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Schwimmende Kinder.

© picture alliance/dpa

Schwimmenlernen in den Sommerferien in Berlin: Kurse, die Kinderleben retten

Weil die Bäder lange geschlossen waren, konnten viele Kinder nicht schwimmen lernen. Intensivkurse in den Sommerferien sollen Abhilfe schaffen, einige Plätze sind noch frei.

Es ist schwül-warm im Kombibad Seestraße in Wedding. Der typische Chlorgeruch liegt in der Luft. Schon vor Betreten der Schwimmhalle hört man lautes Kinderlachen und Geschrei. Im Becken, das in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist, ist viel los.

In einer Ecke schwimmen Kinder mit Behinderung. Trainer Tobias Niestroy ruft ihnen von Zeit zu Zeit ermutigende Worte zu. Schräg gegenüber unternehmen ein paar Kinder mit Schwimmnudeln ihre ersten Schwimmversuche. Ihre Trainer:innen stehen direkt am Beckenrand – bereit, einzugreifen, sollte ein Kind in Schwierigkeiten geraten.

Am anderen Ende des Beckens lernen einige Kinder einfache Rettungsschwimmtechniken. Was da stattfindet, ist einer der Intensivschwimmkurse, die derzeit in Berlin in den Sommerferien angeboten werden. Teilnehmenden wie Trainer:innen merkt man an: Schwimmen lernen macht Spaß. 

Wegen der Corona-Pandemie waren Berlins Schwimmbäder ab November 2020 bis Mai 2021 geschlossen. Schwimmkurse sowie der schulische Schwimmunterricht konnten größtenteils über ein halbes Jahr lang nicht stattfinden. Eine große Zahl an Grundschüler:innen hat somit im vergangenen Schuljahr nicht schwimmen gelernt.

Aktuelle Zahlen zur Nichtschwimmerquote liegen der Senatsverwaltung für Bildung zwar noch nicht vor, man gehe aber von einer pandemiebedingt höheren Zahl an Nichtschwimmer:innen aus als in den Vorjahren, sagt Sprecher Ralph Kotsch. Abhilfe sollen nun die Intensivschwimmkurse schaffen, die die Senatsverwaltung in Kooperation mit dem Landessportbund anbietet. 

Hat ein Kind das Bronzeabzeichen, gilt es als sicherer Schwimmer

Teilnehmen können Dritt- und Viertklässler:innen sowie in Ausnahmefällen auch Schüler:innen der 5. und 6. Klasse, die bislang kein Seepferdchen oder Jugendschwimmabzeichen in Bronze erhalten haben. Hat ein Kind das Bronzeabzeichen, gilt es als sicherer Schwimmer.

Für die insgesamt 8000 Plätze sind bislang rund 7000 Anmeldungen eingegangen. In zwölf Schwimmhallen der Berliner Bäderbetriebe übernehmen 17 Schwimmvereine die Ferienschwimmausbildung. Das Intensivtraining soll voraussichtlich auch während der Herbstferien angeboten werden. 

Intensivkurse dieser Art gab es erstmals 2018. Letztes Jahr fanden sie während der Sommer- und Herbstferien mit mehr als 4800 Kindern statt, um den pandemiebedingten Ausfällen entgegenzuwirken.

Dabei hatte sich die Nichtschwimmerquote vor der Corona-Pandemie durchaus positiv entwickelt: Statistiken der Senatsverwaltung zufolge konnten am Ende des Schuljahres 2018/19 16,6 Prozent der Berliner Drittklässler:innen nicht schwimmen. Sechs Jahre zuvor habe der Nichtschwimmeranteil noch 19,6 Prozent betragen. 

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Nach Schätzungen der DLRG liegt die Nichtschwimmerquote deutschlandweit bei 40 Prozent und damit deutlich höher als in Berlin. Laut Auskunft der Senatsverwaltung nehmen jährlich rund 35.000 Drittklässler:innen am Schwimmunterricht teil. 

Geht man von einem Nichtschwimmeranteil von 16,6 Prozent im Schuljahr 2018/19 aus, so konnten etwa 5810 von diesen 35.000 Schüler:innen am Ende trotz Unterricht nicht schwimmen. Im Kleinkindalter stellt Ertrinken die häufigste Todesursache dar. Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren kommen immer noch am zweithäufigsten im Wasser ums Leben. 

Schwimmen zu lernen allein reicht zwar nicht aus, um Kinderleben zu retten: Auch Kinder, die schwimmen können, kommen bei Badeunfällen ums Leben. Je schlechter ein Kind schwimmen kann, desto größer ist allerdings die Gefahr, dass es im Wasser sein Leben lässt.

Zu wenig Kursplätze durch Bäderschließungen

Guido Kersten ist ehrenamtlicher Vorsitzender des Schwimmvereins Berliner Wasserratten e.V., der sich mit seinem Trainerteam an den Intensivschwimmkursen beteiligt. Schon vor der Pandemie sei der Anteil an Nichtschwimmer:innen zu groß gewesen, sagt der 56-Jährige. Die Problematik habe sich dann durch den Lockdown verschärft. 

In Berlin gebe es „einfach zu wenig Wasserfläche für die Schwimmausbildung“. Daher mangele es an Kursplätzen. Das sei unter anderem auf Bäderschließungen zurückzuführen.

Auf Nachfrage teilen die Berliner Bäderbetriebe mit, die Wasserfläche sei weniger entscheidend. Es komme bei der Zahl an Kursplätzen vielmehr auf die Öffnungszeiten der Bäder an. 50 Prozent der Zeit seien entsprechend der Nutzungssatzung der Bäder für die allgemeine Öffentlichkeit reserviert – also nicht für Schulen und Vereine. 

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Die Bäderbetriebe räumen allerdings ein, dass durch die Schließung der baufälligen Schwimmhalle Holzmarktstraße in Friedrichshain und die bevorstehende Sanierung des Bades am Spreewaldplatz in Kreuzberg die Wasserfläche abnehme. Daher werde momentan eine Übergangsschwimmhalle in Kreuzberg gebaut. Weitere Neubauten seien in Planung.

Für die Intensivkurse während der Sommerferien öffnen die Bäderbetriebe zwölf Hallenbäder. Ziel dieser Kurse sei die „direkte, schnellstmögliche Förderung“ der teilnehmenden Kinder, sagt Kersten. Kinder mit und ohne Behinderung werden ihrem Leistungsstand entsprechend gefördert.

Am Becken. Tobias Niestroy ist Schwimmtrainer.
Am Becken. Tobias Niestroy ist Schwimmtrainer.

© Tino Hentschel / Berliner Schwimmteam

Kursteilnehmer:innen, die noch gar nicht schwimmen können, würden langsam ans Schwimmen herangeführt. Die erfahreneren Schwimmer:innen würden in einfachen Rettungsschwimmtechniken geschult. So können auch Kinder gegebenenfalls zu Lebensretter:innen werden.

Tobias Niestroy ist einer der Trainer, die sich bei den Ferienkursen engagieren. Er übernimmt vor allem die Betreuung der Kinder mit Behinderung. Als ausgebildeter Schwimmlehrer ist Niestroy Übungsleiter im Berliner Schwimmteam, einer paralympischen Trainingsgruppe. Zudem unterrichtet er an einer Schule für körperbehinderte Kinder. 

Auch der familiäre Hintergrund entscheidet, ob ein Kind schwimmen lernt

Über die Teilnehmer:innen der Intensivkurse sagt er: „Die haben meistens schon mit Wasser zu tun gehabt. Das Problem sind die Kinder, die niemals so einen Kurs besuchen.“ Es gebe nicht nur zu wenig Kursangebote für Nichtschwimmer:innen. Zusätzlich sei auch der familiäre Hintergrund „ein großer Faktor“, ob ein Kind schwimmen lernt oder nicht.

An Grundschulen werde meistens erst in der dritten Klasse Schwimmunterricht erteilt. „Das ist für meine Begriffe schon deutlich zu spät“, sagt Niestroy. Kersten und er sind sich einig: Es wäre besser, Kinder schon früher, möglichst schon in der Kita oder in der ersten Klasse, ans Schwimmen heranzuführen. 

Jedes Kind, das sich zumindest einigermaßen über Wasser halten kann, ist schließlich ein Kind mehr, das weniger gefährdet ist, beim Baden ums Leben zu kommen. Freie Kursplätze gibt es nach Auskunft des Landessportbundes derzeit noch in den Bädern Märkisches Viertel, Seestraße, Gropiusstadt und Finckensteinallee. Anmeldungen sind hier möglich.

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