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Sanierung: Berliner bangen um das Opernpalais

Das Opernpalais wird geschlossen und saniert. Langjährige Freunde des Hauses fürchten, dass es danach als Unternehmenssitz verpachtet wird. Sie sagen: Damit verlieren die Linden ihr Sahnehäubchen.

Am Silvesterabend ist Schluss. Manfred Otte will mit seiner Frau Petra nachts um 12 den Schlüssel umdrehen und einen Schluck Champagner trinken – dann gibt es das Opernpalais nicht mehr. Der gelernte Konditormeister und Besitzer der „Wiener Conditorei“-Cafés, 22 Jahre lang Pächter des Gebäudes neben der Staatsoper, muss sich wegen der nun anstehenden zweijährigen Grundsanierung des Gebäudes zurückziehen, und er schließt aus, dass er dort noch einmal einen neuen Anlauf wagt. Die noch verbliebenen 60 Mitarbeiter haben die Kündigung erhalten.

Wegen dieser Schließung hatte Otte am Mittwoch eigens eine Pressekonferenz einberufen. Sie bot langjährigen Freunden des Hauses, wie Dagmar Frederic und Wilhelm von Boddien, ein Forum für gefühlsträchtige Rückblicke. „Traurig, dass ich zusammen mit Herrn Otte alt geworden bin“, sagte Schlossherr Boddien, „ich habe mich hier immer zu Hause gefühlt“. Und Dagmar Frederic ergänzte: „Dass in diesem Gebäude bald kein Leben mehr sein wird wie bisher, das tut weh.“

Diesem Tenor schloss sich auch Rainer Boldt von der Interessengemeinschaft Friedrichstraße an: Sie alle befürchten, dass das Opernpalais, offiziell als „Prinzessinnenpalais“ bezeichnet, nach der Sanierung von der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft nach dem Vorbild der benachbarten Alten Kommandantur als Unternehmensrepräsentanz oder Stiftungssitz verpachtet wird – und damit das urbane Leben aus der Umgebung der Staatsoper völlig verschwinden könnte.

Tatsächlich ist dort sonst nichts mehr los, was Passanten anziehen und Besucher der künftigen neuen Staatsoper halten könnte. Der junge Mann, der am Deutschen Historischen Museum die Brezeln verkauft, könnte ja froh sein, dass die süße Sahne-Konkurrenz in vier Monaten schließt. Ist er aber nicht. Sein Lokalpatriotismus steht über schnödem Mammon, er hat mehr die „Linden“, diese angebliche Prachtmeile, im Sinn: „So etwas Schönes, irgendwie Repräsentatives wie das Operncafé mit seiner klassischen Gemütlichkeit gehört doch hier hin!“ sagt er, „wo ist denn sonst noch solch ein traditioneller Treff zum Kaffeeklatsch“?

Ja, wo? Zwischen Schlossbrücke und Friedrichstraße gibt es nur noch dieses eine Opernpalais, das sich zudem mit seiner angeblich größten Torten- und Kuchenauswahl Europas und der großen grünen Gartenterrasse mit rustikaler Küche nicht nur für besserverdienende Gäste eignet, die sich notfalls hinter die abweisenden Mauern des nahen „Hotel de Rome“ verziehen könnten.

Otte hatte das Gebäude, dessen Inneres zu DDR-Zeiten nach dem kriegsbedingten Wiederaufbau eher modern gestaltet war, aufwendig im klassischen Rokoko-Stil einrichten lassen – unmodisch, aber eben doch für zahlreiche Gäste anheimelnd und dem Stil eines traditionellen Caféhauses zweifellos angemessen. Mitte der 90er Jahre betrieb er im Haus mehrere Restaurants und beschäftigte bis zu 200 Mitarbeiter.

Das Palais war damit das Herz des östlichen Boulevardteils. Richtung Brandenburger Tor bietet die repräsentative Kulisse von Staatsoper, Universität oder Staatsbibliothek keinen Kaffee-Platz, die VW-Repräsentanz hat ihr Bistro nach innen verlegt, zu DDR-Zeiten machte hier im Lindencorso sogar ein kleines Orchester Kaffeehausmusik – wo einst im Café Bauer schneidige Offiziere den Mädchen hinterherpfiffen und der geneigte Leser die Wahl zwischen zig Zeitungen hatte.

Gegenüber, bei Daimlers, stehen immerhin 60 Stühle auf der Straße, und im „Jedermanns“ nebenan wird sich bald, wenn der U-Bahn-Bau beginnt, eine Staubschicht auf den Kaffee legen – „wir haben hier schon so viele Baustellen überstanden, da kommt es auf die eine nun auch nicht mehr an“, sagt die Kellnerin frohgemut.

Ein Stückchen weiter lässt uns das kultige „Einstein“ alle trüben Gedanken vergessen. Hier verkehren jene Menschen aus Wirtschaft und Politik, die dafür sorgen könnten, dass aus dem Opernpalais keine für die Öffentlichkeit geschlossene Firmenrepräsentanz wird.

Kulturstaatssekretär André Schmitz macht schon mal den Anfang: „Wir brauchen an dieser Stelle nicht nur ein Café dieser Art, sondern zwei, und nicht nur wegen der Touristen, sondern weil ein gut geführtes Kaffeehaus in dieser klassischen Umgebung zu unserer Stadt gehört“. Mal sehen, ob die Verantwortlichen auf ihn hören.

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