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Der Eingang des Amtsgerichts in Berlin.

© picture alliance / Britta Peders/Britta Pedersen

Update

Richter droht verdecktem Ermittler mit Haftbefehl: Berliner Untreue-Prozess gegen „Kommissar Porsche“ erneut geplatzt

Er nahm sich einen beschlagnahmten Porsche von Kriminellen als Dienstwagen, soll in die Schatulle verdeckter Ermittler gegriffen haben. Nun erschien Clemens K. erneut nicht vor Gericht.

| Update:

Vordergründig geht es um Untreue, Unterschlagung und Zehntausende Euro aus der Schatulle für verdeckte Ermittler, im Kern aber um schwere Pannen im geheimsten Bereich der Polizei Berlin. Doch nun ist schon zum zweiten Mal der Prozessauftakt gegen den Polizisten Clemens K. am Amtsgericht Tiergarten ausgefallen. Ende November soll es Corona gewesen, nun ließ der 61-Jährige erneut ein Attest seines Arztes vorlegen. Jetzt droht K. sogar ein Haftbefehl.

Der Vorsitzende Richter zeigte wenig Verständnis. Er hatte Fragen zum Attest: Denn die Angaben des Arztes, dass K. nicht verhandlungsfähig sei, reichten ihm nicht. Doch nicht einmal der Arzt war telefonisch erreichbar.

Jetzt will das Gericht prüfen, ob K. überhaupt entschuldigt gefehlt hat. Notfalls werde das Gericht für einen neuen Prozesstermin die Vorführung des Beamten durch die Polizei anordnen oder sogar einen Haftbefehl erlassen, erklärte der Richter nur schwer verständlich für die Öffentlichkeit im Gerichtssaal.

Ob das ganze Ausmaß des Falls jemals aufgearbeitet wird, ist völlig unklar. Schon vor dem Prozess wurde diskutiert, ob die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden müsste. Auch die Aussagegenehmigung für Polizisten war schon Thema.

8.500 Euro für ein neues Cabrio-Verdeck

Denn darum geht es: Als Leiter des Kommissariats 653 organisierte K. die Logistik für verdeckte Ermittler, für Vertrauensleute, den Zeugenschutz, besorgte Handys, Autos, Technik und konspirative Wohnungen, kannte die ganzen geheimen Adresslisten und Einsätze.

Und K. soll sich jahrelang an der Bargeldkasse für streng geheime Operationen bedient und einen beschlagnahmten Porsche 911 Carrera Cabriolet als Dienstwagen genutzt haben. Mal sollen es 271,02 Euro für einen Reifenwechsel gewesen sein, 8.500 Euro für ein Cabrio-Verdeck des Porsches, dann 13.500 Euro für die Einrichtung einer legendierten Wohnung oder Geld für Autoreparaturen, den Kauf eines unterschlagenen Rollers oder den Einbau von Standheizungen in geheime Autos.

Ursprünglich war der von K. verursachte Schaden auf bis zu 200.000 Euro taxiert worden. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage nur noch von 72.000 Euro aus. Denn alle Taten vor 2017 konnten wegen Verjährung nicht mehr angeklagt werden.

Als der Fall 2022 ans Licht kam, löste er Schockwellen in den Kriminalämtern anderer Bundesländer aus. Denn K. offenbarte trotz strengster Checks und schärfsten Regeln für Mitarbeiter Lücken im Sicherheitsgeflecht, er wurde ein potenzielles Einfallstor für kriminelle Banden und feindliche Spionagedienste. Und das ausgerechnet in Berlin: Drehscheibe zwischen Ost und West, Anziehungspunkt für Gefährder und Terroristen, Hotspot der organisierten Kriminalität. Das LKA hatte einiges zu tun, um alles, wovon K. wusste, zu schützen.

Polizeipräsidentin spricht von „Manipulation innerbehördlicher Verfahrens- und Entscheidungsprozesse“

Es lässt sich nur erahnen, wie schwerwiegend der Fall war. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte dem Tagesspiegel vor Prozessbeginn: „Aufgrund des Verdachts, dass durch Täuschungshandlungen eine Manipulation innerbehördlicher Verfahrens- und Entscheidungsprozesse möglich war, erfolgte unverzüglich mit Bekanntwerden des Sachverhalts eine umfassende Analyse entsprechender Arbeitsabläufe. Im Ergebnis wurden Anpassungen vorgenommen.“

Polizeipräsidentin Slowik sagte auch, der Fall sei „durch unsere polizeiinternen Kontrollmechanismen aufgedeckt worden“. Zur Wahrheit gehört aber: Obwohl Beamte schon weitaus früher Verdächtiges gemeldet hatten und trotz Hinweisen, dass sich K. in der Kasse bedient haben soll, passierte über Jahre nichts.

Die LKA-Führung sollte kontrollieren, aber bemerkte nichts

Die Führungsebene der Abteilung LKA 6 soll ihre schützende Hand über K. gehalten haben. Am Ende wurde sogar versucht, K. per interner Versetzung abzuschirmen. Zudem soll K. stets genau gewusst haben, wann Kontrollen anstanden, wann er entnommene Summen besser wieder in die Kasse zurückzulegen hatte.

Obendrein fiel der LKA-Führung, zuständig für die Kontrolle der Ausgaben für geheime Operationen, lange Zeit nichts auf. Dabei war von teuren Produkten des Herstellers Apple die Rede, teuren Mobilfunkverträgen, Deals für private Vorteile beim Leasing von Dienstwagen.

Erst als es 2021 erneute Hinweise gab, der Porsche nicht mehr zu finden war, ging es nicht mehr weiter. Angeblich stand der Wagen irgendwo in Brandenburg. Polizeiintern hieß es, K. soll den Porsche wegen Spielschulden als Pfand eingesetzt haben, der tauchte dann wieder auf. Ende 2021 wurden Ermittlungen eingeleitet.

Da K. sich vor dem Schöffengericht zu verantworten hat, ist bei einer Verurteilung maximal eine Strafe von vier Jahren Haft möglich. Dass die so hoch ausfällt, damit rechnet niemand ernsthaft. K. gilt als „haftempfindlich“: Er weiß zu viel, ist Polizist – im Gefängnis wäre es gefährlich für ihn.

Jörn Badendick vom Polizeiberufsverband „Unabhängige“ erinnerte an einen Fall, bei dem ein Beamter für ein geringeres Vergehen seinen Job verloren hat. Der Polizist hatte 200 Euro aus Portemonnaies gestohlen, die bei seinem Revier abgegeben worden waren. Das Oberverwaltungsgericht entschied, dass der Beamte aus dem Dienst entfernt wird.

„Der Polizist hatte sich ein Tausendstel der bei K. angeklagten Summe angeeignet und wurde aus dem Beamtenverhältnis entfernt“, sagte Badendick. „Dass sich das Verfahren bei K. so schleppt, ist nicht mehr nachvollziehbar. Hier hätte man viel früher viel deutlichere Maßnahmen ergreifen müssen. Das LKA wirkt dabei wie ein Augiasstall, der ausgemistet werden muss.“

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