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Regenbogensommer 2015: Das Finale der großen Tunten-Show.

© Elke Günzler

Regenbogensommer in Schöneberg: "Queere Kunst ist immer politisch"

Zum zweiten Mal feiert das Theater O-TonArt den Regenbogensommer. Organisatorin Yvonne Täuber spricht im Interview über politische Kunst, ein Gedenkkonzert für Rio Reiser und Trockenhauben.

Noch bis zum 28. August findet Ihr Regenbogensommer statt. Ist für ein queeres Publikum zu wenig los in Berlin?

Ichgola Androgyn, die Hausherrin des Theaters O-TonArt, hatte im letzten Jahr die Idee zum Regenbogensommer. Während der Theaterpause sollten Veranstaltungen stattfinden, die zum einen nicht üblich für ein Theater sind und zum anderen einen Bezug zu diesem besonderen Ort in der Kulmer Straße in Schöneberg herstellen. Hier standen einst die Wiegen des SchwuZ und des Magazins Siegessäule. Das Theater O-TonArt selbst entstand ursprünglich, weil die O-TonPiraten, eine freie schwule Truppe, sich 2009 eine eigene Spielstätte zum Zehnjährigen geschenkt haben. Dieses Jahr wird es neben Video- und Filmvorführungen auch Konzerte, Theaterperformances und Lesungen geben.

Neben der Kunst ist Ihnen auch die Auseinandersetzung mit den Themen Homosexualität und AIDS wichtig. Ist queere Kunst für Sie auch immer politisch?

Ja, queere Kunst ist immer politisch – wobei ich aber denke, dass Kunst im Allgemeinen immer etwas mit Politik zu tun hat. Queere Themen und Fragen sind immer noch relevant. Bestimmte Parteien haben dazu eine sehr konservative Ansicht – wie zu vielen anderen Dingen auch. Da werden Parolen geblökt, die in den 1930er Jahren schon einmal geblökt wurden. Und man darf nicht vergessen: Wir hier in Berlin leben in einer Blase, aber selbst hier sind Toleranz und Gleichberechtigung keine Selbstverständlichkeit. Und solange hier immer noch darüber diskutiert werden muss, ob Homosexuelle heiraten dürfen, eine Gleichstellung für alle immer noch nicht gegeben ist, obwohl das Grundgesetz etwas anderes sagt, und solange es auf der Welt immer noch Menschen gibt, die nur wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt, verhaftet, gefoltert oder gar getötet werden, solange muss und wird der Kampf weitergehen.

Nach Ihren bisherigen Erfahrungen – wie stark sind queere Menschen in der Kulturszene von Diskriminierung betroffen?

Die Kulturszene unterscheidet sich schon vom "Rest der Welt". Grundsätzlich ist hier die Toleranzgrenze sehr viel höher als etwa im Finanzwesen. Aber auch hier gibt es Diskriminierung. Leider! Was mich selbst immer wieder verblüfft: Wenn selbst innerhalb der LGBT-Community die einen gegen die anderen ins Feld ziehen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ich denke zum Beispiel daran, dass selbst innerhalb der AHA (Anm. d. R.: Allgemeine Homosexuelle Arbeitsgemeinschaft) Diskussionen geführt werden müssen, ob Transmänner zur Erotik-Party (men only!) zugelassen sind oder nicht.

Das Grab von Rio Reiser auf dem St. Matthäus-Friedhof in Berlin-Schöneberg.
Das Grab von Rio Reiser auf dem St. Matthäus-Friedhof in Berlin-Schöneberg.

© dpa/Foto: Britta Pedersen

Zum 20. Todestag von Rio Reiser wird es am 20. August auf dem Alten St. Matthäus Friedhof in Schöneberg ein Konzert geben. Was genau wird die Besucher dort erwarten?

Ja, zu Ehren von Rio Reiser wird es am Sonnabend um 14 Uhr in der Kapelle auf dem Friedhof eine kleine Gedenkveranstaltung geben. Es werden zwei Musiker von Ton Steine Scherben, Patsy l‘Amour laLove und andere Künstler spielen und lesen; moderiert wird das Ganze von BeV StroganoV. Und für alle die, die keinen Platz mehr in der Kapelle finden, wird es eine Videoübertragung nach draußen geben. Das ist eine Veranstaltung von Efeu e.V. und der Berliner Geschichtswerkstatt. Der Eintritt kostet 12 Euro.

Zu Ihrem Programm gehören auch Kinofilme, die einen queeren Bezug haben. Welche Filme werden an den kommenden zwei Wochenenden zu sehen sein?

Die Filmauswahl orientierte sich hauptsächlich am "Teddy"-Award. Die Filme, die wir zeigen, hatten alle auf der Berlinale ihre Premiere. Oder die Filmemacher, die wir präsentieren, hatten mit anderen Werken dort ihre Premiere. Ein Beispiel: Am kommenden Freitag ehren wir in Kooperation mit der AHA den unabhängigen Filmemacher Lothar Lambert mit einem "Thank God it´s Friday"-Spezial. Lambert hat 1971 mit dem Filmemachen begonnen und hat es bisher auf 38 Werke gebracht. Wir werden seine Filme "Und Gott erschuf das Make-up" und "Mehr ist Mehr" zeigen.

Am 28. August feiern Sie den Regenbogensommer mit einer Abschluss-Gala unter dem Motto "Auf toupiert und durchgeföhnt". Sollte ich mir dafür auch noch schnell eine Trockenhaube besorgen?

Oh ja. Im letzten Jahr hatten wir 15 KünstlerInnen auf der Bühne, die sich obendrein völlig unabhängig und selbständig untereinander zu Duetten, Terzetten, kleinen Chören und sonstigen Grüppchen gefunden hatten, so dass die Show insgesamt fünf Stunden dauerte. In diesem Jahr sind wir zum jetzigen Zeitpunkt schon bei rund 20 Mitwirkenden, darunter unsere Schirmherrin Coco Lóres, Miss CSD Stella DeStroy, natürlich Hausherrin Ichgola Androgyn sowie Tima die Göttliche, Melitta Poppe, Dieter Rita Scholl, Ryan Stecken und viele andere mehr. Ich habe gehört, dass Moderatorin Gaby Tupper sich auf eine Sechs-Stunden-Show vorbereitet. Ich glaube, in Anbetracht des in Strömen fließenden Schweißes und des nicht minder fließenden Sektes kann die eine oder andere Trockenhaube zusätzlich nicht schaden.

Der Regenbogensommer findet noch bis zum 28. August statt. Veranstaltungsorte sind das Theater O-TonArt, das Café Finovo, die Kapelle auf dem Alten St. Matthäus Friedhof und in der AHA.

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