habe einen Geflüchteten rassistisch beleidigt. Sie habe sich eingemischt und der Mann habe auch sie bedroht. Zusammen mit anderen habe man ihn dann aus der Bahn drängen können.

"Leider viel zu oft Alltag hier in Berlin", meint Stahr. "Auch ich habe mich gefragt, was wir hier tun können, damit so etwas nicht passiert." Die Lösung sei, für ein Land zu kämpfen, in dem man sich um die "Ausgegrenzten kümmert, das Obdachlose genauso unterstützt wie Geflüchtete".

Palmers Facebook-Post würden dazu beitragen, dass "in unserem Land eine Stimmung herrscht, in der Menschen denken, die, die da kommen, benehmen sich nicht ordentlich", meint Stahr. Palmer sagte dazu auf Nachfrage: "Ein kleiner aber erheblicher Teil der Flüchtlinge sind Kriminelle, darüber darf man aber nicht reden." Diese Probleme müssten benannt werden, erst dann könnten sie gelöst werden. Mit den Anti-Seehofer-Demonstranten sei er sich übrigens einig: "Die Stimmung im Land ist gekippt."

Seine Berliner-Begegnungen hat er natürlich auf Facebook gepostet. "Seenotrettung statt Seehofer ist also in Wahrheit ein Plädoyer, so lange auf dem moralischen Ross weiter zu reiten, bis so viele Staaten und Städte in die Hände der Rechten gefallen sind, dass Europa nicht mehr wieder zu erkennen ist", schreibt er. Zwei Demonstranten meinten auf Nachfrage, Palmer habe eine merkwürdige Art, ein rechtes Europa verhindern zu wollen. "Man kann doch Rassismus nicht mit noch mehr Rassismus bekämpfen."

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