zum Hauptinhalt
Im Prozess gegen einen Judotrainer ist das Urteil gefallen.

© imago images/blickwinkel

Update

Schuldig in 20 Fällen: Berliner Judotrainer zu sieben Jahren Haft wegen Missbrauchs verurteilt

Sieben ehemalige Sportler des Trainers, zum Tatzeitpunkt zwischen zehn und 16 Jahre alt, hatten schwere Vorwürfe gegen den 43-Jährigen erhoben. Nun kommt er in Haft.

Als Kameramänner vor ihm standen, sah Martin K. nur die Innenseiten des lila Aktenordners, der er sich vors Gesicht hielt. Als der Vorsitzende Richter aber sagte: „Denken Sie über die Dinge nach, die Sie in den vergangenen Jahren falsch gemacht haben“, da blickte der Anwalt K. konzentriert nach vorne zur Richterbank.

Zum Nachdenken hat der frühere Judotrainer K. im Gefängnis jetzt sieben Jahre Zeit. Zu dieser Strafe verurteilte ihn das Landgericht Berlin am Montag. Und „falsch gemacht“ ist eine eher harmlose Umschreibung der Taten, für die er verurteilt wurde.

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Vergewaltigung und Körperverletzung beziehungsweise schwerer sexueller Missbrauch in 20 Fällen an sieben Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 16 Jahren, im Zeitraum von 2008 und 2018. Martin K. war in seinem Judoverein in Berlin-Tegel auch jahrelang Vereinsvorsitzender.

Der Staatsanwalt hatte acht Jahre Haft gefordert, die Verteidigung von Martin K. Freispruch. Denn ihr Mandant bestritt die Vorwürfe. Angeklagt waren zu Beginn des Prozesses 32 Taten, in zehn Fällen wurde das Verfahren jedoch eingestellt.

Die Taten flogen erst auf, als ein Vater irgendwann hellhörig wurde, nachforschte und so die Wahrheit Stück für Stück ans Licht kam. Die Jungen allein hätten Martin K. nicht belastet. Zu dominant war der Anwalt, zu erfolgreich war der Trainer K., der in seinem Verein in Tegel auch noch bis Dezember 2019, bis zu seiner Verhaftung, Vereinsvorsitzender war. Auch Eltern merkten jahrelang nichts.

Die Taten geschahen in Turnhallen, bei Wettkämpfen, in Wohnungen

Martin K. habe die Kinder und Jugendlichen, sagte das Gericht in seiner Urteilsbegründung, in Turnhallen, auf Wettkämpfen, bei Trainingslagern und in Privatwohnungen missbraucht. „Als Rechtsanwalt genossen sie großes Vertrauen bei den Eltern“, sagte der Richter. „Sie haben nicht bloß als Trainer gewirkt, sondern auch Hilfe bei schulischen Problemen geleistet, sie haben sich Zeugnisse zeigen lassen.“ Martin K. sei als Trainer sehr ehrgeizig gewesen. Eine seiner Thesen lautete: „Nur ein guter Schüler kann auch ein guter Judoka sein.“ Das sei ganz im Sinne der Eltern gewesen, sagte der Richter.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Den Opfern, die als Nebenkläger auftraten, sei sein Rat sehr wichtig gewesen, sagte der Richter. Diese Kinder und Jugendlichen seien in den Verein „hineingewachsen“, Martin K. habe Einblicke in die Lebensführung der Sportler gehabt. „Das Vertrauen war so groß, dass die Eltern in den Ferien auf eigene Reisen mit ihren Kindern verzichteten und sie stattdessen zu ihnen gaben.“ Martin K. hatte ein Sommerhaus in Schweden, zu dem er die Kinder mitunter mitnahm.

Es habe ein Abhängigkeitsverhältnis bestanden, sagte das Gericht

Es habe, sagte der Richter, ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Trainer und Sportlern gegeben. Eines der Opfer habe gesagt, Martin K. sei wie eine Vaterfigur für ihn gewesen. Und: „Was Martin sagte, war Gesetz. Man hat ihm nicht widersprochen.“ Martin K. habe seine dominante Persönlichkeit eingesetzt, sagte der Richter, und er habe damit auch beachtliche sportliche Erfolge erzielt.

[In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns regelmäßig unter anderem mit Polizei- und Sicherheitsthemen. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Es habe aber eine Wechselwirkung gegeben: Einerseits hätten die Sportler Anerkennung, Zuneigung und Nähe erfahren, andererseits habe es Kontrolle und Sanktionen gegeben. „Sie hatten eine harte Hand“, sagte der Richter. Die Opfer hätten körperliche Züchtigung erfahren und ertragen. „Über körperliche Züchtigung kam es zu sexuellen Übergriffen“, sagt der Richter. K. habe sich „rücksichts- und empathielos verhalten“. Die Eltern freilich hätten über Jahre hinweg nicht gewusst, was mit ihren Kindern passiere.

Für das Gericht bestand kein Zweifel, dass die Aussagen der Opfer glaubwürdig waren. Alle seien überzeugend gewesen, kein Nebenkläger habe Belastungseifer gezeigt. Zum Schutz der Betroffenen fand der Prozess größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false