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Geld ist da, Aufträge sind erteilt, aber geflickt wird erst, wenn die Verkehrslenkungsbehörde grünes Licht gibt. Doch hier steht alles auf Rot.

© dpa

Infrastruktur in Berlin: Schlagloch der Politik

Seit die Kasse wieder voller ist, wächst in der Politik die Neigung, Wohltaten zu beschließen. Es fehlt jedoch ein Masterplan. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Geschichte ist, wenn alles einen Anfang hat. Als der Rechnungshof 1999 mahnte, dass Berlins Straßen dringend repariert werden müssten, regierten noch Eberhard Diepgen und eine CDU/SPD-Koalition. 2015 hat Berlin wieder eine große Koalition, nur unter Führung der SPD, und der Rechnungshof moniert einen Sanierungsstau im Straßenbau von 1,3 Milliarden Euro. Und dazwischen? Hat Berlin entschlossen demonstriert, wie man 15 Jahre lang die städtische Substanz achselzuckend verkommen lässt.

Als der Rechnungshof 1999 den maroden Straßenzustand beklagte, war Berlin noch ungebremst und uneingestanden auf dem Weg in die Verschuldungsfalle. Sparen, bis es quietscht, das hat erst der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit der Stadt verordnet. Zu einem hohen Preis. Heute müssten rund 40 Brücken neu gebaut werden und bei den Schulgebäuden gibt es einen Sanierungsbedarf von über zwei Milliarden Euro. Wer eine Stadt so lange finanziell auf Felge fährt, das ist das Ergebnis dieses Großversuchs, braucht hinterher wohl ebenso lange, die Stadt wieder zu reparieren. Aber auch nur, wenn Berlin in der Lage ist, in den kommenden Jahren genügend zu investieren.

Die Hauptstadt ist nicht mehr Armenhaus, sondern Boomtown

Das aber wird nicht einfach. Denn anders als 1999 gilt es, sowohl die Schulden von noch 60 Milliarden Euro abzutragen als auch die gesetzliche Schuldenbremse einzuhalten. Der Rechnungshof wird deshalb das Stichwort „marode Infrastruktur“ auch in den kommenden Jahren immer wieder aufrufen können.

Dass die Klage des Rechnungshofs, anders als noch vor wenigen Jahren, zunehmend gehört wird, liegt auch an der veränderten wirtschaftlichen Lage Berlins: Die Hauptstadt ist nicht mehr Armenhaus, sondern Boomtown mit rapide wachsender Bevölkerung, neuen Arbeitsplätzen und sprudelnden Steuereinnahmen. Berlin macht seit 2012 keine neuen Schulden, konnte 1,5 Milliarden Euro Altschulden zurückzahlen und einen Investitionsfonds auflegen.

Doch seit die Kasse wieder voller ist, wächst in der Politik die Neigung, Wohltaten ohne Masterplan zu beschließen. Das ist der Kern der Botschaft des Rechnungshofes, die vom Senat ernst genommen werden muss: Konzentriert euch auf die notwendigen Aufgaben, nicht aufs Wunschkonzert! Zwischen Haushaltskonsolidierung, Sanierung der Infrastruktur und Schuldenabbau ist nur wenig Spielraum. Deshalb war es falsch, einfach mal zehn Millionen Euro für die Sanierung des Eierhäuschens im Treptower Park zu spendieren oder sich vorzunehmen, mit dicker Hose die Gasag zurückzukaufen, nur weil das der sozialdemokratischen Basis gefällt. Wer alles will, dem rinnt das Geld durch die Hände, ohne dass die Stadt durchgreifend instandgesetzt wird.

Und vor dem Geldausgeben – auch im Straßenbau – muss Berlin erst einmal beweisen, dass die Verwaltung den Sanierungsstau auch zielgerichtet und kostengünstig angehen kann. Derzeit gebe es in Berlins Behörden dafür „weder die notwendigen konzeptionellen und sachlichen Voraussetzungen noch die erforderlichen Vorgaben“, urteilt der Rechnungshof. Das zu ändern, ist wahrscheinlich die größte Baustelle der Stadt.

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